Das Hotel Mount Lavinia ist eines der Luxushotels bei Colombo. Als Sir Thomas Maitland den Gouverneursposten von Ceylon übernahm, interessierte sich der Engländer weniger für die Kolonialgeschäfte als für eine Tanzgruppe, die auf einem Hügel südlich des damaligen Festung von Colombo auftrat. Insbesondere die Tänzerin Lavinia hatte es dem britischen Junggesellen so angetan, dass er sich ein Haus, abgelegen vom Regierungsgeschäft, errichten ließ und sich dorthin die meiste Zeit über zurückzog.
Dem nicht genug, ließ Thomas Maitland einen Tunnel anlegen, welcher es der begehrten Tänzerin ermöglichte, ungesehen von ihrem zu seinem Haus zu gelangen. Wie oft sie diese Option genutzt hat, steht freilich auf einem anderen Blatt. Wohl aber existiert der Tunnel heute noch. Der Ort und das heutige Hotel sind sogar nach der Tänzerin Lavinia benannt. Einzig der auf zu großem Fuß lebende Gouverneur musste schon bald die Segel streichen und nach England zurückkehren.
Heute begrüßt das Mount Lavinia Hotel seine Gäste mit einer eindrucksvollen Auffahrt, Wasserspielen sowie einer prächtigen Fassade, die am Abend von zahlreichen Scheinwerfern ausgeleuchtet wird. Wer sich eine der antiquitär möblierten Suiten gönnt, bekommt morgens den »early-morning-tea« vom Butler ans Bett gebracht.
Die Küche im orientalischen Restaurant des Hotels gilt als eine der besten des Landes, der Little Hut Nachtclub wird an den Wochenenden gerne von den Yuppies Colombos besucht und eine große Terrasse mit Pool bietet vor allem in der Abenddämmerung einen atemberaubenden Blick auf den indischen Ozean.
Für eine Nacht dürfen auch wir uns das bis heute erhaltene koloniale Flair gönnen. Als Sunil in der Empfangshalle die Schlüssel verteilt, wird uns außerdem ein Hotelpage zur Seite gestellt. Unser Zimmer befindet sich in einem anderen Trakt des Gebäudes, den wir ohne Hilfe anscheinend nicht finden würden. Richtiger müsste es allerdings heißen, »wo wir nicht gedacht hätten, dass dort unser Zimmer sein sollte«.
Wir werden in den Geschäftsteil mit den Suiten des Hotels geführt. Unser Zimmer befindet sich in der dritten Etage, auf den beiden Etagen, die sich darunter befinden, wird gebaut. Überall liegt Staub und Dreck herum, verschwitzte Bauarbeiter schleppen Schutt heraus.
Die Suite, in welche uns der Page führt, macht dafür einen sehr schönen Eindruck. Fenster nach zwei Seiten, gediegene, koloniale Möbel und etwa ein Dutzend Halogenstrahler sorgen für Behaglichkeit. Das sehr große Bad ist weitgehend mit Marmor verkleidet, die Armaturen glänzen golden... aber warum steht dieser Page noch immer so aufdringlich im Zimmer??? Erst, als wir ihm ein kleines Trinkgeld in die arrogante Hand legen, gibt er uns den Schlüssel und verlässt die Suite, wie wir jetzt merken. Wenig später kommen unsere Koffer, natürlich werden sie nicht einem, sondern von zwei Kofferträgern gebracht, diese aber sehen schon sehr viel freundlicher aus.
Der Strand direkt vorm Hotel ist sauber und frei von Händlern. An dem Standpunkt, an welchem ein paar singhalesischen Frauen Seidentücher zu verkaufen versuchen, erkennen wir deutlich die Grenze zum Allgemeinstrand. Aber auch ohne die Händler hätten wir sofort erkannt, wo die eigentlich unsichtbare Grenze verläuft. Treibgut, achtlos weggeworfener Müll, reichlich Plastik und vereinzelte schwarze Stellen zeigen sehr deutlich, wie wenig sich die Singhalesen bei Colombo um die Natur kümmern. Wir kommen an einer Siedlung vorbei, die ausschließlich aus zusammengewürfelten Hütten besteht. Auch hier sammelt sich an allen Ecken Plastikmüll an. Man kann nur schätzen, wie viel davon später im Meer landet.
