Die Kolonialstadt Villa de Leyva

Bei einem der größten Stadtplätze Südamerikas

Von Ráquira brauchen wir mit dem Bus gut 40 Minuten bis nach Villa de Leyva. Die Lichter der Kolonialstadt sind schon von Weitem zu sehen. Bei unserer Ankunft ist es bereits dunkel, doch wir haben heute ganz schön viel gesehen und erlebt. Und außerdem haben wir Hunger.

Cilfredo bietet sich als Restaurantguide an. Dieser Service unseres Reiseleiters ist ein fester Bestandteil der Rundreise. In Villa de Leyva jedoch ist es ein Leichtes, etwas zum Essen zu finden. Schon bei der Anfahrt zum Hotel haben wir mehrere einladend wirkende Restaurants gesehen.

Plaza Mayor, einer der größten Stadtplätze Südamerikas

Kurz nach dem Einchecken in der Hospederia La Roca brechen wir also schon wieder auf und stürzen uns ins abendliche Villa de Leyva. Die Hospederia befindet sich direkt an der Plaza Mayor. Bei einer so zentralen Lage können wir in jeder Richtung loslaufen und finden doch schon bei der nächsten Ecke eine Pizzeria. Mit dem Stativ unterm Arm spazieren wir jedoch zunächst über die Plaza Mayor, dem Hauptplatz, der mit einer Fläche von 120 mal 120 Metern zu den größten Stadtplätzen Südamerikas zählt.

Umgeben ist die Plaza von pittoresken kolonialen Häusern sowie einer Kirche, die seit 1954 unter Denkmalschutz stehen. Die Häuser sind schön beleuchtet, im Gegensatz zum Platz. Hier muss erst vor wenigen Stunden ein stärkerer Regen niedergegangen sein. Denn einige Male stapfen wir im Dunkeln in Pfützen, die sich in den Löchern des Kopfsteinpflasters bilden. Wie in der Kolonialstadt Trinidad auf Kuba sind hier hohe Absätze ein absolutes No-Go – was insbesondere die jungen Kolumbianerinnen allerdings nicht davon abhält, sie trotzdem zu tragen.

Bald schon steuern wir auf die Ecke Calle 12 - Carrera 10 zu, wo wir eine hübsche Pizzeria gesehen hatten. Bei einem Club Colombia negra und leckerer Pizza lassen wir den Abend in trauter Zweisamkeit ausklingen. Unterhalten werden wir dabei von mehreren Musikern. Mal trällert eine Querflöte, dann klimpert die Gitarre.

Wer als Musiker kein festes Engagement in Villa de Leyva hat, klappert einfach sämtliche Läden im Dorf ab. Nach zwei oder drei Stücken wandern die Musiker dann weiter. Für uns ist dies eine willkommene Gelegenheit, Münzgeld und kleinere Scheine, die sich langsam im Geldbeutel ansammeln, an dankbare Hände weiterzureichen.

Doch plötzlich wird es laut und setzt die Musik abrupt aus. Autos fahren hupend am Restaurant vorbei auf den Hauptplatz. Dazwischen fährt die Feuerwehr mit Blaulicht und Sirene. Selbst die Müllabfuhr beteiligt sich an dem Spektakel. Bringen sie hier zu so später Stunde ein Hochzeitspaar zur Kirche?

Nein, denn das hinterste Gefährt transportiert einen Sarg. Auf diese Art wird der Verstorbene von seinen Verwandten, Freunden und Kollegen ein letztes Mal durch seinen Heimatort geleitet, bevor er beerdigt wird. Das alte Sprichwort gilt also auch in Kolumbien: andere Länder, andere Sitten.

Koloniales Kleinod Villa de Leyva

Rundgang durch das koloniale Zentrum

Nach dem etwas langwierigen Frühstück startet unser Rundgang durch Villa de Leyva. Der Ort wirkt so dörflich, dass wir den Begriff »Stadtrundgang« lieber meiden, auch wenn in dieser Gemeinde Kolumbiens um die 17.000 Einwohner leben, wovon wiederum 10.000 im »städtischen« Teil wohnen.

Und wir sind mitten drin: Das Herzstück Villa de Leyvas befindet sich direkt vor unserem Hotel, die Plaza Mayor. Seine gewaltigen Ausmaße von 120 auf 120 m verdankt der Hauptplatz hauptsächlich den Soldaten, die hier zur Zeit der südamerikanischen Unabhängigkeitskriege aufmarschieren mussten.

Der Platz diente jedoch zivilen, nützlichen Zwecken. Da die Gegend rund um Villa de Leyva sehr fruchtbar ist, wurden und werden hier immer wieder größere Märkte gehalten. Etwas verloren wirkt jedoch der im Mudéjar-Stil erbaute Brunnen auf der riesigen Fläche. Fast 400 Jahre lang versorgte dieser die Dorfbewohner mit Wasser. Heute ist er nur noch ein im Verhältnis zur Fläche gesehen winziges Zierwerk auf der Mitte der Plaza Major.

Immer wieder läuten die Glocken der Kirche. Wenn wir einen Blick in die Iglesia de Nuestra Señora del Rosario werfen wollen, dann schnell. Denn heute ist Sonntag und die Menschen sammeln sich bereits auf den Bänken zum Gottesdienst. Der Altar ist natürlich mit reichlich Gold verziert. Die restliche Innenausstattung ist für katholische Kirchen jedoch untypisch schlicht gestaltet.

