Eine Rundreise durch Sri Lanka ohne den Löwenfelsen Sigiriya ist keine Sri Lanka-Rundreise. Oder anders ausgedrückt: Der Sigiriya ist das absolute Muss einer jeden Tour durch das kulturelle Dreieck Sri Lankas und zählt, wie ich finde, zurecht zum Weltkulturerbe der UNESCO.
Vor rund 1500 Jahren ließ hier König Kassapas seinen Palast errichten, nachdem er seinen Vater ermordet und seinen Halbbruder, den rechtmäßigen Thronfolger, aus dem Königreich vertrieben hatte. Schon aus der Ferne hebt sich der 200 Meter hohe Monolith deutlich über den Dschungel und die Reisfelder ab. Bis hoch auf den Gipfel sind es stolze 1.860 Stufen, die einen in der Mittagshitze ganz schön schaffen können. So decken auch wir uns am Fuße des Berges mit zwei Flaschen Wasser ein. Zunächst aber kommen wir durch die früheren Wassergärten.
Abgesehen davon, dass sie einiges älter als die französischen Gärten sind, erinnern sie mit ihrer Achse und symmetrischen Form stark an die Gärten der Barockzeit. Mehrere der königlichen Springbrunnen funktionieren noch. Nachdem das Klima in den letzten Jahrhunderten aber einiges trockener als zu Zeiten Kassapas wurde, plätschern sie heute nur noch ein wenig vor sich hin.
Durch eine Engstelle kommen wir zu den ersten richtigen Treppen. Noch vor zwei Jahren hatten wir hier mehrere junge Männer gesehen, die sich vornehmlich den Touristinnen als Hilfe und Begleiter angeboten hatten.
Da zurzeit jedoch nur wenige Touristen zum Sigiriya kommen, lohnt das Warten nicht mehr. So treffen wir auf den ersten Metern lediglich ein paar Arbeiter, welche die Anlagen und Wege in Ordnung halten.
Über die rund 150 Meter lange Spiegelgalerie geht es zur Löwenterrasse. Früher muss der Gang zauberhaft gewesen sein. Denn etliche, auf dem Fels geschaffene Wolkenmädchen spiegelten sich in der aus Eiweiß und Honig geschaffenen Wand. Ein Effekt, der sich nur noch erahnen lässt. Denn zum einen fehlen die Kunstwerke auf der rechten Seite, zum anderen ist die Oberfläche der Spiegelwand zur Linken verblasst und zerkratzt. Aber so etwas (also das zweite) lässt sich leider selbst mit den angedrohten hohen Strafen kaum verhindern, solange es noch Leute gibt, die einen Heidenspaß haben, ihren Namen irgendwo hinein zu kritzeln.
Ein Blick nach oben zeigt, dass der Löwenfelsen nach 1500 Jahren eine gründliche Wandsanierung nötig hat. So entdecken wir drei Eisenleitern, die irgendwie schräg am Fels angebracht sind. Die Arbeiter haben zwar Haken und kurze Seile dabei. Mit denen sichern sie sich jedoch erst oben auf der gleichermaßen abschüssigen wie überhängenden Arbeitsplattform ab. Wenn ich denke, dass es mir bereits auf Gittertreppen mulmig wird ...
Nach der Spiegelwand führt eine weitere Treppe hinauf aufs mittlere Plateau, die Löwenterrasse. Die Getränkebuden und Souvenirstände sind verschwunden, es lohnt sich einfach nicht. Da nichts mehr abfällt, haben sich selbst die Hutaffen zurückgezogen. Dafür fällt uns diesmal ein Käfig auf, der für Menschen gedacht ist.
Denn am Felsen leben einige Bienenvölker, die zuweilen recht wild werden können, wenn man sie zu arg stört. Ein Ereignis, dass es im Sommer 2004 Jahren sogar schon mal in die internationalen Nachrichten geschafft hat. Ein wenig Gerümpel im Innern des engmaschigen Schutzkäfigs verrät jedoch, dass es auch um die Bienen ruhiger geworden ist.
