Tiraspol | Reisetipps für die Hauptstadt Transnistriens

Tiraspol ist die Hauptstadt von Transnistrien. Die Stadtgründung erfolgte 1792 durch den russischen Feldherrn Alexander Suworow. Genau 200 Jahre später brach der Transnistrien-Konflikt aus. Nach den kurzen Gefechten zwischen März und August 1992 eilten russische Truppen herbei, um den inneren Streit in ihren Sinne einzufrieren. Seitdem wird die ehemalige Zugehörigkeit zur UdSSR mit allen Mitteln hochgehalten. So ist Suworow heute auf allen transnistrischen Banknoten zu sehen. Auf dem Suworow-Platz begegnet er uns außerdem als Reiterdenkmal. Daneben aber haben einige weitere Reisetipps für einen Kurzaufenthalt in Tiraspol gefunden.

Anreise mit der Fähre über den Dnister

Ab Chitcani trennen uns gut 16 Kilometer von der großen Bender-Brücke auf die östliche Seite des Dnister. Dort befinden wir uns schon fast in Tiraspol. Angesichts der dichten, grünen Landschaft macht es allerdings nicht den Anschein, als befände sich die Hauptstadt Transnistriens gleich um die Ecke. Stattdessen mäandriert der Dnister hier in engen Kurven an Tiraspol vorbei.

So bleibt uns selbst der Blick auf die Brücke verwehrt, die sich gerade mal 500 Meter vom Fähranleger entfernt befindet, welchen Andrej über eine Naturpiste ansteuert. Wir nutzen die Fähre Tiraspol. Was nostalgisch klingt, hat einen handfesten Grund: Die Brücke ist den Dorfbewohnern vorbehalten, welche rechts vom Dnister leben und hin und wieder Stadtluft schnuppern wollen.

Vor Ort erfahren wir, dass auch schwerere Fahrzeuge die Brücke nicht nutzen dürfen. Die Konstruktion solle geschont werden. Sollten sich hinter dem Fahrverbot für Auswärtige und Laster tatsächlich statische Gründe verbergen, nehmen wir gerne die Fähre. Wobei... auch bei dieser sollte man besser ein Auge zudrücken. Im Zweifelsfall ist das Ufer nicht allzu weit, die Strömung eher träge.

Bevor wir übersetzen können, sehen wir sie ablegen und einen westeuropäisch wirkenden Mittelklassewagen hinüberbringen. Auch wenn mindestens vier Autos auf der Fähre Platz fänden, scheint es, als wenn die Fahrzeuge lieber einzeln über den Fluss transportiert werden. Aber vielleicht begegnet man somit auch nur der sonst drohenden Langeweile der Fährfahrer.

Warten statt Leerfahrten

Leerfahrten hingegen werden gemieden. So verschwinden die Fährfahrer auf der anderen Seite des Dnister gleich nach dem Anlegen im Schatten hochgewachsener Weiden. Damit gelingt es ihnen zum bereits zweiten Mal, uns zu entschleunigen.

Es ist eine schöne Gelegenheit, sich am Fähranleger die Füße zu vertreten. Wir beobachten die Schwalben und lauschen dem in Transnistrien wie auch in Moldau allgegenwärtigen Kuckuck, der aus dem Wald ruft.

Wenig später kommt drüben Bewegung auf. Eine blaue Klapperkiste erscheint am Ufer. Unsere Wartezeit hält sich also in Grenzen. Das russische Auto, das uns mit der rostigen Fähre entgegenkommt, wirkt authentisch.

Doch laut Andrej ist es wegen mangelnder Qualität kein sehr beliebtes Modell. Ja, glücklich ist, wer einen japanischen SUV fahren kann. Den werden sich in Transnistrien aber die wenigsten Einwohner leisten können.

