Auf der Pestere-Landzunge

eine besondere Perspektive der Höhlenkloster

Leider versäumen wir es auf dem Weg nach Pestere, nochmals drei Runden beim Wunschkreuz zu absolvieren. Möglicherweise hätte dann einer der Getränkeverkäufer seinen Stand bei der Touri-Info platziert. Blöderweise waren wir im guten Glauben, dort oder im angrenzenden Hotel Wasser kaufen zu können.

Schade eigentlich, dass der Infostand einzig für die Einnahme der Eintrittsgelder taugt und das Hotel geschlossen hat. Da helfen dann auch Lars Französischkenntnisse nicht weiter. Na ja, ein wenig Wasser haben wir ja noch und die Hitze hält sich heute in Grenzen.

Für unsere nächste Tour wollen wir die Pestere-Landzunge erkunden. Am schönsten ist das natürlich, wenn man die Autostraße verlässt. Gut 160 Meter nach der Einfahrt zur Touri-Info führt ein Feldweg hinab an die Raut.

Der Weg ist teilweise zugewachsen, sodass wir den Morgentau auf der Haut spüren. Doch es ist angenehm zu Laufen, während die Abbruchkante des Butuceni-Hügels immer näher an uns heranrückt.

Schließlich trennt uns nur noch die Raut von der Steilwand. Über uns sehen wir die Fenster und den Balkon des Höhlenklosters. Von hier aus gesehen wirkt es unwirklich, wie beides in den Fels gehauen ist. Zugleich ist es eine besondere Perspektive, die den meisten Touristen vorenthalten bleibt.

Denn wie wir von hier auch beobachten können, beschränken sich die Besuchergruppen, die beim Busbahnhof starten, mit dem Spaziergang direkt hoch zum Kloster. Für weitere Erkundungen fehlt beim einfachen Tagesausflug einfach die Zeit.

Die gute Sicht auf die Steilwände ist ja sicher toll. Doch außerdem würden wir ganz gerne die Einsiedlerhöhlen besichtigen. Leider trennt uns die Raut davon und gibt es keinerlei Fußgängerbrücken, die auf die andere Seite hinüberführen.

Und zum Durchwaten scheint der Fluss zu tief. Dafür entpuppt sich die Ebene entlang der Raut als ein beliebtes Picknickgebiet für die Moldauer. Hier trifft man sich zum gemeinsamen Grillen, führt seine Campingausrüstung vor, schwatzt und spielt miteinander.

Bad Feredeu, ein Badehaus aus der Tatarenzeit

Kurz vor Trebujeni treffen wir wieder auf eine Fahrstraße sowie zu einer Brücke über die Raut. Gleich neben der Straße befindet sich die auffälligste archäologische Stätte von Orheiul Vechi. Es ist das Bad Feredeu, ein Badehaus aus der Tatarenzeit.

In den 1230er Jahren dehnte sich die mongolische »Goldene Horde« bis nach Südosteuropa aus und kämpfte sich sogar bis zur Wiener Neustadt vor. Während dieser Zeit bildeten sie auch Siedlungen auf dem Gebiet Moldaus.

1330 wurde der Ort Orheiul Vechi von den Tataren auf dem Hügel der Landzunge Pestere gegründet. Der damalige Name war Schehr al-Jadid, was soviel wie Neue Stadt bedeutet. Laut den Ausgrabungen könnte sich hier das regionale Zentrum der Tataren befunden haben.

Doch der »Schwarze Tod«, die große Pestepidemie, setzte auch der »Goldene Horde« zu. So wurde sie 1380 vom Großreich des Kiewer Rus vernichtend geschlagen.

Der Archäologe Gheorghe Smirnov begann 1947 mit den Ausgrabungen des Badehauses. Das 40 auf 23 Meter große Gebäude ist in zwei Badesektionen aufgeteilt. Es besaß bereits Fußbodenheizung und Ruheräume. Neben den regionalen Baumaterialien wurde Marmor angeliefert und eingebaut.

Es gibt noch einige solche Grundmauern von Tartaren-Gebäuden auf Pestere, wie der Regentenpalast, eine Karawanserei oder eine Moschee. Doch das Bad Feredeu ist das eindrucksvollste und zu unserer Verwunderung äußerst leicht zugänglich.

