Im Dorf der Karo am Omo River

Bei einem friedlichen Volk im Süden von Äthiopien

Wir befinden uns im Gebiet des Omo Rivers, in der »Region der südlichen Nationen, Nationalitäten und Völker« im Südwesten von Äthiopien. Ein wasserführender Fluss ist während unserer Fahrt zum Dorf der Karo durch den Omo-Nationalpark lange Zeit weit und breit keiner zu sehen. Und das Wadi, welches wir kreuzen, gehört wohl eher zum Keske-River. Riesige Kuhherden suchen darin nach ihren Wasserlöchern. Dafür durchstreifen wir auf Staubstraßen herrliche Savannen. Hin und wieder stolzieren große Vögel durch das Dornengestrüpp. – Leider unfotografierbar. Dafür halten wir bei einer Ansammlung von Wüstenrosen.

Wüstenrosen und Termitenhügel im Omo Nationalpark

Die Wüstenrose (Adenium), eine Pflanzengattung aus der Familie der Hundsgiftgewächse, bevorzugt trockenes bis dürres Klima und fühlt sich hier sichtlich wohl. Die immergrünen, bei uns als Zimmerpflanzen bekannten Sträucher, erreichen in dem Nationalpark eine Wuchshöhe von bis zu fünf Meter und einen Stammdurchmesser bis zu zwei Meter.

Ganz so gewaltige Exemplare sind jedoch selten. Dafür erfreuen wir uns an den rosa bis pinkfarbenen Blüten der Wüstenrosen, die schöne Farbkleckse in die sonst eher eintönig graue Landschaft bringen.

Daneben fallen uns die Termitenhügel in der Savanne auf. Vor dem blauen Himmel ragen diese Insektenschlösser einige Meter weit in die Höhe. Als Baumaterial nutzen die kleinen Tiere Erde und Pflanzen (Zellulose). Ihr Speichel dient als Bindemittel, womit die Hügel eine enorme Festigkeit erhalten. Nur wenigen Fressfeinde gelingt es daher, in den Bau einzudringen. Denn kaum wird die schützende Haut der Festung beschädigt, beginnen die Tiere mit der Reparatur.

Anders als bei Ameisenhaufen können wir draußen keine Insekten entdecken. Wieso auch bei der Hitze? Die passende Architektur der größtenteils unterirdisch angelegten Bauten sorgt für ein verhältnismäßig kühles und ausgeglichenes Klima. Geben die Termiten ihren Hügel auf, nutzen dies gerne andere Tiere. Deshalb sollte man es auch unterlassen, in irgendwelche vorhandenen Löcher zu schauen oder gar zu greifen. Die eventuell darin lebende Schlange könnte es einem übel nehmen.

Lebensgrundlage vom Staudamm Gibe III bedroht

Nach der langen Anfahrt erreichen wir schließlich den Omo-Fluss. Mit seinem braunen, träg fließenden Wasser bildet er für die indigenen Völker im Nationalpark wie den Hamer und Karo die Lebensgrundlage. Leider wird diese durch den Bau des Staudamms Gibe III bedroht.

Mit dem Aufstauen des Flusses wird der natürliche Flutzyklus beendet und der jetzige Ackerbau kaum mehr möglich sein. Was dann aus den hier lebenden Völkern wird? Es ist egal, denn der Mensch geht vor. Es fragt sich nur welcher?

Das Dorf der Karo auf einem Plateau über dem Omo-River

Hoch oben, auf einem Plateau über dem Omo-River gelangen wir zu den Karo (auch Kara). Kaum haben sie uns bemerkt, kommen die ersten auch schon angerannt. Wird das wieder so eine stressige Fotoveranstaltung wie bei den Mursi? Nein, im Gegenteil.

Es sind nur die Kinder, die stolz ihren frischen Kopfschmuck aus Blüten der Wüstenrose präsentieren. Die Erwachsenen bleiben im Dorf und gehen weiter ihrer Arbeit nach. Während unsere Fahrer mal wieder ein zweites Frühstück aus einer guten Portion Injera genießen, können wir uns zwischen den Hütten umsehen.

Anthropologen bezeichnen das Omo Valley als lebendiges Museum. Es beherbergt die unterschiedlichsten Völkerschaften der vier großen Sprachfamilien Afrikas. Die Karo sind dabei ein recht fröhliches Volk, die mit uns scherzen und lachen. Sie wohnen in igluförmigen Strohhütten. Ein paar korbähnlich geflochtene Hütten stehen auf Stelzen. Es sind wohl Korn- und Getreidespeicher und die Höhe schützt vor Ungeziefer. Die Karo leben vom Hirseanbau. In der trockenen Umgebung beim Omo-River ist das nur durch die jährlichen Überschwemmungen möglich. Für Rinderzucht ist die Landschaft hingegen zu dürr. Und das Vorkommen der Rinderpest übertragenden Tsetse-Fliege ist ein weiteres Hindernis.

Die Karo und ihr Köperschmuck

Die Karo leben abgeschieden und weitgehend unberührt von der Moderne. Ihre Sprache, die »Kar'appo« ist verwandt mit den Sprachen ihrer benachbarten Volksgruppen der Benna, Hamer und Bashada. Wir erkennen einige kulturellen Verwandtschaften mit den Hamer, wie die Ehe-Halsringe und weiteren Körperschmuck. Auch das Ritual des Bullensprungs wird betrieben. Allerdings sind sie weniger vernarbt und tragen ihr Haar kurz. Durch die ähnlichen Kulturen ist eine Vermischung der Völker Hamer und Karo durch Heirat und Familienbildung oft der Fall.
Typisch für die Karo ist das Praktizieren von Narbentätowierungen, das Bemalen von Gesicht und Körper mit Naturfarben und vor allem das kunstvolle Frisieren der Haare. Wir können einen Friseur beobachten,wie er sorgsam die kurzen Stoppelzöpfe mit einer Rasierklinge von unnötigem Haarflaum befreit. Auffallend sind die durchstochenen Unterlippen. Dort wird alles durchgezogen, was möglich ist. Dünne, noch beblätterte Äste, Holz- oder Metallstäbe oder auch einfach nur die rosa Blüten der Wüstenrose. Bei der Gesichtsbemalung fehlt es offensichtlich einigen noch an Übung. Bei manchen ist es einfaches Geschmier, bei anderen sind es kunstvolle Punktmuster.

Mit Feuerwaffen gegen die Viehdiebe

Bei unserem Besuch bleibt auch die Stimmung gut, schon alleine, weil die Karo einiges friedlicher wirken als die Hamer. Das einzig störende ist der bewaffnete Mann, der sich wichtig tuend auf seine Leute aufpasst. Die Karo haben mit ihren Nachbarstämmen Frieden geschlossen, was wichtig für so ein kleines Volk ist. Bei der steigenden Zahl moderner Feuerwaffen sind die auftretenden Konflikte zwischen den Völkern sehr gefährlich.

Da können wir nur hoffen, dass das Frieden stiftende Beispiel der Karo Schule macht und irgendwann alle Völker im Süden Äthiopiens den Wert einer vielschichtigen Bevölkerung erkennen. Seit jüngerer Zeit stammen einige Eindringlinge, welche sich an den eh schon kleinen Viehbeständen der Karo vergreifen, jedoch aus dem Südsudan. Den Karo bleibt gar nichts anderes übrig, als sich mit Feuerwaffen gegen die Viehdiebe zu verteidigen.

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