Für den Ausflug nach Sossusvlei heißt es, früh aufzustehen, um beim Eingang nicht allzu lange anstehen zu müssen. »Es gibt Leute, die schon um vier Uhr hinfahren«, berichtet Sydney, »aber das Tor wird erst geöffnet, wenn die Sonne aufgegangen ist.«
Allzu weit hinten mag aber auch unser Reiseleiter nicht mit uns anstehen. Deswegen fällt das Frühstück aus und bekommen wir stattdessen Lunchpakete. Um Punkt 5 Uhr starten wir bei der Hammerstein Lodge nahe Maltahöhe in Richtung Sesriem.
Dort befindet sich der einzige öffentliche Eingang in den auch für Namibia entlegenen Park. Die ersten Kilometer verschlafen wir. Als sich der Sonnenaufgang über dem Zarisberg ankündigt, sind wir jedoch hellwach. Gespannt verfolgen alle das Schauspiel am Himmel, der sich glutrot verfärbt. Eine Menge Fotos werden während der Fahrt geknipst. Ob sie bei schwierigem Licht gelingen ist ungewiss. Jeden Moment haben wir das Gefühl, dass die ersten Sonnenstrahlen gleich ins Tal fallen müssten. Und doch dauert es nach unserer Ankunft beim Eingang des Nationalpark Sossusvlei noch mehrere Minuten, bis sich die Sonne zeigt.
Wir haben Glück. Denn vor uns stehen erst wenige Fahrzeuge an. Als es dann soweit ist, kann dies aber nicht verhindern, dass sich zwei kleinere Wagen an unserem Bus vorbei drängeln. Eine Aktion, die ihnen einen Vorteil von vielleicht zehn Sekunden bringt. Als Jayjay, unser Fahrer, nach dem Tor allerdings zuerst einen Parkplatz ansteuert, schwant uns Böses: Toilettenpause. »Damit wären wir wohl ganz hinten«, denke ich, bevor ich sehe, dass auch die meisten anderen Fahrer den Parkplatz ansteuern. Erst später stellt sich heraus, dass alles halb so wild ist. Denn die Dünen von Sossusvlei ziehen sich derart in die Länge, dass sich schon bald nach der Einfahrt alles verläuft.
Die Fahrt vom Eingang entlang der Dünen ist atemberaubend. Bis zu 300 Meter reichen sie in die Höhe und erstrahlen in der aufgehenden Sonne im leuchtenden Rot. Allein die Schattenspiele sind faszinierend und bieten uns unendlich viele Motive. Als es schließlich unruhig im Bus wird, lässt Sydney den Bus anhalten. Fotostopp!
Augenblicklich sind alle mit ihren Kameras draußen und lassen sich vor der nächsten Düne und riesigen Gräsern fotografieren. Annette und ich sind die letzten. Zum Glück. Denn kaum stehen wir ganz alleine am Rand der Düne, hüpft uns ein heller Webervogel direkt vor die Füße. Süß.
Schritt für Schritt kämpfen wir uns die Düne hinauf. Was unten noch einigermaßen leicht aussah, hat sich längst zur qualvollen Tortur entpuppt. Der Wind pfeift uns um die Ohren. Bis auf Kniehöhe peitscht er den losen Sand gegen die Beine.
Annette hat ihre Strickjacke ganz zugezogen. Es hilft nichts. Ihr Kopf beginnt zu schmerzen und am liebsten würde sie umkehren. Ich selbst fühle mich kaum besser. Und doch haben wir erst ein Drittel des Aufstiegs geschafft.
Wie uns geht es wohl den meisten Besuchern in Sossusvlei, die den Anstieg zur Düne 45 wagen. Dass auf Sand zu laufen anstrengend ist, kennen wir ja vom Strandspaziergang. Das gemeine an der Düne Nr. 45 jedoch ist die teils enorme Steigung, durch die wir bei jedem Schritt wieder etwas nach unten abrutschen. Erst als wir merken, dass die Spuren der Leute vor uns den Sand für eine Weile etwas festigen, kommen wir besser voran.
Während die meisten bei dem ersten flacheren Teilstück der Düne ihre Tour abbrechen, gelingt es uns, den etwa 170 Meter hohen Gipfel zu erklimmen. Ein Aufstieg, für den wir tatsächlich rund 40 Minuten gebraucht haben. Platz in den Schuhen gibt es oben übrigens keinen mehr. Dafür aber einen wirklich gewaltigen Ausblick auf die Dünenlandschaft von Sossusvlei. Hier oben können wir auch endlich den Anblick der Sandfahnen, die über den Dünengrad hinwegfegen, genießen.
