Nach der zweiten ruhigen Nacht in Bogota gilt es für uns früh aufzustehen. Um sieben Uhr wird gefrühstückt und um acht Uhr sitzen wir auch schon alle im Bus und fahren los in Richtung Salzkathedrale Nemocón. Der Nachteil an der Candelaria ist, dass wir heute Richtung Norden fahren
und damit durch fast die gesamte Metropole fahren müssen. So stecken wir schon bald im ewiglichen Stau von Bogota fest, bevor wir endlich den Stadtrand von Bogota erreichen und es über Land an Zipaquirá vorbei nach Nemocón geht.
Nordöstlich von Bogota gibt es einige größere Salzvorkommen. Der Zipa-Hügel soll sogar das größte natürliche Salzdepot der Welt sein. So findet man in den dortigen Bergen einige Stellen, in denen Salzbergbau betrieben wird oder inzwischen eher wurde.
Die Arbeit in den Salzminen war immer lebensgefährlich. Damit kommt auch die Religion ins Spiel. Die Arbeiter bauten Altäre in die Minen und fühlten sich mit einem Platz zum Beten sicherer. Als Folge wandelten sich die Minen im Laufe der Zeit mehr und mehr zu Salzkathedralen.
Aus dieser Tradition heraus entwickelte sich später eine Touristenattraktion. Ungefähr 500 Meter südwestlich von Zipaquirá gab es zwei dieser »Salzkathedralen«. 1954 wurde eine davon für Besucher zugänglich gemacht.
Leider hatten die Arbeiter damals nicht bedacht, dass die Tunnel nach der Ausbeutung des Salzstocks eine neue Nutzung erfahren könnten. So musste die Salzkathedrale 1992 aus Sicherheitsgründen wieder geschlossen werden. Sie war einsturzgefährdet.
Um die Besucher bei Laune und die Einnahmequelle am Leben zu halten, musste dringend Ersatz geschaffen werden. Als Lösung wurden zwischen 1991 und 1995 um die 250.000 Tonnen Salzgestein aus der Erde geholt, einzig zu dem Zweck, ein neues Heiligtum zu erstellen. Angeblich strömen nun jährlich über 13 Millionen Besucher zur Salzkathedrale von Zipaquirá. Das zumindest ist vor Ort auf Deutsch zu lesen.
Ein Übersetzungsfehler, da die Besucherzahlen an Sonntagen mit bis zu 3000 angegeben wird. Doch auch diese Zahl bedeutet, dass die Attraktion von Touristen und Einheimischen schlichtweg überrannt wird. Und was Erfolg hat, findet Nachahmer. So dachte sich die 20 Kilometer entfernte Gemeinde Nemocón: »Lass uns doch eine ruhigere Alternative gründen und auch einen Teil vom Kuchen abhaben.«
So also besuchen wir die Salzmine von Nemocón. Am Ende des hübschen Kolonialdorfes erreichen wir das Eingangstor zur Mine. Wie es bei Bergwerken üblich ist, müssen zunächst gewisse Sicherheitsvorkehrungen beachtet werden. Jeder hat einen Helm zu tragen und die Höhlen werden nur in Gruppen besichtigt. So ist die letzten 673 Tage keinem Besucher mehr etwas passiert ist.
Damit sind die Maßnahmen natürlich zu begrüßen. Andererseits ist das mit der Gruppe eher blöd, wenn man in den Höhlen Bilder machen will. Aber kaum sind wir in das wunderbare 1600 Meter lange Tunnelsystem hinabgestiegen, da verteilt sich unsere Gruppe auch schon und haben wir freien Blick.
Nemocón besitzt das zweitgrößte Salzbergwerk Kolumbiens. Somit erhalten wir einen interessanten Einblick in eine der wichtigsten Minen des Landes. Und diese ist doch einiges authentischer als eine extra für Touristen erstellte Kathedrale. Denn hier wurden zwischen 1816 und 1968 etwa acht Millionen Tonnen Salz gewonnen.
Hin und wieder treffen wir auf unsere lokale Reiseführerin und erfahren, dass das Salz in Brunnen aus den Felsen gelöst wurde. Diese Brunnen haben bis heute Bestand und verblüffen die Besucher mit einem gigantischen Farbenspiel auf dem Sole-Spiegel.
In der Ferne leuchtet uns bald die Gottesmutter entgegen. Sie ist der Herz der Kathedrale. Doch auf dem Weg dorthin gibt es noch einige Abstecher, wie zum Aufenthalts- und Notfallraum der Arbeiter. Immer wieder kam und kommt es zu Grubenunglücken, bei denen die Arbeiter verschüttet oder eingeschlossen wurden. Im Falle eines Unglücks sollen derart gesicherte Räume als Rückzugsort dienen.
Hier konnten die Arbeiter einige Tage verweilen. Er diente aber auch für die Dreharbeiten des Katastrophenfilms »Los 33«, der bei uns als »69 Tage Hoffnung« herauskam. Er behandelt das Grubenunglück des chilenischen San José vom August 2010, bei dem 33 Bergleute nach einem Bergschlag plötzlich auf engstem Raum gefangen waren.
Einen Gang weiter befindet sich ein Salzfall. Kristallkugeln kullern hier über das Salzgebilde im Berg. Gleich daneben erreichen wir die eigentliche Salzkathedrale. Sonntags findet hier eine Messe statt, welche auch von Pilgern besucht wird. Auch ist es möglich, hier zu heiraten. Für das passende Foto steht einen Steinwurf entfernt ein aus Salz gebildetes Herz.
In den weiteren Gängen und Hallen drückt nach wie vor das Salz aus den Wänden und der Decke, sodass sich Stalaktiten und Stalagmiten bilden. Wer will, kann an den Wänden lecken und sich vom Salzgehalt überzeugen. Das zählt dann zu den Dingen, die wir gerne auch so glauben. Wir verzichten auf die Probe.
Kurz vor dem Rückweg kommen wir an mehreren kurzen Stollen vorbei, welche als Ausstellungsräume dienen. Im ersten hockt ein Indianer unter einem heiligen Baum. Als Nächstes treffen wir auf Alexander von Humboldt. Er kam nach Kolumbien, um für den spanischen Vizekönig Gutachten
über die Silbergruben und die kolumbianische Goldproduktion zu erstellen. Man merkt gar nicht, wie in der Höhle die Zeit vergeht. Doch nach anderthalb Stunden unter Tage geht es wieder ans Tageslicht. Denn bis zu unserem Tagesziel in Villa de Leyva haben wir noch ein gutes Stück zu fahren.