Überfahrt über den Dnister

Sowie wir alle an Bord sind, beeindrucken uns die Fährfahrer, wie sie mit den schweren Ketten hantieren und die Fähre vom Anleger lösen. Entlang eines Stahlseils werden wir auf die andere Seite des Dnister gezogen. Dort wird die Fähre mit den Ketten an den Pollern wieder festgezurrt. Wir hatten bei unserer Hausboottour auf dem Canal du Midi schon mit richtigen Seilen Probleme, diese richtig zu knoten. Hier geschieht dies mit dicken Ketten. Ich will nicht wissen, wie viele Finger diese schon auf dem Gewissen haben. Wir indes kommen gut auf der Ostseite des Dnister an und stehen kurz darauf vor der ersten Sehenswürdigkeit von Tiraspol. Es ist ein Denkmal, welch Überraschung!

Sammelsurium an Helden-, Kampf- und Kriegerdenkmalen

Den Stadtrundgang von Tiraspol übernimmt Franziska. Wobei »Rundgang« die Sache nicht ganz trifft. Alle wichtigen Sehenswürdigkeiten der Stadt reihen sich entlang der »Straße des 25. Oktober« auf. Und diese zieht sich schnurgerade durch die Hauptstadt des De-facto-Staates.

Wir beginnen unsere Tour bei einem der sowjetischen Panzer T-34 aus dem Zweiten Weltkrieg. In Transnistrien ist dieser, als legendär beschriebene Panzertyp vielerorts anzutreffen. Dieser hier ist er auf das Areal mit dem Sammelsurium an Helden-, Kampf- und Kriegerdenkmalen ausgerichtet.

Auf dem bei über 30°C Lufttemperatur völlig überhitzten Platz wird den Verstorbenen des 20. Jahrhunderts gedacht. So sind hier 22 Grenzsoldaten beerdigt, welche durch Weißgardisten im Bürgerkrieg von 1921 fielen. Michail Charin, ein Held der Großoffensive »Operation Jassy-Kischinew«, entzündete mitten auf dem Platz eine »Ewige Flamme«. Der Architekt der Anlage, Garry Semenovich Faif, lebte jedoch längst in Paris, wo er im April 2002 gestorben ist. Warum? Er wurde 1973 deportiert, konnte die Sowjetunion dann aber verlassen. Das war kurz nachdem er die Anlage erstellt hatte.

Das Lenin-Denkmal und das Fotografierverbot

Das neueste Bauwerk zwischen den Denkmälern ist die 2011 entstandene Georgskapelle. Sie ist zwar winzig, doch ihre goldene Zwiebelhaube glänzt herrlich in der Sonne. Doch wir steuern bereits das Parlaments- und Regierungsgebäude auf der anderen Straßenseite an. Bei dem Gebäude gilt einmal öfter Fotografierverbot. Trotzdem zählt es zu den am meisten abgelichteten Fotomotiven des Landes, was wiederum dem auffälligen Lenin-Denkmal davor geschuldet ist.

Ab dem Lenin-Denkmal wird die Straße des 25. Oktober breiter. Und das, obwohl sie zuvor schon angesichts des transnistrischen Stadtverkehrs überdimensioniert ist. Die knapp 500 Meter lange Strecke dient als Paradeplatz für Militäraufmärsche und Konzerte, wie sie am »Siegestag« am 9. Mai gefeiert werden.

Bei unserem Besuch sind die Vorbereitungen im vollen Gange. Gekleidet in winzige Uniformen stellen sich die Kinder der angrenzenden Schule zur Parade auf und üben, im Gleichschritt zu marschieren. Die Klasse mit dem schönsten Marsch wird später einen Preis gewinnen. Ein durchaus erstrebenswertes Ziel, oder?

Wir kommen zu einer, aus bunten Steinen frisch gelegten Flagge mit Rotem Stern. Darüber thront die gewaltige Reiterfigur des Alexander Wassiljewitsch Suworow. Der Graf des Heiligen Römischen Reiches gilt als Gründer Tiraspols und wird ebenfalls als Staatsheld verehrt. Wahrscheinlich genauso, wie der Gründer des Spirituosenherstellers Kvint.

