Der Piton des Neiges ist mit 3070 Metern der höchste Berg auf der Insel La Réunion und zugleich die höchster Erhebung im Indischen Ozean. Sportliche Wanderer schaffen den Aufstieg ab dem Wanderparkplatz oberhalb von Cilaos innerhalb eines Tages. Im Normalfall verteilt man die rund 1750 Höhenmeter auf zwei Tage und übernachtet in der Gîte du Piton des Neiges.
Zweitägige Wanderung auf den Piton des Neiges mit Übernachtung auf der Gîte Piton des Neiges (auch Gîte de la Caverne Dufour) auf etwa 2500 Meter über dem Meer.
Steht mir wieder eine schweißtreibende Bergtour bevor? Nach dem Kinabalu wollte ich eigentlich auf solche Wanderungen verzichten. Doch wie soll man auf La Réunion auf eine Tour verzichten, die viele als Highlight ihrer Reise beschreiben? Das wäre doch »dommage«, schade. So also schafft es die Gîte Piton des Neiges, Teil unserer Reiseunterlagen zu werden. Sollen wir die Übernachtung in der Hütte verfallen lassen? Doch nicht mit Freudenthals und warum auch? Wenn wir schon mal da sind, dann wollen wir auch auf den höchsten Berg der Insel steigen.
Bevor wir in Cilaos aufbrechen, können wir den Morgen ruhig angehen, ausgiebig frühstücken und unsere Koffer packen. Denn weil die Gîte Piton des Neiges frühstens um zwei Uhr öffnet, lohnt es sich nicht groß, schon vorher bei der Berghütte anzukommen. Unser Gepäck deponieren wir sicher im Hotel Le Vieux Cep. Das ist eine gängige Praxis in dem Urlaubsort.
Wahrscheinlich hätten wir auch das Auto beim Hotel lassen können, aber bis zum Parkplatz Le Bloc wären es zu Fuß dreieinhalb Kilometer zusätzlich gewesen – und diese immer nur bergauf entlang der Straße. Als Alternative gibt es eine Busverbindung hoch nach Le Bloc, aber ob wir einen Bus erwischen, wenn wir am nächsten Tag wieder unten ankommen? Wohl kaum.
Als wir beim Parkplatz ankommen, ist dieser recht voll. Klar, die Wanderer aus der Gîte sind wahrscheinlich noch mit dem Abstieg beschäftigt. Aber mit unserem kleinen Peugeot finden wir leicht einen Platz und schon kann es losgehen. Es ist kurz vor neun Uhr und wir durchqueren den groß angelegten Picknickplatz von Le Bloc, der auf einer Höhe von 1380 m liegt. Der Einstieg auf den Wanderweg GRR1 gleich dahinter ist leicht zu finden.
Die ersten Meter ab dem Parkplatz verlaufen über einen Wurzelpfad. In etlichen Kehren geht es auf dem gut angelegten Weg immer nach oben. Der Aufstieg erfolgt durch einen tropischen Mischwald. Die Bäume sind gespenstisch schön mit Bartflechten behangen. Der feuchte Nebel, der ab den Nachmittagsstunden durch die Bergwälder von Réunion zieht, bietet ihnen perfekte Lebensbedingungen. Zudem zeigt uns der reiche Behang, dass die Luft hier oben ziemlich sauber ist.
Nach gut einer Dreiviertelstunde haben wir in etwa die 1700 Höhenmarke nahe einem Felsüberhang erreicht. Der wie eine Bank geformte Stein bietet Platz für eine Atempause und zugleich eine wunderschöne Sicht auf Cilaos, das mitten im Talkessel unter uns liegt. Von dem Felsüberhang sind es noch etwa 20 Minuten bis zu einer gut gesicherten Aussichtsplattform. Hier zählt alleine die Aussicht auf den Talkessel, Bänke gibt es keine.
Das ist aber nicht weiter tragisch, da uns keine 1000 Meter mehr von der Schutzhütte auf dem Plateau du Petit Matarum trennen. Dort gibt es einen überdachten Pavillon, einige Bänke und sogar eine Trinkwasserstelle. Hier, auf 1969 Meter, haben wir nach rund zwei Stunden bereits die Hälfte der Wanderung erreicht, womit das Plateau du Petit Matarum den perfekten Platz für eine längere Knabberpause bildet.
Oberhalb der Schutzhütte verläuft der Pfad relativ flach bis über das schmale Flussbett des Ravine des Prunes, bevor wir die eine längere Aufstiegsetappe in Angriff nehmen. Verlief der Pfad bisher in einem Mischwald, wechselt auf dem nächsten Abschnitt die Vegetation. Mit Bartflechten verhangene Baumheide säumt jetzt unseren Weg.