Durch ein paar Baulücken erkennen wir die Bahnlinie, die sich auf ihrem Weg von Colombo in den Süden direkt durch das Hüttenband hindurchzwängt. In einer Senke steht dunkles Wasser, auf dem Benzin schwimmt und wir bedauern einen Eisvogel, der sich dieses dreckige Loch zum Fischen ausgesucht hat. Einen weitaus schöneren Anblick geben die vielen kleinen Krabben am unteren Teil des Strands, die kurz vor unseren Füßen davonhuschen, um sich in die Sicherheit ihrer Sandhöhlen zu retten. Weiter hinten sehen wir ein paar Fischer, die ihre Boote für den nächsten Fang klar machen, mittlerweile brennt die Sonne jedoch so heiß vom Firmament, dass wir uns zur Umkehr entschließen.
Als wir zu unserer Suite zurückkommen, hinterlassen wir deutliche Spuren auf dem staubigen Parkett. Auch im Zimmer glänzt nicht mehr alles so schön wie noch bei unserer Ankunft. Schon denke ich mir, nun gut, so schlimm wird es schon nicht sein. Als ich unser Zimmer allerdings »eine Perle mitten in einer Baustelle« nenne, bricht Annette in Tränen aus...
Eine halbe Stunde später, Annette saß derweil in der Nähe des Pools und erklärte einem besorgten Angestellten, dass sie auf ihrer Hochzeitsreise in einem kaputten Hotel untergebracht wurde, bekomme ich vom Hotelmanager ein anderes Zimmer gezeigt. Dieses befindet sich in der Nähe der Lobby, ist keine Suite, aber dafür sauber und fern jedes Baulärms.
Als wir das zweite Mal aufbrechen, finden wir auch endlich einen Platz am Pool. Die Liegen werden hier, auch ohne Trinkgeld zu geben, vom Personal zurechtgerückt und mit Handtüchern belegt. Etwas zu Trinken zu bestellen, ist auch kein Problem, weil alles einfach aufs Zimmer geschrieben wird.
Der Pool selbst befindet sich zwischen Terrasse und dem größten der Restaurants, das Wasser ist angenehm kühl und erfrischend. Nachdem wir den Frust der Suite abgespült haben, gilt es auch schon, das Abendessen zu planen. Das Hotel bietet zwar mit mehreren Bars, einem Strandhotel und dem großen Speisesaal reichlich Möglichkeiten. Wir aber wollen lieber ein wenig authentischer Essen gehen als die Preise eines Luxushotels zu bezahlen. Damit entschließen wir uns dazu, außerhalb des Hotels nach einem Restaurant zu suchen.
Beim Aufbruch ist es uns kaum möglich, an ein Tuc Tuc zu kommen. Zu aufdringlich sind die paar Geschäftsinhaber in der Nähe des Mount Lavinia, und auch die Taxifahrer bieten uns einer nach dem anderen ihre Dienste an. Nach fünfzig Meter sind wir bei den Geschäften und Taxis vorbei und geben unsere Ausrede, nur Spazieren gehen zu wollen, auf, um uns von dem nächsten Threewheeler zu einem Restaurant in der Nähe des Hotels, aber mit günstiger und möglichst singhalesischer Küche bringen zu lassen.
Tatsächlich bringt uns der junge Singhalese zu einem Strandrestaurant, welches wir auch schon von der Hotelterrasse aus sehen konnten. Die Preise sind zwar ohne Bedienungspauschale und Steuern ausgezeichnet, aber dennoch so günstig, dass wir uns neben einem reichhaltigen Fischmenü auch noch eine Kalorienbombe als Nachtisch leisten. Ganz nebenbei können wir außerdem den Blick auf den indischen Ozean genießen, in welchem rotgold die Sonne im Meer versinkt...
Am nächsten Morgen werden wir Zeuge einer singhalesischen Hochzeit. Die Braut grinst ein wenig gequält, ihre Braujungfern wirken genervt. Aber wer will es ihnen verdenken? Im Mount Lavinia zu heiraten gilt zwar als schick, auf unserem Rundgang durch das Hotel haben wir mehrere große Säle entdeckt, die wie der Saal im Film »Titanic« wirken. Aber während der Hochzeitsaufnahmen muss sich die Braut mehrmals umziehen, da die Bilder einmal in weiß, einmal in beige, einmal in Gold... aufgenommen werden. Auch wir werden gefragt, ob wir mal heiraten wollen, aber das Kapitel hatten wir ja schon vor unserer Hochzeitsreise.