Dessen Logo prangt vom benachbarten Plattenbau, vor welchem mehrere russische Panzer und Feldhaubitzen für das große »Befreierfest« bereitgestellt sind. Stolz posiert ein russisches Paar vor dem Kriegsgefährt und macht Selfies mit dem Smartphone. Anders als uns ist ihnen die Propagandafotografie erlaubt.

Das Rathaus von Tiraspol mit dem Sowjetstern

Ein weiteres beeindruckendes Gebäude ist das Rathaus von Tiraspol von 1956. Natürlich steht ein Lenin-Denkmal davor und ziert der Sowjetstern die Spitze des Uhrturms. Daneben befindet sich ein »Bildband« mit einer Reihe transnistrischer Helden. So erreichen wir bald das Staatstheater, bei dem uns Andrej wieder abholen will. Doch bis es soweit ist, suchen wir unter den Bäumen auf dem Universitätsgelände einen Schattenplatz. Hier wird versucht, den jungen Leute die bestmögliche Ausbildung zu geben.

Diese wiederum sind sehr erpicht darauf, dass ihr Abschluss international anerkannt wird. Möglich macht ihnen dies die Republik Moldau. Anschließend fehlt ihnen nur noch ein gültiger Pass aus Moldau, Rumänien oder der Ukraine, je nachdem, welche Ziele sie verfolgen. Tatsächlich sind es viele leid, im Ungewissen und ohne Anerkennung quasi als Illegale zu leben. Sowie es ihnen möglich ist, verlassen sie ihre Heimat, welche einerseits mit viel Propaganda ihren Nationalstolz kundtut, andererseits aber nur wenigen eine zufriedene Zukunft bietet.

Restaurant Kumanek und die traditionelle ukrainische Küche

Die lange Rundfahrt und die vielen neuen Eindrücken eines seltsamen Landes machen müde und hungrig. Alles kein Problem, Andrej fährt uns zum zentrumsnahen Restaurant Kumanek. Die 2005 nach einem Brand neu eröffnete Café-Bar bietet ein originelles Interieur und traditionelle ukrainische Küche. Wir bekommen einen schönen Platz in einem der Séparées im Gartenbereich des Restaurants. Zum Glück ist alles überdacht. Denn mit der Hitze am Mittag hat sich ein Unwetter über uns zusammengebraut und beginnt es zu donnern.

Die Karte ist neben der kyrillischen Schrift auch auf Englisch verfasst. Bei unserer Städtereise nach Moskau hatten wir das anders erlebt. Doch in das Kumanek wird so ziemlich jeder der wenigen Touristen hingebracht. Zur Begrüßung gibt es ein Gläsle Wodka. Auch dieser trägt zur Müdigkeit bei.

Andererseits … und schon haben wir zum Essen noch je ein gutes Glas Rotwein bestellt. Die traditionell gekleidete Bedienung bringt uns leckeres Essen und wir genießen unsere freie Zeit, während sich draußen ein kräftiger Gewitterschauer entlädt.

Abendspaziergang durch Tiraspol

Nach dem Essen im Kumanek endet unsere geführte Tour mit Andrej in Transnistrien. Schön, dass wir Transnistria Tour im Netz gefunden haben. Ohne Andrej hätten wir höchstens die Hälfte der Sehenswürdigkeiten gesehen. Er bringt uns noch zum Hotel Sofia und verspricht, dass wir morgen pünktlich zur Rückfahrt nach Chisinau abgeholt werden. Das Gewitter hat sich inzwischen verzogen und die Luft sich angenehm abgekühlt. So ruhen wir nur kurz im Hotel, eh wir uns wieder aufrappeln und noch einen Abendspaziergang durch Tiraspol unternehmen.

