Von Ponte Ferreira nach Melide

die erste lange Etappe mit selbst verfassten Pilgerliedern

Nach einem gemütlichen Abend im Casa do Ponte mit Omelett á la Galicien, Minutensteaks, Salat, Teigteilchen und im Menü inkludiertem Vino de Casa steht am nächsten Tag die erste lange Etappe nach Melide an. Es ist Tag drei. Das ist der Tag, an dem Männer, die mit mehreren Frauen unterwegs sind, endlich in Ruhe Pilgern können. Das zumindest wurde uns von Gruppen berichtet, bei denen auch nur ein Mann mitlief.

Was soll ich sagen? Nachdem meine drei Begleiterinnen bereits die Schuhgeschäfte in Lugo übersehen hatten, widerlegen sie auf der Strecke die Volksweisheit »eine Frau, ein Buch, drei Frauen, eine Bibliothek«. Wo andere zwei Tage lang vom nicht enden wollendem Gequassel schlimme Ohrenschmerzen bekamen, herrschte bei mir Stille. Alles Vorurteile? Nein, es ist viel eher unheimlich.

Damit liegt es auch auf der dritten Etappe von Ferreira nach Melide an mir, die Stimmung ab und an aufzuhellen und die Damen mit selbst verfassten Pilgerliedern (z.B. »Das Pilgern ist des Christen Lust« oder »Und ich pilger, pilger, pilger - pilger im Sauseschritt, und bring' drei Frauen mit ...«) zu unterhalten.

So also brechen wir um Viertel von 9 Uhr auf, überqueren den Río de Ferreira auf der kleinen Brücke neben der Pension und treffen ein paar Schritte weiter auf die uns mittlerweile bestens vertraute LU-P-2901. Dort biegen wir links ab, passieren die Herberge Ponte Ferreira und verlassen damit den kleinen Ort.

Nach einer halben Stunde kommen wir zu einer Wegmarkierung mit der Entfernungsangabe 72,543 km bis zur Kathedrale in Santiago de Compostela. Dort zweigen wir schräg links von der Landstraße auf einen landwirtschaftlichen Weg ab. Im Gegensatz zu den Schlenkern am Vortag kürzt der Camino Primitivo diesmal ein paar Meter ab. 15 Minuten später sind wir zurück auf der LU-P-2901, um nach 200 m erneut abzukürzen.

Während die Straße links abbiegt, laufen wir geradeaus weiter, durchqueren ein Waldstück und passieren als nächstes einen Trinkwasserbrunnen. Nachdem auch die Kirche des Heiligen Xurxo de Augasantas hinter uns liegt, trennen sich unsere Wege ein letztes Mal: die nunmehr besser ausgebaute Landstraße schwenkt nach Süden Richtung San Vicente, der Jakobsweg verläuft weiter westwärts nach As Seixas.

Die Pilgerherberge von As Seixas und der Hund Tintin

Auf dem Weg nach As Seixas kommen wir an einem Haus vorbei, das zu verkaufen ist. Laut einem Aushang eignet es sich durch seine Lage direkt am Camino Primitivo ideal als Herberge. Das mag sein. Bevor man bei einem solchen Angebot zugreift, sollte man allerdings wissen, dass man für den Betrieb einer Pilgerherberge eine amtliche Genehmigung benötigt.

Kurz danach durchqueren wir das nächste Waldstück, eh wir den östlichen Quellbach des Rego de Merlán überqueren. Es folgt ein Wechsel von Gehölzstreifen, Wiesen und einzelnen Höfen. Nimmt man das strahlend schöne Wetter und einen 250 m langen Hohlweg (bei km 69,531 links) dazu, wandern wir durch eine Landschaft wie aus dem Bilderbuch.

Nachdem wir auch die kleine Kirche von Merlán passiert haben, besuchen wir in As Seixas die Herberge de Peregrinos. Sie befindet sich 130 m rechts vom Jakobsweg. Das 2011/12 renovierte und modern eingerichtete Granithaus bietet Platz für 34 Pilger in zwei Schlafräumen. Zu der Herberge gehören eine Terrasse mit Grill und Holzofen, ein Fußbad und mehrere Automaten mit kalten und heißen Getränken, Snacks und sogar Käsebroten.