Einsiedlerhöhlen im Steilhang des Butuceni-Hügels

Schon in der vorchristlichen Zeit nutzten die Menschen der Gegend Orheiul Vechis Kalksteinhöhlen für ihre Behausung. Ab dem 11. Jahrhundert sind Orthodoxe Einsiedeleien nachweisbar, die bis ins 14. Jahrhundert einen immer größeren Zulauf verzeichneten.

Höhlenöffnungen haben wir von der Pestere-Seite aus einige gesehen. Zum Teil ließen sich auch Zugänge ausmachen. 150 Meter nach der Raut-Brücke bei Trebujeni finden wir einen ersten Pfad, der hoch zu mehreren Höhlen führt.

Vorsicht, der Aufgang ist steil, seitlich abschüssig und durch den lockeren Sand immer wieder rutschig. Die Höhlen sind frei zugänglich, was sich offensichtlich auch Jugendgruppen für Partys zu Nutze machen. Die Wände sind allesamt beschmiert und mit Schriften zerkratzt. Zeichen, dass hier einst Mönche gehaust haben sollen, können wir hingegen keine erkennen.

Stattdessen eröffnet sich uns eine herrliche Sicht auf den Ort von Trebujeni. Möglicherweise könnte man dem Pfad noch ein Stück weiter entlang der Steilwand folgen. Wir jedoch nutzen abwärts denselben Pfad wie vorhin zum Aufstieg. Es scheint uns sicherer.

bei der mittelalterlichen Quelle des Dorfes Trebujeni

Gut 250 Meter weiter erreichen wir eine winzige Kapelle. Bis hierher kann man sogar mit dem Auto fahren. Bei genauerem Hinsehen stellt sie sich als gefasste Höhlenquelle heraus. Laut der Inschrift stehen wir hier bei der mittelalterlichen Quelle des Dorfes Trebujeni.

2015 wurde sie von den Beamten der Grenzpolizei renoviert. Ob die Quelle als heilig angesehen wird, wissen wir nicht. Wohl aber treffen wir einen Mann, der mehrere Kanister mit dem Wasser füllt und zu seinem Auto schleppt.

Ab der Höhlenquelle folgen wir einem schmalen Pfad zwischen dem Steilhang und der Raut. Immer wieder huschen Eidechsen davon. Wir befinden uns schon wieder nahe dem Kloster, als wir die nächsten zugänglichen Höhlen finden. In einer Kuhweide suchen wir einen günstigen Aufgang, denn hier geht es nun richtig steil nach oben.

Nach einer kurzen Kraxelei aber ist die Höhlenkirche des Sklaven Bosie erreicht. Laut der Inschrift hat er die Kirche zusammen mit seiner Frau und seinen Kindern im Jahr 1665 erbaut. Die Familie wollte so Gott ehren, damit dieser seine Sünden vergebe.

Diese Höhle ist frei von Schmierereien. Vielleicht blieben sie aus Ehrfurcht verschont. Vielleicht aber auch nur, weil es zu ungemütlich und beschwerlich ist, hierher zu kommen. Die einzelnen Höhlenkammern sind fast schon wohnlich ausgearbeitet

und bis dato hängen Heiligenbilder an den Wänden und Eingängen. Und eines muss man der Familie lassen: sie hat Sinn für Schönes. Denn der Ausblick von den Höhlen ist einfach traumhaft.

Auch hier setzt sich ein schwach ausgeprägter Trampelpfad nach oben fort. Doch auch hier nutzen wir lieber den bekannten Weg hinab zur Kuhweide, um uns einen besseren Aufstieg auf den Kamm zu suchen. Nachdem wir einen tatsächlich deutlich sichereren Weg gefunden haben, kommen wir oben bei der Weggabelung heraus, bei der wir bereits am Abend die Aussicht genossen hatten.

Diesmal allerdings sind wir schon einige Zeit mit zu wenig Wasser unterwegs. Es wird dringend Zeit einzukehren. Die Villa Etnica liegt am nächsten und kommt somit ganz gelegen. Es ist ein schöner Ort, um den ereignisreichen Nachmittag nachhallen zu lassen, eh wir den Tag bei der Resedinta Rotunda mit einem weiteren leckeren Abendessen und ein, zwei Gläsle Wein ausklingen lassen.

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