Angesichts des schönen Wetters halten wir uns nur kurz im Eingangsbereich der Kirche auf, schlendern dann aber lieber durch die Gassen der äußerst fotogenen Siedlung. 1954 wurde der gesamte Stadtkern unter Denkmalschutz gestellt, was dazu führte, dass er bis dato frei von Hochhäusern ist. Unser Spaziergang führt über wunderbares Kopfsteinpflaster zwischen einheitlich weiß verputzten Häusern hindurch. Die Gebäude haben höchstens zwei Stockwerke und sind mit niedlichen Balkonen verziert. Dazwischen ranken immer wieder bunte Bougainvilleen über die Mauern. Ihre Blütenpracht unterstreicht Villa de Leyva als koloniales Kleinod.

Die Flagge Kolumbiens

An einem der Restaurants hängt eine große kolumbianische Flagge. Für Cilfredo ist dies eine willkommene Gelegenheit, uns den Sinn der Farben zu erläutern. Der Patriot und Revolutionär Francisco de Miranda setzte sich seinerzeit für die Unabhängigkeit der spanischen Kolonien ein und träumte von einem einheitlichen lateinamerikanischen Staat mit dem Namen Kolumbien. Auch wenn seinen Bestrebungen der Erfolg verwehrt wurde, gilt er als Wegbereiter für Simón Bolívar, der die spanische Herrschaft in Südamerika beendete. Francisco de Miranda entwarf das Design der kolumbianischen Flagge, die gleichzeitig das Grunddesign für die Flaggen Venezuelas und Ecuador bildet.

Für die Bedeutung der Farben gibt es unterschiedliche Geschichten. Cilfredo favorisiert die romantische Version. So galt Francisco de Miranda in Europa als Casanova. Er verbrachte unter anderem eine lange Zeit am Hof von Katharina der Großen. Es blieb nicht aus, dass er sich noch in Europa in eine schöne blonde Frau verliebte, mit blauen Augen und einem roten Mund.

Voilà, schon sind alle drei Farben in der Flagge Kolumbiens vereint. Nach der weniger romantischen Version symbolisiert die gelbe Hälfte der Flagge das reiche Goldvorkommen Kolumbiens. Das Blau steht für das Meer und Rot stellt das Blut dar, das für die kolumbianische Unabhängigkeit vergossen wurde.

Genug allgemeine Geschichte von Kolumbien. Denn Villa de Leyva ist eher berühmt für seine Schätze an Fossilien. Während der Kreidezeit im Mesozoikum, der Erdmittelzeit, lag die Gegend nämlich noch unter Wasser. Wenn man bedenkt, dass wir uns heute auf 2200 Meter Höhe befinden, ist das unvorstellbar.

Aber Fossilien sind hier so zahlreich vorhanden, dass viele Häuslebauer diese für Zierwände oder auch für die Böden nutzten. Wer genau hinschaut, entdeckt immer wieder versteinerte Muscheln oder Schnecken an den Gebäuden. Und wer diese im Städtchen übersieht, der kann bei unserem nächsten Halt, beim Fossilien-Museum, einen Blick darauf werfen.

Hospederia La Roca in Villa de Leyva

Kolonialhotel direkt an der Plaza Mayor

Die Hospederia la Roca am Plaza Mayor von Villa de Leyva gehört zu den schönsten Unterkünften, die wir in Kolumbien besuchen. Das denkmalgeschützte Haus besitzt zwei Patios, die typisch sind für die koloniale spanische Architektur. Viele kolumbianische Häuser besitzen solche hübschen Innenhöfe. Im La Roca sind diese zudem reich mit Pflanzen bestückt. Damit fühlen sich allerdings auch Insekten sehr wohl.

Der heutige Regen hat einige davon unters schützende Dach gescheucht. Die Zimmer selbst verteilen sich um die Patios herum. Als logische Folge verstreichen nur wenige Minuten, bis aus unserem Nachbarzimmer aufgeregtes Gemecker ertönt. Ja, so manch Heuschrecken-Art ist in Südamerika halt etwas größer als in Europa. Allerdings sind die Viecher harmlos und haben mehr Angst vor uns als umgekehrt. Entsprechend schnell sind die Krabbeltiere wieder verschwunden.

Das Personal ist typisch kolumbianisch freundlich. Leider ist es außerdem etwas unkoordiniert. So zieht sich das Frühstück bei uns ganz schön in die Länge. Anstatt eines Büfetts werden die Wünsche à la carte aufgenommen. Weil sich eine zweite Gruppe zu uns gesellt, ist das Chaos bereits beim dritten Tisch perfekt. Unser Omelette wird längst von einem anderen verspeist, während wir uns in Geduld üben müssen. Ich hätte längst darauf verzichtet. Doch Cilfredo beschwichtigt bzw. beteuert, dass wir heute reichlich Zeit für das Programm haben.

Trotzdem ist die Hospederia la Roca eine gute Wahl. Zentraler kann man in Villa de Leyva kaum wohnen. Da die Zimmer zu den Innenhöfen ausgerichtet sind, ist es nachts dennoch angenehm ruhig, sodass wir gut schlafen können.

Freundlich ist auch, dass wir die Zimmer behalten können, bis wir von der morgendlichen Stadtbesichtigung zurück sind und weiter reisen. So verbringen wir einen doch schönen und bequemen Aufenthalt in Villa de Leyva.

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