Allmählich nimmt der Pfad alpinen Charakter an. Weiter oben ziehen Nebelschwaden an uns vorbei. Werden wir später den Rest des Tages bei der Gîte im Nebel hocken? Zum Glück durchbrechen wir die Nebeldecke weiter oben, sodass wir uns nach dem Intermezzo wieder unter einem strahlend blauem Himmel befinden.
Nach fast vier Stunden inklusive mehrerer kurzer und einer längeren Pause erreichen wir die Passhöhe Croisée Coteau Kerveguen auf 2490 Meter. Für heute ist das der höchste Punkt unserer Wanderung auf einem der oberen Ränder des Cirque de Cilaos. Von der Passhöhe können wir direkt auf die Gîte de la Caverne Dufour, wie die Gîte Piton des Neiges auch genannt wird, hinabschauen. Umgeben von Heidebüschen, die inzwischen von Baumgröße auf ein bis anderthalb Meter geschrumpft sind, ist die Berghütte idyllisch inmitten eines kleinen Plateaus gelegen und nach einem rund zehnminütigen Abstieg erreicht.
Die Gîte de la Caverne Dufour oder auch einfach Gîte Piton des Neiges ist ein Sammelpunkt für Wanderer. Mehrere Wanderwege treffen hier zusammen und die Gîte bietet eine Verpflegungs- und Übernachtungsmöglichkeit. Während wir ab Cilaos den kürzesten, dafür steilsten und meist begangenen Weg für den Aufstieg gewählt haben, ist die Gîte auch ab Hell-Bourg im Cirque de Salazie zu erreichen. Ein dritter Weg führt von der Plaine des Cafres über die Bergkette Dimitile hier herauf. Damit eignet sich der Piton des Neiges auch gut als Station bei Inselüberquerungen. Zu erkennen ist dies an den Trekking-Touristen, die im Gegensatz zu uns schweres Gepäck mit sich herumschleppen.
Bei unserer Ankunft ist es ist knapp ein Uhr mittags. Damit hat die Gîte theoretisch noch geschlossen. Die Toiletten sind jedoch zugänglich und auch die Tür zum Frühstücks- und Aufenthaltsraum steht offen. Währenddessen sitzt das Personal, welches rund um die Uhr bei der Hütte ist, in der Küche. Anders als bei der Gîte du Volcan beim Fournaise zeigen die Angestellten kein Interesse am Umsatz.
Getränke werden nur widerwillig herausgegeben. Egal, Lars ist da penetrant. So kehrt er bald mit gekühlten Getränken zu mir zurück und können wir es uns an einem der Tische auf dem Gelände der Hütte gemütlich machen. Die Sonne scheint und wir genießen die Ruhe bei der Gîte, die alleine durch Vogelgezwitscher untermalt wird. Zumindest so lange, bis der Hubschrauber kommt.
Es führt keine Straße hier herauf. Damit stellt sich die Frage, wie die stark frequentierte Hütte beliefert und versorgt wird? Die Antwort sind große Säcke, die mit Hilfe eines Lastenseils einzeln an den Helikopter gehängt werden und Lebensmittel sowie evtl. gewaschene Decken nach oben bringen. Auf gleicher Weise wird mit dem Müll verfahren, nur in umgekehrter Richtung.
Das Spektakel dauert höchstens eine Viertelstunde, in der wir unsere Sonnenhüte und Schirmmützen festhalten müssen, während um uns herum Getränkedosen und PET-Flaschen von den Tischen geweht werden. Dann ist der Spuk vorüber und kehrt wieder Ruhe ein. Danach vertreiben wir uns die Zeit mit Natur- und Vogelfotografie und warten darauf, dass wir einchecken können.
Bei der Bettenvergabe in den drei deutlich größeren Zimmern als beim Fournaise sollte man sich sputen. So kommt es bei uns zu Verwirrungen, da in unserem Raum Nr. 12 neun Betten stehen als Dreier-Stockbett, allerdings zehn Leute einquartiert werden. Dadurch lernen wir ein anderes deutsches Paar kennen, dessen eigentlich schon belegtes Bett einfach uns zugewiesen wird. So stapelt ein Mitarbeiter der Hütte die Rucksäcke um, ohne zu schauen, wem diese gehören. Als die Besitzer schließlich auftauchen, habe ich mich im (auch zuvor schon freiem) obersten Bett eingerichtet. Jedoch nervt mich die hilflose Zählerei vom Hüttenwirt, weshalb ich mich auf die Suche nach zwei anderen Betten machen will.