Als wir ankommen, wirkt die Herberge geschlossen. Noch bevor wir umkehren, kommt jedoch Tintin freudig auf uns zu gelaufen. Tintin ist der Hund, der als Welpe im Outdoor Wanderführer vom Camino Primitivo abgebildet ist und mittlerweile seine Ausbildung zum Wachhund erfolgreich abgeschlossen hat. In diesem Fall heißt das: wenn sich eine Chance auf Streicheleinheiten oder Spielen ergibt, ist Tintin hellwach ...

Durch die Wälder nach Casacamino

Nach dem Abstecher zur öffentlichen Herberge von As Seixas kommen wir am Casa Goriños, der privaten Herberge des Orts vorbei. Danach verlassen wir As Seixas, überqueren den westlichen Quellbach des Rego de Merlan und folgen der Jakobsmuschel erneut durch Wälder nach Casacamino.

Dort angekommen, rücken zu unserer Linken einige, auf der Serra do Careón aufgestellte Windräder ins Blickfeld. Wir indes biegen erst rechts, dann links (nach Norden) ab und laufen in etwa parallel zu einer Straße und dem Río Gandaras ou Portoferreiro nach O Hospital das Seixas.

Auch wenn wir den gestreckten Rücken des Monte de Freixeiro umgehen, geht es auf dem nächsten Stück spürbar bergauf. Offenbar reicht die Steigung sogar aus, um manch einen Pilger zum Abbruch der Etappe zu bewegen. So steht beim Abzweig von der Straße ein Schild, auf dem drei Taxirufnummern genannt werden.

Nach gut einem Kilometer und immer schöneren Aussichten über die Bergwelt mündet der landwirtschaftliche Weg in die (parallele) Straße. Hier biegen wir scharf links und 100 m weiter rechts ab. Gleich danach erreichen wir den hübsch unter einer lichten Baumgruppe angelegten Rastplatz von O Hospital.

Rastmöglichkeit mit einer spanischen Schlangengurke

Da wir immer noch bestes Wetter haben und die Etappe nach Melide die schönste unserer Pilgertour ist, nehmen wir die Rastmöglichkeit gerne wahr. Tische und Bänke (beides aus Stein) gibt es genug und ein großes Stück Brot hatten wir auf Nachfrage im Casa do Ponte mit auf den Weg bekommen. Wobei es dann aber Annettes Mama ist, die mit einer spanischen Schlangengurke die Lacher auf ihrer Seite hat.

Es ist das zweite Mal, dass wir die Gurke sehen. Das erste Mal war am Flughafen in Basel. Nachdem das Personal der Durchleuchte verdutzt auf den Bildschirm guckte, musste sie die Tasche öffnen. Wer rechnet auch mit einer Gurke im Handgepäck? Tatsächlich war diese noch übrig - und weil sie bis zu unserer Rückkehr verdorben wäre, hat sie meine Schwiegermutter einfach reimportiert.

Über Villamor - Toques nach Melide

Vom Rastplatz Hospital geht es über einen asphaltierten Wirtschaftsweg in knapp zehn Minuten zu einer Kreuzung mit sechs Wegen. Mit 710 m ist dort der höchsten Punkt dieser Etappe. Von der Kreuzung führt links ein Weg schnurstracks zum Windpark auf dem 50 m höheren Monte de Freixero. Wir indes folgen dem Jakobsweg geradeaus in einen Pinienwald.

Bei Kilometer 64,801 liegt der Pinienwald hinter uns. Damit sehen wir erstmals die Stadt Melide vor uns. Immer leicht bergab wechseln sich auf dem nächsten Stück Felder und Wiesen ab. So wie wir das Gehöft Amade passiert haben, zweigen wir links ab und folgen dem nun mit Bäumen gesäumten Jakobsweg durch die reizvoll gegliederte Landschaft nach Vilouriz.

In der Mitte des beschaulichen Dorfs halten wir uns rechts und anschließend - so wie Vilouriz hinter uns liegt - links. Damit kommen wir in das ebenfalls landschaftlich reizvolle Tal des Rego Dos Lagares. Bei km 62,063 tauchen wir in das nächste Waldstück ein, überwinden eine schwach ausgeprägte Kuppe und biegen 200 m weiter rechts zum Bach ab.