Eigentlich wollte Hans-Werner wegen seiner Hüfte nur bis zur Löwenterrasse mitkommen. Da die Treppe auf das obere Plateau jedoch nicht so schlimm aussieht, kommt er doch mit nach oben. Was er erst später sieht: nach zwei Biegungen wird die Treppe immer schmaler am Abgrund entlang geführt.
Apropos: irgendwie hat es die Treppe in sich. Nachdem mir beim ersten Mal der Deckel meiner Kamera in die Tiefe gestürzt war, hau ich mir diesmal meine Sonnenbrille vom Kopf. Mit etwas Mühe hätte ich sie zwar greifen können, zuvor aber ist ein Singhalese zur Stelle, der sich ein kleines Trinkgeld verdient und danach gerne weiter zur Stelle wäre.
Oben herrscht geschäftiges Treiben, Ziegel werden von einem Arbeiter zum jeweils nächsthöheren geworfen. Die alten Mauern sollen ausgebessert werden. Weiter oben sieben ein Steine aus dem Sand.
Warum sie erst alles in Säcke nach oben schleppen, anstatt den unnötigen Ballast schon am Fuße des Berges auszusortieren, bleibt ihr Geheimnis. So aber können sie zumindest in geselliger Runde arbeiten.
Uns selbst bietet sich eine herrliche Aussicht über die umliegenden Wälder und Teiche. Mit ein paar Handbewegungen wird uns vom lokalen Reiseleiter erklärt, in welcher Richtung sich Anuradhapura, Polonnaruwa, Kandy und Dambulla befinden. Zu unseren Füßen blicken wir auf einen kleinen Lotusteich. Während Kassapa herrschte, war dies seine königliche Badewanne. Passender sieht da schon der Thron aus, über welchem einst ein Holzdach den König vor der Sonne schützte.
Kurz darauf geht es aber auch schon wieder denselben Weg hinunter. Während sich eine Horde Urlauber die schmalen Stufen an der Bergseite nach oben quält, führt der Rückweg außen, also direkt am Abgrund hinab. Zum Glück kann man sich überall festhalten. Und der Rost des Eisengeländers lässt sich mit feuchten Tuch auch ganz einfach abwischen.
Wer sich über die teils schmale, teils steile Treppe beklagt, sollte sich zwei Reihen Kerben am Löwenfelsen Sigiriya genauer ansehen. Das nämlich sind zwei der früheren Aufgänge auf das Plateau. Dort ganz ohne Hilfsmittel hinauf zu kraxeln, sicherlich auch für geübte Kletterer eine schöne Herausforderung.
Etwas unterhalb der Spiegelwand kommen wir zu einem der früheren Vorposten der Trutzburg. Hier fällt besonders ein Felsblock auf, welcher schräg gestützt wird. Im Verteidigungsfall sollten diese Stützen weggeschlagen werden, sodass der mächtige Felsbrocken in die Tiefe stürzt, wobei er möglichst viele Angreifer mit sich reißen sollte.
Eingesetzt wurde er nie. Stattdessen stellte sich Kassapa nach 18 Jahren Herrschaft seinem aus Indien wiederkehrenden Halbbruder in der Ebene in den Weg. Zu Kassapas Pech aber scheute sein Elefant, sodass die Soldaten dachten, er würde fliehen. Seine Regentschaft war damit beendet.
In der Nähe des Kobrafelsens mit einer weiteren kleinen Deckenmalerei treffen wir auf einen Schlangenbeschwörer. Diesem aber sollte man gar nichts geben und am besten nicht einmal beachten, weil die Kobras halb tot gequält werden, bevor sie im Korb ein elendes Dasein fristen.
Helfen kann diesen Tieren nur der Misserfolg ihrer Halter. Gleiches gilt übrigens für irgendwelche Leute, die einen gekleideten Affen mit sich führen. Denn nicht selten wird den armen Tieren eine Kette am Penis befestigt, um sie gefügig zu machen.