Blöderweise rutsche ich auf der unpraktischen und glatten Leiter aus und falle fast herunter. Es ist ganz schön hoch, aber ich kann mich gerade noch festhalten und hole mir nur einen großen blauen Fleck. Doch damit ist das Bettenproblem gelöst. Denn nach meinem halben Sturz verzichten die anderen freiwillig auf die obersten Betten und ziehen ins Nachbarzimmer um. Wenig später purzelt dann Lars ebenfalls fast von der Leiter herunter, als er mit der linken Hand nach dem linken, fehlenden Holm greift … Doch sehen wir es positiv: durch dieses Intermezzo lernen wir ein richtig nettes Paar kennen, mit dem wir uns den Rest des Tages ungezwungen unterhalten können.
Die Getränkeauswahl auf der Gîte ist bescheiden. Aber immerhin gibt es Cola, Bier, Limo, Tee, Kaffee mit Milchpulver sowie auch heißen Kakao. Zum Abendessen müssen wir um etwa 7 Uhr vom eigentlichen Aufenthaltsraum in den »Speisesaal« wechseln. Es ist kalt, die Heizungen sind aus und die Fenster im Nu völlig beschlagen.
Als Vorspeise gibt es eine Art Likör, den man wahrscheinlich auch als Lampenöl verwenden könnte. Die Hauptspeise besteht aus Reis, Bohneneintopf und eine Art angebratene Wurst, die geschmacklich zwar okay ist, mir aber später unheimlich schwer auf dem Magen liegt.
Zum sanitären Bereich der Gîte zählen mehrere Duschen, die bei unserem Aufenthalt allerdings funktionslos waren. Das aber hatten wir schon vorher erfahren, sodass wir erst gar kein Duschgel mitgenommen haben. Duschen fällt für heute also flach, womit wir für nur einen Tag allerdings gut Leben können. Doch leider funktionieren auch nur zwei der drei Toiletten, was für die Menge an Leute deutlich zu wenig ist und nach dem Abendessen zu langen Warteschlangen führt.
Zudem hatte die Reihe Wasserhähne einen nur sehr geringen Wasserdruck. Da es in den Zimmern und im Aufenthaltsraum ebenfalls keine funktionstüchtige Heizung gibt, wird es in der Hütte nachts recht kalt. So sind wir doch froh, als wir uns später in unsere warmen Schlafsäcke kuscheln können. Leid tun uns nur die Fernwanderer, die teilweise durch den Regen marschiert sind und auf der Hütte keine Möglichkeit finden, ihre Klamotten zu trocknen.
Eigentlich geht es bei der Gîte darum, am frühen Morgen zum Gipfel zu laufen und den Sonnenaufgang zu sehen. Allein deshalb gehen die Leute alle schon um acht Uhr ins Bett. Zumindest fast alle. Ein paar verbringen noch etwas Zeit mit Würfelspielen, was in der Stille alles andere als förderlich ist, um einzuschlafen. Egal, die Geräusche, die so mancher Zimmerbewohner macht, sind es auch nicht.
Bohneneintopf ist keine geeignete Mahlzeit für Berghütten! So liegen wir die meiste Zeit wach und hoffen, dass es bald vier Uhr wird ... Die Gîte Piton des Neiges steht zwar auf dem Berg der Berge und ist Ziel Nummer 1 für Bergwanderer. Dafür aber ist es die schlechteste Gîte auf der ganzen Insel, was uns von so einigen Fernwanderern bestätigt wird.
Um halb Vier stehen wir auf. Verschlafen ist so gut wie unmöglich, da allgemeine Aufbruchsstimmung in der Gîte herrscht. Auch wenn ich etwas Schlaf gefunden habe, wurde ich doch immer wieder geweckt, sodass ich alles andere als ausgeschlafen bin. Irgendwann in der Nacht hat ein Sturm eingesetzt, der immer noch anhält. Als wir kurz vor die Hütte treten, schlägt uns ein fieser Regen entgegen. Was nun? Abwarten! Die ersten sind bereits aufgebrochen.
Lars Kommentar dazu: »Sonnenaufgänge bei Regen werden völlig überbewertet.« Offenbar sehen das auch andere bald ein. Denn schon nach kurzer Zeit kommt ein Teil der Frühaufsteher schon wieder zurück. Sie waren nach einer Viertelstunde schon derart durchnässt, dass sie aufgegeben haben. Nun hinterlassen ihre Socken nasse Abdrücke auf dem Hüttenboden. Wir gehen wieder ins Bett. Da unser Raum inzwischen so gut wie leer ist, können wir jetzt einiges besser schlafen.