Auf der anderen Seite des munter plätschernden Bachs steigt der Jakobsweg bis Villamor an. Dort kommen wir zu einem Trinkwasserbrunnen und biegen vor der Kirche des Heiligen Estevo links ab, sodass wir einen Katzensprung weiter auf die Durchgangsstraße treffen. Links ab, können wir dieser über Irago de Arriba und Compostela Zaramil nach Melide folgen.

Iglesia San Pedro in Melide

Nachdem wir uns bereits in Irago de Arriba in der Bar Carburo eine zweite, kurze Pause gegönnt haben, erwarten uns im Zentrum von Melide mit der kleinen Fußgängerzone, der Rúa Principal und der Rúa San Pedro weitere Möglichkeiten zur Einkehr.

Besonders beliebt ist die Pulpería Ezequiel. Sie befindet sich abseits vom Zentrum in der Avenida de Lugo nahe der Kapelle des Heiligen Roque und bietet als Hauptgericht Pulpo á feira an, gekochter Kraken, der am besten mit Brot und Vino Verde (jungem Wein) genossen wird.

Nach einem Abstecher in die Pension Berenguela zieht es uns hingegen zur Kirche von Melide, der Iglesia San Pedro. Der romanische Bau wird auf das 12. Jahrhundert datiert und zählt - neben der Kirche Santa María de Melide - zu den passendsten Orten in der Stadt, um den Pilgerausweis zu stempeln.

Mit Vorsicht sind allerdings die Gedenken- oder auch Opferlichter zu genießen. So freut sich Annettes Mutter zunächst, als nach dem Münzeinwurf mehrere der elektrischen Lichter aufleuchten. Als sie wenige Minuten später mit uns im Schlepptau zurückkehrt, sind die Lampen jedoch schon wieder erloschen.

Berenguela - Zentral gelegene Pension in Melide

Bei der Ankunft in Melide sind wir froh, dass wir für den Standort unseres Hotels einen Wegpunkt im gps-Track gesetzt haben. Denn auch wenn einige Schilder die Orientierung im Zentrum erleichtern, ist die Pension Berenguela doch etwas versteckt an einem kurzen Nebenweg der Rúa Cantón San Roque gelegen.

Die Pension Berenguela ist sehr modern eingerichtet, sehr sauber, leider aber auch unerwartet kühl. Um nicht zu sagen, es ist das kälteste Hotel, in dem wir auf dem Weg nach Santiago übernachten. So sind wir froh, als wir im Bad einen Heizlüfter entdecken, mit dem sich die Kälte im ganzen Raum vertreiben lässt.

Dass das funktioniert, haben wir der Beschaffenheit des Bads zu verdanken. Es ist hell und schnucklig eingerichtet, aber so klein, dass nur eine Person in die modische Dusche passt und die Tür ganz knapp an der Toilette vorbeischrammt. Auch beim Zähneputzen wechselt man sich am besten ab.

Das Frühstück gibt es in der benachbarten Bar. Den Vergleich mit dem Zimmer hält es nicht stand. Während auf dem Boden Popcorn und Müll vom Vorabend liegen, bekommen wir einen Kakao, der einer aufgelösten Schokolade gleicht, Apfelsinensaft, frittierte Teilchen sowie je zwei Stück Brot mit Butter und Marmelade.

Wanderkarte Etappe von Ferreira nach Melide

AusgangspunktCasa da Ponte in Ferreira
KoordinatenN 42.94650, W 7.81670
Gehzeit6 Stunden
Distanz21 km
Anstiegeca. 550 HM
GradT2
EinkehrEine eher rustikale Einkehrmöglichkeit besteht bei der Bar Carburo. Außerdem gibt es einen Automaten bei der Herberge de peregrinos da As Seixas.
GPS-DatenWanderung Ferreira Melide gpx
kml-DatenWanderung Ferreira Melide kml

Wanderkarte Jakobsweg Ferreira-Melide

Höhenprofil

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