Durch eine waldreiche Ebene führt uns der Weg zum Sigiriya-Felsen. Auf der verschlängelten Straße kommen wir nur langsam voran. Ab und zu stoppt der Busfahrer, um uns auf ein paar Languren-Affen oder Riesenhörnchen aufmerksam zu machen. Schließlich legen wir ein paar Kilometer vor dem Felsen einen Zwischenstopp ein. Hatten wir den Löwenfelsen schon zuvor durch die wenigen Lücken des dichten Blätterdachs erblickt, ragt der Monolith nunmehr deutlich vor uns in die Höhe. «Gibt’s denn da kein Lift?« graut es einem Mann neben uns, als er zum Sigiriya-Felsen hinaufblickt. Immerhin erfolgt der Aufstieg zur obersten Terrasse über 1.860 Stufen.
Noch im Bus, sorgt Sunil für etwas Verwirrung. Anscheinend sei der Dollar in den letzten Tagen gestiegen und damit habe sich der Eintritt verteuert. Schon freuen wir uns, von der Tui ein paar Euros zurück verlangen zu können, war der Dollarkurs bei unserer Buchung doch einiges besser dotiert als während unserer Reise, als Sunil dann doch mit den Eintrittskarten zurückkommt.
Endlich geht es los. Nach ein paar Metern erreichen wir die königlichen Lustgärten mit ihren ovalen und achteckigen Teichen. Früher habe es sehr viel mehr Regen im Inland von Sri Lanka gegeben, erklärt uns Sunil. Mangels Wasser sei nun aber ein großer Teil der ehemaligen Wasserflächen trocken gefallen. Die Springbrunnen links und rechts des Hauptweges funktionieren heute nur noch bei anhaltendem Starkregen.
Einen besonders schönen Ausblick auf die insgesamt vierzig Hektar große Anlage hat man vom 200 Meter hohen Gipfel des Felsens. Von oben lässt sich auch die Symmetrie der Wege und Gärten sehr gut erkennen.
Erstmal aber müssen die vielen Stufen bewältigt werden. Und weil mittlerweile in vielen Berichten darauf hingewiesen wird, wie mühsam der Aufstieg ist, bieten sich am Fuße des Felsens tüchtige Männer an, den Touristen über die vielen Stufen nach oben zu begleiten. Tatsächlich kommt uns nach wenigen Stufen eine Engländerin entgegen, die sich auf der bequem begehbaren Treppe die Hand von einem jungen Singhalesen halten lässt...
Erbaut wurde die Felsenfestung bereits im 5. Jh. nach Christus durch den Sohn einer Konkubine und späteren König Kassapa. Zuvor aber musste Kassapa seinen Vater sowie seinen Halbbruder Moggallana aus dem Weg räumen. Zweimal ließ Kassapa seinen Vater ins Verließ werfen, damit dieser ihm die Krone und das Königreich überlässt.
Im Jahre 473 aber bat der alte König seinen Sohn, ihn zu einem der antiken Stauseen zu begleiten. Dort angekommen, übergibt er seinem Sohn den großen See als sein persönliches Königreich, über welches er herrschen darf. In entbrannter Wut lässt Kassapa seinen Vater am Ufer des Sees lebendig einmauern und ohne Wasser und Brot elendig zugrunde gehen.
Währenddessen floh sein Halbbruder nach Indien, und so lebte Kassapa in ständiger Angst vor der Rückkehr des rechtmäßigen Thronerben.
Einzig der hoch aufragende Felsen schien ihm sicher genug vor der erwarteten Rache zu sein. Somit ließ Kassapa den Felsen sowohl zur Festung als auch zu seinem Schloss ausbauen, und zeigte sich als großer Förderer der Kunst und des buddhistischen Glaubens.
Achtzehn Jahre lang herrschte Kassapa über die Singhalesen, dann aber kehrte Moggallana mit einem großen Heer aus Indien zurück. Als Kassapa sein eigenes Heer in die Schlacht führen will, ereilt ihn das gerechte Unglück: ausgerechnet sein Elefant scheut vor einer kleinen Wasserfläche und wendet sich nach hinten. Als Kassapas Soldaten dies sehen, deuten sie die Umkehr des Königs als Niederlage und lassen die Waffen fallen. Derart in die Enge getrieben, setzt sich Kassapa letztendlich selbst das Messer an die Kehle, um seiner gerechten Bestrafung zu entgehen.