Als wir am Morgen aufstehen und frühstücken gehen, regnet es noch immer. Inzwischen finden sich auch einige Gipfelstürmer wieder bei der Hütte ein. Ein paar von ihnen sind tatsächlich ganz oben auf dem Gipfel gewesen. Doch was haben sie gesehen? Nichts!!! Dafür sind sie bis auf die Unterwäsche nass und völlig durchgefroren.
Nach der Tortur freuen sie sich jetzt auf das Frühstück, ziehen aber lange Gesichter, kaum dass sie das Tablett in der Hand halten. Vier Scheiben süßes Toastbrot, ein kleines Stück Butter und zwei Döslein Marmelade sind alles, was es zu beißen gibt. Einzig die Schüssel Kakao ist groß bemessen. Satt wird man aber nicht.
Wir warten noch eine Weile ab. Bei dem Wetter verspüren auch wir keine Lust, nach Cilaos runter zu laufen. Wobei wir es noch einigermaßen gut erwischt haben. Einige, die keine Betten in der Gîte reserviert hatten oder zu spät dran waren, mussten die Nacht draußen in Notzelten übernachten. In den schlecht isolierten Zelten ist es noch kälter und feuchter als drinnen. Da die meisten eh schon nass sind, starten sie bald den Rückweg ins Tal.
Nachdem ein Loch in den Wolken kurz den Blick auf die höheren Lagen am Piton de Neiges frei gibt, schöpft Lars doch noch Mut. Zwar zieht das Loch sofort wieder zu, doch in den nächsten 20 Minuten ist die Sonne immer leicht durch die Wolken zu sehen. Schließlich gibt sein Gesicht klar zu erkennen: Er will auf den Gipfel. Um mir Mut zu machen, erklärt er, dass die Wolkendecke über uns höchstens noch 150 bis 200 Meter dick ist und darüber die Sonne scheint. Inversionswetterlage nennt er das ungeachtet der Regenberichte der Rückkehrer.
Also packen wir unsere Sachen und starten zur Gipfeltour. Anstelle von Regentröpfchen schlagen uns nun feinste Wolkentröpfchen entgegen. Allein ein paar heftige Windböen machen das immer noch nasse Wetter unangenehm. So breche ich nach wenigen Metern ab und lasse ihn die Tour alleine machen. Unterhaltung habe ich in der Hütte genug und hoffe einzig, dass sich mein tapferer Gipfelstürmer dort oben kein Bein bricht. Während ich also in der Hütte sitze, auf besser Wetter und seine Rückkehr warte, muss er die Berichterstattung übernehmen:
Kaum haben wir ein paar Sachen getauscht (Schlafsack und anderer unnötiger Ballast nach unten, Navi und Traubenzucker nach oben), springe ich den nächsten kurzen Abschnitt den Berg hinauf. Mein einziger Gedanke ist, dass ich so schnell wie möglich über den Wolken sein will. Leider muss ich mir bald eingestehen, dass ich das Tempo nicht durchhalten werde und wenigstens einen Gang zurückschalten muss. Als mir eine besonders heftige Böe den Nieselregen ins Gesicht klatscht, suche ich Schutz neben einem großen Felsbrocken.
Zeit zum Trinken, Zeit für Traubenzucker, Handschuhe an und weiter. Auf dem nächsten Abschnitt lassen mich zwei besonders nasse Böen zweifeln, ob ich richtig liege. So ist von der Sonne auf einmal nichts mehr zu sehen. Wieder Traubenzucker, der nächste Schluck Wasser, neue Kraft mobilisiert und die nächsten 20, 30, 50 Höhenmeter genommen. Als mir ein junger Japaner entgegen kommt, frage ich ihn, ob er Sonne auf dem Gipfel hatte. Er spricht kaum ein Wort Englisch, gibt mir aber allein durch seine Gestik zu verstehen, dass er von einem richtig tollen Erlebnis zurückkommt.
Als ich mich etwa 150 Meter oberhalb der Hütte befinde, ist das Schlimmste überstanden. Auch wenn von der Sonne noch nichts zu sehen ist, wird es wieder heller und lässt der Wind spürbar nach. Auf einer Höhe von 2.670 Meter bzw. 170 Meter über der Gîte Piton des Neiges bekomme ich erstmals eine etwas weitere Sicht und wage ich es, die Kamera geschwind für ein Foto aus dem Rucksack zu nehmen. Als ich sie wieder verstauen will, stutze ich.
