Es regnet. Mal stärker, mal weniger, aber doch durchgehend. Es ist gerade mal vier Uhr nachmittags. Mitte Mai dauert es damit noch einige Zeit, bis die Sonne untergeht. Doch als wir den Eingang zum Greyfriars Kirkyard durchschreiten, sorgt eine dicke Wolkenschicht längst für dämmriges Licht. Selbst für Edinburgh ist es für diese Jahreszeit ungewöhnlich kalt. »Als wäre sämtliches Glück restlos verschwunden.«
Harry-Potter-Fans haben das Zitat aus der Kinoversion vom Orden des Phönix vielleicht erkannt. Doch was hat dies mit dem alten Friedhof Greyfriars Kirkyard zu tun? Ein paar Schritte weiter hilft das Studium bekannter Persönlichkeiten, die hier ihre letzte Ruhe gefunden haben. Unter vielen uns unbekannten Namen finden wir hier den Namen von Poet William McGonagall. Hier wird deutlich, was es mit Greyfriars auf sich hat.
Wir befinden uns hier auf dem Friedhof, den Joanne K. Rowling gewählt hatte, um Namen für einige ihrer berühmten Romanfiguren zu finden. Die Frage ist nur: wo befinden sich die Grabsteine der posthum Auserwählten? Da es vor Ort natürlich keinen Plan dazu gibt und wir den Greyfriars Kirkyard auf eigene Faust erkunden, dauert es eine ganze Weile, bis wir das erste Grab mit einem uns bekannten Namen entdecken.
Der Regen und die teils stark verwitterten Inschriften auf den alten Grabplatten tun das Ihre. Schließlich aber stehen wir vor dem Grab von Thomas Riddle sowie Thomas Riddle Junior. Während der Sohn 1802 als 20-jähriger Kapitän bei der Karibikinsel Trinidad ums Leben kam, verstarb der Vater 1806 im Alter von 72 Jahren. Das Grab gilt als geistige Geburtsstätte von Lord Voldemort, womit an dieser Stelle Realität und Fantasie verschwimmen.
Seit Jahren pilgern Potter-Fans auf den Friedhof, um hier Botschaften auf der feuchten Erde abzulegen. Dadurch erinnert der Grabstein zeitweise an das Grab von James Morrison auf dem Friedhof Pére-Lachaise in Paris, wo The Doors-Fans Hommagen niederlegen. Durch das Riddel-Grab sollen einige Leser sogar Schwierigkeiten haben, Fakt und Fiktion sauber voneinander zu trennen.
Glauben wir Rowling, dass sie den Namen möglicherweise unbewusst gewählt hat und lassen wir unsere Fantasie spielen, entdecken wir weitere Grabsteine, deren Namen ebenfalls als Namenspate ihrer Romanfiguren gedient haben könnten. So erinnert Moodie doch sehr an Professor Alastor Moodie und Greech zumindest entfernt an Kreacher, dem gemeinen Hauself der Blacks.
Wieder eindeutig ist die Gedenktafel des Dichters William McGonagall, dem Namensgeber von Minerva McGonagall, der Professorin von Hogwarts und Hauslehrerin von Gryffindor. Vergeblich sucht man jedoch den Namen Potter auf dem Friedhof. Das braucht es auch nicht, die Straße Potterrow (die Töpferzeile) befindet sich ganz in der Nähe. Zuletzt befindet sich auch die Chambers Street gleich um die Ecke, die uns irgendwie an den zweiten Band der Potter-Reihe erinnert.
Neben den Harry Potter-Figuren kennt der Greyfriars Kirkyard noch einen wahren Helden, den Skyeterrier Bobby. Der Hund gilt weit über die Grenzen von Edinburgh hinaus als der Inbegriff von Treue. Im 19. Jahrhundert soll er nach dem Tod seines Herrchens, John Gray, 14 Jahre lang an dessen Grab ausgeharrt haben, eh er dann selber am 14. Januar 1872 verstarb und heimlich auf dem Friedhof beerdigt wurde. An Greyfriars Bobby erinnert heute ein Denkmal sowie ein nahe gelegener Pub.