Dann müssen wir aber schon wieder umkehren, um nicht zu spät zum Bus zurück zu kommen. Zum Glück ist der Abstieg einiges leichter. Was heißt leichter? Wer will, schafft es in nur wenigen Minuten von ganz oben bis zum Fuß der Düne. Tatsächlich rennen wir die letzten Meter und fühlt sich selbst Annette auf einmal ganz leicht, »als wenn man fliegt«. Der Wind kann uns nichts mehr anhaben. Einzig der viele Sand drückt in den Schuhen etwas unangenehm. Schließlich aber haben wir es geschafft und schütten wenige Meter weiter unsere Schuhe gründlich aus.
Windiger Aufstieg auf die Düne 45 von Sossusvlei in Namibia.
Zurück im Bus, machen wir uns über unsere Lunchpakete her. Und, oh Wunder, es ist tatsächlich ein Lunchpaket, welches wirklich brauchbar ist. Die Brötchen sind fertig belegt. Das Obst ist nicht - wie so oft üblich - in sabbernde Scheiben geschnitten. Selbst der Saftbecher lässt sich während der Weiterfahrt in die große Lehmsenke des Sossusvlei problemlos genießen.
Ganz hinfahren ist mit dem großen Reisebus nicht möglich. Denn die letzten paar Kilometer führt der Weg über weiche Sandböden, die selbst den allradbetriebenen Jeeps Schwierigkeiten bereiten können. Uns ist das recht. Denn im offenen Geländewagen durch die Dünen-Landschaft zu fahren ist doch schöner als die ganze Zeit im Bus zu hocken.
Unterwegs verzweigt sich die Piste mehrfach. Zugleich warnen Schilder vor besonders weichem Untergrund mit »Soft Path«. Doch selbst die Fahrt auf dem festeren Hauptweg ist alles andere als sicher. Immer wieder driftet der Jeep zur Seite, um uns gleich danach in einer der unzähligen Senken durchzurütteln. Der Fahrtwind und die Sicht aber sind herrlich.
Am Sossusvlei angekommen, dürfen wir die große Salzpfanne auf eigene Faust erkunden. Als zweite Möglichkeit könnten wir eine weitere Düne hinauf kraxeln, um von oben auf das Vlei zu schauen. Nachdem wir bereits auf die Düne 45 hochgestapft sind begnügen wir uns damit, am Boden zu bleiben. Damit steigen wir lediglich über einen kleinen Sandwall hinweg in die Senke.
Ab und zu überflutet der Tsauchab Fluss das Vlei und schafft damit die Lebensgrundlage für die wenigen Tiere und Pflanzen. Die meiste Zeit aber herrscht in der Senke Trockenheit und erreichen nur tiefwurzelnde Sträucher und Kameldornbäume das Grundwasser. So kommen wir schon bald auf die rissige, hellgraue und zugleich steinharte Lehmdecke.
Wie mörderisch die Lebensbedingungen hier sind, beweisen mehrere verdorrte Bäume. Und doch finden wir auf dem Vlei schwarze Käfer, die scheinbar ziellos über die Salzpfanne krabbeln. Wie bei der Düne 45 peitscht der Wind auch hier den lockeren Sand über die Dünen. Ab und zu bilden sich Windhosen, die eine Ladung roter Körner über das Sossusvlei und uns über die Füße treiben. Wo immer ein kleines Hindernis ist, ein Grasbüschel, vielleicht ein Stein, bilden sich Sandhaufen. Umgekehrt schafft es das flach wurzelnde Dünengras, die gewaltigen Dünen zu besiedeln.
Schön finden wir, dass wir beim Sossusvlei nach den zuvor nur sehr kurzen Aufenthalten beim blühenden Köcherbaumwald und dem Fish River Canyon Park genügend Zeit für einen längeren Spaziergang haben. So können wir den Ausflug doch viel besser genießen und in uns aufnehmen. Zugleich ist das Vlei so groß, dass wir die meiste Zeit niemanden begegnen und die Landschaft in aller Ruhe (= Stille) erkunden können. Zumindest bis wir zurück am Ausgangspunkt sind. Dort nämlich siedelt eine große Kolonie Webervögel, die eigentlich immer für Unterhaltung sorgt und uns die Wartezeit auf den Jeep verkürzt.
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