Aberdeen - die Stadt aus Granit

oder auch »The Silver City by the See«

Als wir auf Aberdeen zufahren, tut sich vor uns ein silbergraues Häusermeer auf. Ein Großteil der Innenstadt besteht aus Granit, der lange Zeit in den umliegenden Steinbrüchen abgebaut wurde. Da die Glimmeranteile im Granit in der Sonne zu glitzern beginnen, trägt Aberdeen auch den stolzen Namen »The Silver City«.

Sie ist mit rund 220.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt von Schottland. Dabei war Aberdeen schon im 11. Jahrhundert eine bedeutende Stadt, als sie der schottische König Alexander I. zu seiner Hauptresidenz ernannte.

Videos zu unserem Roadtrip durch Schottland

Eindrücke unseres Roadtrips durch Schottland, den Shetlandinseln und Orkney.

Robert the Bruce in Aberdeen

Während Aberdeen 1179 schon die Rechte einer freien Hanse verliehen bekam, wurde sie nach der Rückeroberung von der englischen Herrschaft durch Robert the Bruce zu einer reichen und unabhängigen Gemeinde. Sie bekam ein eigenes Jagdrevier zugewiesen, was der Stadt ein gutes Einkommen sicherte. 1494 entstand die erste Universität.

Zugleich wurde das Hafenviertel als Wirtschaftszentrum ausgebaut. Durch den Handel und Schiffsverkehr mit China konnte die Stadt ganz Europa mit Gewürzen und Tee versorgen. Als diese Einnahmequelle allmählich versiegte, kam die nächste. In der Nordsee wurde ein großes Ölvorkommen gefunden. Damit war die wirtschaftliche Zukunft abermals gesichert.

Da wir ein Parkhaus in Hafennähe bzw. beim Union Square wählen, irren wir erst einmal durch den Bahnhof, eh wir einen Ausgang zur Union Street finden. Während die Stadt an sich piekfein und sauber wirkt, erwischen wir den wohl einzigen schmuddeligen und düsteren Durchgang aus dem Bahnhof. Aber egal, wir erreichen kurz darauf eine steile Treppe, die uns direkt auf die Union Street führt. Der Boulevard dient mit seinen vielen Läden als Hauptgeschäftsstraße und Flaniermeile. Er ist allerdings auch die Hauptverkehrsstraße durch das Stadtzentrum. Für Fußgänger bedeutet dies: Auf dem breiten Gehweg können wir zwar flanieren, durch den Verkehrslärm hält sich der Genuss aber in Grenzen.

Schön ist der Abstecher zur St. Nicholas Kirk. Die historische Kirche gilt als die größte Pfarrkirche im mittelalterlichen Schottland. Sie wurde dem Hl. Nikolaus geweiht, nachdem er wie durch ein Wunder einige Segler bei Sturm gerettet hat. Lange Zeit wurde das Gotteshaus von zwei Glaubensgemeinden genutzt, die ihren jeweiligen Gebäudeanteil so umbauten, wie sie es benötigten. Das Schönste für uns ist aber der ruhige Friedhof, der die Kirche wie ein Park umgibt. Die alten Grabstätten sind nach wie vor gepflegt und die im Frühling blühenden alten Bäume geben in der sonst so grauen Stadt ein wunderschönes Bild ab.

Spaziergang vom Mercat Cross zur Belmont Street von Aberdeen

Unser Spaziergang geht weiter bis zum Mercat Cross, dem einstigen Marktplatz von Aberdeen. »Einstiger« stimmt nicht ganz, da heute auch wieder einige Marktstände auf dem Platz stehen. Schade eigentlich, da die bunten Hütten und modernen Buden samt ihrer dröhnenden Stromgeneratoren so gar nicht zu den Gebäuden des Castlegate mit den herrlichen Türmchen und Spitzdächern oder zu dem hübschen Pavillon mitten auf dem Platz passen.

Das Marischal College ist ein beachtlicher neugotischer Granitbau und gilt als das weltweit zweitgrößte Granitgebäude. Einzig die Klosterresidenz El Escorial in Spanien ist größer. Bei unserem Rundgang, an einem Samstag, ist das College natürlich geschlossen. So bleibt uns nur ein Blick durch die verschlossenen Glastüren. Auf dem Vorplatz steht ein Reiterstandbild von Robert the Bruce.

Provost Skene´s House

Auch beim Provost Skene´s House stehen wir vor verschlossenen Türen. Das im 17. Jahrhundert entstandene Patrizierhaus ist das älteste Wohnhaus eines damals wohlhabenden Kaufmanns aus Aberdeen. Zu unserer Reisezeit sind die Fenster aber verhangen und das Gebäude von einem großen Bauzaun umgeben.

Wir belassen unsere weitere Stadtbesichtigung bei einem Bummel durch die kleinen Gassen wie die Belmont Street. Trotz der Sonne wirken die grauen Fassaden kühl und bedrückend. Zum Teil sogar etwas gruselig. Die Stadt könnte gut als Kulisse für einen Vampir- oder Geisterfilm herhalten. Ein Gedanke, der sich hier offenbar auch anderen aufdrängt. Tatsächlich haben sich einige der Gaststätten in den alten steinernen Gemäuern bewusst düster eingerichtet.

