Am Abend vor der Abreise erfahren wir, dass wir am nächsten Morgen schon um 6 Uhr aufstehen sollen, um möglichst früh durch die Edelsteingegend Ratnapura in Richtung Küste aufbrechen zu können. Immerhin steht uns eine längere Fahrt bevor und hat sich Sunil offenkundig in den Kopf gesetzt, uns schon am frühen Nachmittag beim abschließenden Hotel Mount Lavinia abzusetzen.
In aller Herrgottsfrühe stehen wir also nach einer kuschligen Nacht im Hochbett auf, machen uns geschwind frisch, verstauen flugs die letzten Klamotten im Koffer und stellen dann in der Lobby fest, dass wir eine halbe Stunde zu früh sind, um uns an den gedeckten Frühstückstisch setzen zu können.
Als allmählich auch die anderen Teilnehmer unserer Gruppe eintreffen, bricht ein allgemeines Rätselraten aus, was Sunil mit dieser Aktion wieder bezwecken wollte? Immerhin, das Küchenpersonal brüht schnell ein paar Kannen Tee und Kaffee auf, so dass wir eine Viertelstunde später als Sunils Zeitplan zu unserem verdienten Frühstück kommen. Keine Frage, dass wir uns natürlich nicht von der geplanten Abfahrtszeit hetzen lassen, schließlich sind wir im Urlaub und nicht auf der Flucht.
Mit etwas Verspätung »meine Herren, meine Damen, wo bleiben Sie denn?« brechen wir schließlich auf, den kleinen Ort Bandarawela wieder zu verlassen. Dunst hängt in der noch kühlen Luft und kleine Nebelschwaden ziehen über ein paar »Midland-Teebüsche« hinweg.
Außerhalb der Siedlung fällt uns die Bahnlinie ins Auge, die sich ähnlich einem kleinen Fluss durch die Landschaft schlängelt. Bis in die 1920er Jahre noch war in Bandarawela die Endstation der Züge, heute reicht die Strecke bis zur Bergbahn-Endstation in Badulla.
In der Gegend von Bandarawela spielt der Teeanbau bereits eine untergeordnete Rolle. Vielmehr wechseln sich hier Obstplantagen und Reisterrassen ab. Und sahen wir bei Nuwara Eliya noch Felder, die gerade erst bewässert wurden, kommen wir zunehmend an reifen Feldern vorbei. Immer wieder erblicken wir Bauern, die den Reis in gebückter Haltung büschelweise abschneiden und zur Straße vortragen.
Über der A16, einer für singhalesische Verhältnisse recht guten Straße, bzw. dem Haputale-Pass gelangen wir zur A4, einer bedeutenden Verbindungsstraße, die von Colombo an der Westküste über Ratnapura im Inland zunächst bis in den kleinen Ort Pottuvil an der Ostküste und von da entlang der Küste nach Norden bis Batticaloa führt.
Immer wieder kommen wir an tiefen Schluchten vorbei, die links der Straße teilweise mehrere hundert Meter fast senkrecht in die Tiefe führen. Bald schon befinden wir uns am Rand des zentralen Berglandes und haben es nur der diesigen Luft zu verdanken, dass wir den Indischen Ozean doch nicht erblicken können.
Nach einer kurzen Rast am Fluss Kalu Ganga sowie mehreren Dutzend weiteren halsbrecherischen Wegbiegungen kommen wir allmählich in die Edelsteingegend um Ratnapura. In kleinen Gruben versuchen hier die Männer, in dem Schwemmland der Gebirgsflüsse Rubine, Saphire und Korunde zu entdecken. Eine Knochenarbeit. Gegen die sengende Mittagssonne sowie den heftigen Regengüssen in der Monsunzeit schützt lediglich ein kleines Dach aus Palmblättern. Unermüdlich lösen die Männer mit Hilfe von viel Wasser und kleinen Körben das Erdreich am Grund der oft nur wenige Quadratmeter großen Gruben.
Der Boden dieser Gegend verspricht den Menschen einen hohen Verdienst, hält sich aber nur selten an dieses Versprechen. Tatsächlich verdienen die Arbeiter in den Gruben zumeist nur einen Hungerlohn und viele der Gruben müssen nach monatelanger Plackerei erfolglos wieder aufgegeben werden. Sunil mag diese Leute nicht, wäre am liebsten weitergefahren. So wundert es auch keinen, dass er im Bus zurückbleibt, als wir bei einer dieser Gruben halten.
Bald hat uns einer der Arbeiter entdeckt und winkt uns rasch herbei. Zunächst zögern wir noch, aber einfach von der Ferne ein paar Fotos machen und dann wieder verschwinden? Nee, das ist nun doch nicht mein Ding. Das Feld mit der Grube liegt etwas unterhalb der Straße, außerdem ist es ein wenig versumpft. Lange Bohlen sowie ein paar dirigierende Anweisungen eines alten Mannes bringen mich aber doch trockenen Fußes zu der Grube.
Im schnellen Wechsel werden gefüllte Körbe nach oben gereicht und ihr Inhalt auf einen allmählich wachsenden Hügel gehäuft, während die bereits wieder geleerten Körbe zu den Arbeitern am Boden der Grube zurückgeworfen werden. Um der Grube herum stapeln sich einige Hölzer, die für weitere Befestigung der Grubenwände dienen sollen.
Leider können die Arbeiter kein Englisch, von Deutsch gar nicht erst zu reden, so dass eine Verständigung kaum möglich ist. Kugelschreiber, Kaugummis und ein kleines Trinkgeld werden aber gerne angenommen. Auch andere Singhalesen werden auf uns aufmerksam und kommen zu der Grube. Nach ein paar Anweisungen sprintet ein junger Bursche los, einen sehr viel größeren Korb herbeizubringen. Als er wieder kommt, schöpfen eifrige Hände ein paar Brocken von dem gelösten Grubenmaterial in den Korb. Eine große Pfütze neben dem Abraum dient als Waschstation.
Alle blicken gespannt auf den geringer werdenden Inhalt des Korbes, hoffen insgeheim, den einen oder anderen Rubin oder Saphir zu entdecken. Vergebens, wie so oft bleibt auch dieses mal alle Mühe umsonst. Dafür aber zaubert einer der Männer ein paar bunte Steine aus seiner Tasche hervor und bietet sie uns zum Kauf feil. Aber Sunil ist nun doch aus dem Bus gestiegen, und versucht schon seit Minuten, uns zurückzurufen. Nun gut, Bilder haben wir genug, die Arbeiter werden es uns nach den kleinen Geschenken nicht verübeln, dass wir keine Steine gekauft haben, und so können wir uns getrost das letzte Teilstück nach Colombo kutschieren lassen.
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