Denn plötzlich stehe ich oberhalb der Wolkendecke mit einem strahlend blauen Himmel über mir. Es ist windstill und im Sonnenlicht einige Grad wärmer als noch wenige Augenblicke zuvor. Vor Glück mag ich schreien: »Nennt mich Wetterguru, nennt mich Sonnengott!« Allein das Wissen, dass Annette derart angeberische Theatralik gar nicht mag, lässt mich schweigen. Jacke aus, Traubenzucker rein, zwei Schluck Wasser, Sonnenbrille … ist längst wieder in der Hütte.
Bis hoch zum Gipfel sind es noch rund 400 Höhenmeter. Mit einem fetten Strahlen im Gesicht kann ich diese nun ruhig angehen lassen und das hier oben richtig geile Wetter genießen. Hatte sich am Tag zuvor noch eine Frau auf Schwyzerdütsch darüber mokiert, dass in der Nacht alle wie eine Stirnlampenkarawane auf den Berg laufen werden, so bin ich nun auf weiter Flur allein. Und um mir herum nichts als Steine und nasse Zwergsträucher, deren Farben nun im Sonnenlicht besonders intensiv leuchten.
Schließlich gelange ich an einen Übergang. Dachte ich zuvor, dass der Weg zum Gipfel immer nur bergauf führt, werde ich hier eines Besseren belehrt. Der Weg führt durch eine Mulde. Es sind höchstens 30 Höhenmeter, die ich dadurch zusätzlich leisten muss. Allein wenn man diese nicht auf der Rechnung hat … Egal, kurze Atempause, Wasser, Traubenzucker, weiter – erst immer in Richtung einer Sendeanlage, dann nach links auf den breiten und abgeflachten Gipfel.
Sowie ich an den Rand des Plateaus trete, hängt unter mir der Nebel im Talkessel von Cilaos. Der benachbarte Gros Morne ragt indes aus der Wolkendecke heraus. Wie auch der Piton de la Fournaise in der Ferne und mehrere andere Gipfel am Rand der drei Talkessel von Réunion. Auf den letzten Metern zum Gipfel bestimmen einige aufgestapelte Steinkreise das Bild. Sie ähneln einer keltischen Fliehburg im Miniaturformat und sollen die Nachtwanderer vor eisigen Windböen schützen. Anderthalb Stunden nach unserem zunächst noch gemeinsamen Aufbruch bei der Hütte stehe ich auf dem Gipfel des Piton des Neiges, den mit 3.071 Metern höchsten Punkt auf der Insel La Réunion und dem gesamten indischen Ozean. Um Annette nicht allzu lange warten zu lassen, belasse ich es bei einem kurzen Aufenthalt. Allzu spektakulär ist der Gipfel ohnehin nicht.
Mit nur noch kurzen Fotostopps beim Abstieg komme ich schließlich nach insgesamt zweieinhalb Stunden wieder bei der Berghütte an, wo nur wenige Nebelschwaden zu sehen sind, sich aber ansonsten auch die Sonne durchgesetzt hat. Dort genießen wir noch eine Weile das nun wieder herrliche Wetter, eh wir uns an den gemeinsamen Abstieg zum Rast- und Wanderparkplatz Le Bloc machen.
Bedenken wir, dass ein Teil der Nachtwanderer noch im Regen »schnellstens« hinuntergelaufen ist, hat es sich auch hier gelohnt, auf besseres Wetter zu warten. So verwandeln unzählige winzige Tröpfchen an den Bartflechten die nun sonnendurchfluteten Wälder in eine Landschaft, die sich nur mit einem Wort beschreiben lässt: zauberhaft.
Die Anfahrt erfolgt von der Südwestküste ab Saint-Louis über die N 5 in den Talkessel von Cilaos. Ab dem oberen Ortsende (bei der Kirche) auf die D#241 bzw. Route du Bras Sec wechseln und dieser bis zum Picknick- und Wanderparkplatz le Bloc folgen. Vom Kreisel vor der Kirche bis dorthin sind es etwa 1,5 km und 120 Höhenmeter.
Ausgangspunkt | le Bloc (1380 m) |
Koordinaten | S 21.1234, E 55.4833 |
Gehzeit | 3.30 Stunden bis zur Gîte, 1.50 Stunden Gîte - Piton des Neiges, Abstieg 4 - 5 Stunden. Sportliche Bergsteiger schaffen die Tour auch als Tageswanderung. |
Distanz | 14,5 km |
Anstiege | ca. 1750 HM (ca. 1150 HM bis zur Gîte du Piton des Neiges) |
Anforderungen | T3 (Kondition) |
Einkehr | Gîte du Piton des Neiges (= Refuge de la Caverne Dufour) |
GPS-Daten | Wanderung-Piton-des-Neiges.gpx |
kml-Daten | Wanderung-Piton-des-Neiges.kml |