Die mittelalterliche Siedlung Lalibela ist eine heilige Stadt und der wichtigste Wallfahrtsort von Äthiopien. Die inzwischen auf über 23 000 Einwohner angewachsene Stadt wird fast vollständig von äthiopisch-orthodoxen Christen bewohnt. Berühmt ist der Ort für seine elf, in roten Tuffstein gehauenen Felsenkirchen. Anders als in der Region Tigray wurden die Kirchen allerdings nicht waagerecht in einen Berg gehauen, sondern senkrecht aus dem Boden herausgearbeitet. König Lalibela wurde im 11. Jahrhundert von Gott selbst angewiesen, diese Kirchen zu bauen. Da es wohl kaum möglich war, innerhalb so kurzer Zeit die vielen Bauwerke zu erstellen, entsandte Gott himmlische Helfer. Und bei manchen der Bauwerke denken auch wir, dass nur Engel sowas errichten können. Hier entstanden die größten von Menschen geschaffenen monolithischen Strukturen der Welt.
Der Grund für die Bautätigkeit befindet sich im heutigen Israel. Da die heilige Stadt Jerusalem im Jahr 1187 durch den Sieg Saladins an die Moslems gefallen war, benötigten die Christen Ersatz. Gott gab Lalibela also den Auftrag, in dem Ort Roha ein neues Jerusalem zu bauen. Kein Problem: der König hatte seine Kindheit in der Heiligen Stadt verbracht und die Kirchen noch gut in Erinnerung. Und bei vergessenen Details halfen sicherlich die Engel nach. Eine schöne Geschichte, die dem heutigen Lalibela auch den Namen Neu-Jerusalem gibt. Das erklärt auch, warum die Anlage voller Symbolik steckt. So steht ein durch die Kirchstadt gezogener Graben für den Jordan und eine in den Fels getriebene, schon äußerlich schlichte Kapelle für Bethlehem.
Nach der Ankunft fallen uns aber als Erstes die hübschen Tukuls auf, die zwischen den Bäumen auf den sanft geschwungenen Hügeln verteilt sind. Die zweistöckigen, runden Wohnhäuser mit den Strohdächern sind im traditionellen »Lalibela-Stil« gehalten. Genauso typisch sind die Pferde mit dem seltsamen Haarschnitt der Schwänze. Aus dem Haar werden Wedel hergestellt. Nicht etwa zum Staubwedeln. Nein, die »Pferdeschwänze« werden zum Verscheuchen der Fliegen genutzt. Immerhin kommen Tausende von Pilger hierher. Und viele bekommen während ihres oft monatelangen Fußmarsches nur selten Gelegenheit, sich zu waschen. Anstelle der sonst üblichen, einfachen Andenken haben hier auch die Souvenirs einen christlichen Charakter. So sehen wir einen Priester, der kunstvolle Kirchenbilder auf dünne Lederstreifen malt. Ein passendes Geschenk zu Weihnachten, das hier am 7. Januar gefeiert wird.
Das Hotel Lal befindet sich am Ortsrand von Lalibela, nur einen guten Steinwurf vom Zentrum entfernt. Auch wenn die meisten Gebäude im Tukul-Stil erbaut sind, haben sie nur wenig mit den Hütten im »Lalibela-Stil« gemein. Wir bekommen ein Zimmer in einem der eckigen Häuser des Hotels. Die Hütten sind zwar authentischer, das wird aber durch die etwas bessere Lage wieder ausgeglichen. Die Häuser bestehen aus Naturstein und bieten innen reichlich Platz. Einzig das Bad ist etwas klein geraten und die Dusche mit dem Vorhang unpraktisch. Das Waschbecken befindet sich im Zimmerbereich, an der Wand zum Bad. Die Lage selbst stört nicht, aber die Beschaffenheit. Das Wasser läuft zwar sofort, als wir den Hahn öffnen. Aber man sollte möglichst vorsichtig mit den Armaturen hantieren. Denn das Becken hält mehr durch die Hoffnung (vielleicht auch nur aus alter Gewohnheit) als durch die Schrauben an der Wand. Dafür ist das Bett bequem und sauber. Den Abend können wir auf der ruhigen und durch Kletterpflanzen sichtgeschützten Terrasse in trauter Zweisamkeit ausklingen lassen.
Das Abendessen wird als Büfett im Restaurant angerichtet. Für europäische Verhältnisse ist es sicherlich günstig. Trotzdem lohnt es sich nicht für uns, da im Lal von einem Appetit ausgegangen wird, der unseren bei Weitem übersteigt. Es ist aber kein Problem, sich gleich nebenan bei der Bar eine Kleinigkeit aus der Karte zu bestellen. Dadurch müssen wir mit einem der niedrigen Tische im Barbereich vorlieb nehmen. Dafür aber haben wir es gemütlich und ist die Gefahr einer Völlerei gebannt, nur weil man sie bezahlt hat. Da Lalibela kein Ort zum Ausgehen ist, trudeln wenig später auch die meisten anderen Gäste des Hotels bei der Bar ein und kommen wir schnell mit Gleichgesinnten ins Gespräch. Auch hier bleibt alles der Umgebung entsprechend gesittet. Durch die ruhige Lage können wir somit zwei erholsame Nächte im Hotel Lal verbringen.
Das Frühstück ist im Hotel Lal ebenfalls reichlich, aber die Speisen sind typisch für Äthiopien, also alle eher schwer. Bei dem brötchenähnlichen Gebäck fühle ich mich schon nach wenigen Bissen wieder pappsatt. Hier ist es besser, die Teller nur sparsam zu füllen oder lieber gleich zum gekochten Gemüse zu greifen. Die Mittagspause zwischen unseren Touren und Kirchenbesuchen verbringen wir schließlich im Gartenrestaurant. Ein Blätterdach und bunte Tücher spenden genügend Schatten und es gibt leckeren Saft in verschiedenen Fruchtsorten. Allerdings sollte man bedenken, dass sich das Hotel auf einer Höhe von 2500 Metern befindet, womit es abends recht schnell kühl wird. Jacken und ein Halstuch, vielleicht auch dünne Handschuhe sollten also griffbereit sein. Insgesamt aber kann man es hier gut aushalten und ist das Lal eine gute Wahl für den Aufenthalt in Lalibela.