Slains Castle als Inspiration für Bram Stoker´s Dracula

So ließ sich das Slains Castle in einer gotischen Kirche von Bram Stoker´s Dracula inspirieren und bietet statt einem Gottesdienst lieber sieben sündige, aber auch tödliche Cocktails an. Wir verzichten. Immerhin haben wir noch eine längere Fährfahrt zu den Shetlandinseln vor uns. Und wer weiß, vielleicht reicht der Wellengang auf der Nordsee bereits aus, dass wir uns später sterbenselend fühlen.

Eine Nacht im Norwood Hall Hotel

Übernachten in einem alten, schottischen Herrenhaus

Eine kühle Brise erwartet uns bei der Ankunft beim Norwood Hall Hotel. Aber ein vielversprechender Kaminrauch zieht uns schon auf dem Parkplatz vor dem ehemaligen Herrenhaus in die Nase. Das Feuer ist rasch gefunden. Gleich hinter der Eingangstüre dient der Vorraum als Rezeption. Da dieser nicht sonderlich groß ist, wirkt er mit seinem offenen Kamin fast wie eine Räucherkammer.

Der präparierte Hirschkopf über der Feuerstelle ist sicher längst gut durch geräuchert. Doch der Rauch scheint auch gute Laune zu verbreiten. Die Rezeptionistin kontert lachend auf Lars` Scherze. So verläuft der Empfang sehr freundlich, haben wir bald die Schlüssel und können unsere Zimmer aufsuchen.

Geräumige und gemütliche Zimmer im Norwood Hall Hotel

Wir haben das Zimmer 518, was etwas irritiert, da das Hotel keine fünf Stockwerke hat. Das Gebäude ist aber durch das Restaurant und einen Festsaal geteilt. So fahren wir im Altbau mit dem Lift in den zweiten Stock und finden unser Zimmer gleich neben dem Aufzug. Rita muss hingegen einen Stock höher fahren, durch Gänge den Restaurantbereich überqueren, um im Neubau mit dem Lift wieder einen Stock nach unten zu fahren. Das sorgt bei ihr kurz für Verwirrung. Dafür lernt sie durch das Herumirren durch die Gänge das Hotel gut kennen und ist trotzdem immer pünktlich bei unseren Treffpunkten.

Das Zimmer ist richtig schön. Wir haben zwar trotz dreier Fenster kaum Ausblick, da wir in die Baumkronen mehrerer Buchen schauen. Aber es ist hell, geräumig und gemütlich eingerichtet. Wir haben einen kleinen Zwischenflur und so dicke Wände, dass von anderen Gästen gar nichts zu hören ist. Nicht einmal den Lift hört man, der sich direkt neben dem Zimmer befindet.

Das Bad ist sehr hell und groß. Darin befinden sich eine Badewanne und eine geräumige Dusche. Ein Fernseher versteckt sich hinter einer Schranktüre, wo wir auch Kaffee und Tee zum selber zubereiten finden. Das Bett ist mit vielen Kissen sehr gemütlich und nach der Anreise perfekt für einen entspannten Schlaf in der Nacht. Aber erst wollen wir noch zu Abend essen.

Vorher wagen wir einen kurzen Spaziergang durch den parkähnlichen Garten. Wie in den meisten Gegenden Schottlands, fühlen sich auch hier die Kaninchen wohl und wirkt die Gartenanlage sehr gepflegt. Bald aber fröstelt es uns, weshalb wir uns nach wenigen Minuten an der frischen Luft in die elegante Bar zurückziehen. Sehr schön ist, dass hier einige Kamine angefeuert sind. Egal ob in der Rezeption, der Bar, dem Treppenhaus oder im Restaurant, überall räuchert es und breitet sich gemütliche Wärme aus.

Abendessen im gediegenen Restaurant im Norwood Hall Hotel

Das Abendessen gönnen wir uns im gediegenen, kleinen Restaurant. Es ist zwar sehr gehoben, dafür geschmacklich eine Sensation. Für uns gibt es Ente mit Süßkartoffelgratin, Ingwerspitzen und Spinat. Auch wenn der Preis genauso gehoben wie das Ambiente ist, verbringen wir einen angenehmen ersten Abend in Schottland.

Zum Frühstück haben wir am nächsten Morgen die Wahl zwischen verschiedenen mehreren Frühstücksvarianten mit typischen Eier, Speck, Champignons und Black Pudding. Eine große Auswahl bietet zudem das Büfett mit verschiedenen Säften und Marmeladen, Früchten, Quarkzubereitungen, Schinken, Käse und Kleingebäck.

Während wir uns in Irland überwiegend auf B&Bs beschränkt haben, wollten wir uns diesmal etwas Besonderes gönnen. Mit dem Norwood Hall Hotel ist uns dies gelungen. Wir verbringen zwar nur eine Nacht hier, aber während des Aufenthalts fühlen wir uns rundum wohl. Das düstere Treppenhaus mit dunklem Holz und Stofftapete verziert, das elegante Restaurant und die gemütliche Bar mit hellem Erker bieten die Stimmung, wie man sie sich in einem schottischen Herrenhaus vorstellt. So kann die Reise weitergehen, die uns am nächsten Abend über Nacht zu den Shetlandinseln führt.

Frühstück im Hotel

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