Fortschritt in dem sozialistisch geprägten Landstrich

Das Hotel Sofia liegt etwas abseits des großen Boulevards. Auf dem Weg dorthin spazieren wir durch Straßen mit Namen wie Karl Liebknecht, Lenin und Karl Marx. Ein kompletter Straßenblock wird von der Cognac-Fabrik KVINT eingenommen. Natürlich mit Verkostung und Geschäft an jeder Ecke.

Schöne Sache, vorausgesetzt natürlich, man mag Cognac. Daneben beobachten wir, wie der Fortschritt auch diesen sozialistisch geprägten Landstrich allmählich erreicht. Immer wieder fahren Elektro-Stadtbusse an uns vorbei. Es handelt sich um ein großzügiges Geschenk aus Weißrussland. Natürlich.

Weiter im Zentrum wird deutlich, dass der Konflikt mit Moldawien gegenüber den 1990er-Jahren an Schärfe deutlich verloren hat. Zumindest nutzt man die Vorzüge einer Freundschaft. Andy's Pizzakette kann so nun auch in Transnistrien an vier Standorten Pizza backen. Das mit den Uni-Abschlüssen und den Pässen erwähnten wir ja schon.

Auch die sozialistische Tradition der schaufensterlosen Läden wird in immer mehr Geschäften abgeschafft. So haben es Smartphones und Sportschuhe längst in die Auslagen geschafft. Wir passieren aber auch Geschäfte, welche wacker an der Tradition festhalten, ihre Ware vor neugierigen Blicken zu schützen.

Restaurant-Tipp 7 Pyatnits Cafe

Für einen Abendtrunk gehen wir ins 7 Pyatnits Cafe, das Café der sieben Freitage. Hier gibt es nur eine russische Karte. Aber man behilft sich mit Bildern, was ebenso gut wie eine Übersetzung ist. Limonade, Cola und Milchkaffee versteht die freundliche Bedienung auch so. Natürlich gibt es WiFi. So können wir den Daheimgebliebenen schreiben, dass wir es uns in Transnistrien gutgehen lassen. Und wie bezahlen wir? Wir haben darauf verzichtet, uns mit transnistrischen Rubel einzudecken oder die eckigen Plastikmünzen zu besorgen. Irgendwie war uns klar, dass moldawische Leu und auch Euros in Tiraspol gerne genommen werden.

Hotel Sofia, eine einfache Unterkunft im Zentrum

Eigentlich war das Hotel Russia unsere erste Wahl für die Nacht in Tiraspol. Dort übernachten die meisten Touristen und Reisegruppen. Zudem hatte ich Berichte gelesen, in denen das Russia als »einzige« Übernachtungsmöglichkeit Transnistriens genannt wird. Aber ja, auch in Sachen Hotels hat sich in Tiraspol die letzten Jahre einiges entwickelt. Heute gibt es Hotels, Pensionen und Appartements für jedermann, von billig bis etwas teurer.

Erst durch eine Verwechslung meinerseits landen wir im Hotel Sofia. Egal, denn wir werden freundlich empfangen und bekommen ein Appartement mit zwei Zimmern sowie Whirlpool im Bad. Obendrein ist es angenehm ruhig. Aber das witzigste ist das Frühstück am nächsten Morgen.

Die Köchin, eine alte Babuschka wie aus dem Bilderbuch, kommt und fragt uns, was wir denn frühstücken wollen? Und das alles auf Russisch. Ich muss lachen vor lauter »Gruschnigruschni«, und augenblicklich begreift sie, dass wir so gar nichts verstehen.

Doch sie weiß sich zu helfen, läuft geschwind in ihre Küche zurück und zeigt uns wenig später, was es zur Auswahl gibt. So bekommt Lars Frühstückseier und ich mit Sauerrahm gefüllte Blinis. Das Frühstück ist schlicht, aber sehr lecker.

Die Babuschka freut sich, dass es uns schmeckt und nimmt uns zum Abschied lachend in den Arm. Selten haben wir solch ein herzliches Küchenpersonal erlebt, wie es uns im Hotel Sofia in Tiraspol begegnet ist.

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