Wenige Meter nach der Spiegelwand erreichen wir die erste Plattform des Felsens. Mittlerweile brennt die Sonne vom Himmel und so finden die hier angebotenen Erfrischungen reißenden Absatz. Im Schatten der Bäume treffen wir ein weiteres Mal auf kleine Affen, die sich hier vom Menschen völlig unbedroht fühlen dürfen. Wir aber wollen zur Spitze der ehemaligen Trutzburg und nehmen den steilen Weg zwischen zwei steinernen Löwenpranken in Angriff. Nach ein paar Steinstufen müssen wir über eine etwas steilere Eisentreppe hinaufsteigen. Vor uns zieht bereits eine gewaltige Menge Menschen auf das obere Plateau, hinter uns drängen schon die nächsten nach. Alles ist sehr eng und der Gegenverkehr kommt oft nur mit Hilfe der Arme an den Aufsteigenden vorbei.
Auch hier bieten junge Männer ihre Dienste an. Als sich der Objektivdeckel von unserer Kamera löst und in die Tiefe fällt, ist sofort einer zur Stelle. Noch bevor wir etwas sagen können, hastet er dem Deckel hinterher, ihn uns wenig später zurück zu bringen. Ein Trinkgeld will er dafür nicht haben. Erst als wir ihm klar machen, dass wir keinen Führer über die Anlage möchten, nimmt er die paar Rupies dankbar an. Nach der Treppe wird der Weg flacher. Bei einer engen Kehrtwende werden die Besucherströme durch ein Geländer voneinander getrennt.
Weil das nicht jeder versteht, kommt es hin und wieder zu Stau, sobald sich welche zurück auf »ihre Seite« drängeln müssen. Die Stufen im oberen Bereich sind kaum noch als solche zu erkennen. Oft sind nur ein bis zwei Zentimeter Höhenunterschied zur nachfolgenden Stufe zu bewältigen. Obwohl der Weg für die meisten Besucher unbeschwerlich ist und die Gitter direkt auf dem Felsen aufliegen, beobachten wir eine Chinesin, die sich langsam nach oben zittert. Endlich erreichen wir die obere Plattform.
Von der kurzen Königsherrschaft ist nicht viel übrig geblieben: ein Wasserbecken, ein aus dem Granit geschlagener Felsenthron und einige Mauerreste sind alles, was an die alte Pracht erinnern.
Statt dessen eröffnet sich uns ein eindrucksvoller Rundblick über die umliegenden Wälder. Von dem südlichen Teil des Felsens haben wir außerdem eine gute Sicht auf einen der großen Seerosenteiche.
Auf dem Rückweg bittet uns Sunil, den Tierkünstlern kein Geld zu geben: »Das hier, was Sie sehen, ist Tierquälerei. Die Schlangen in den Körben sind halbtot und die Affen werden geschlagen und bekommen von ihren Haltern zu wenig Futter.« Wenig später versucht tatsächlich ein Singhalese, uns mit seiner Kobra ein paar Rupies zu entlocken. Rasch zieht er das arme Tier aus seinem dunklen Verließ, erreicht aber nicht mehr, als dass ein paar Frauen erschrecken und beiseite springen.
Zuletzt kommen wir an den Souvenirständen vorbei. Vor allem aus Holz und Kokosnüssen geschnitzte Elefanten, Masken und Fischer sollen an den Touristen gebracht werden. Unter anderem haben wir »die Maske« gefunden, welche sich Annette so gerne in die Wohnung gehängt hätte.
Vielleicht war es ein Fehler, den Kauf auf später zu verschieben, heimgekommen sind wir trotz Besuch in einem Maskenmuseum jedenfalls ohne einer der berühmten singhalesischen Masken.