Das Diarizos-Tal ist eine der Weinregionen Zyperns. Bei diesem Ausflug folgen wir der Weinstraße ab Paphos über Nikokleia zum Geisterdorf Souskiou. Danach führt uns die Fahrt durch Fasoula und Mamonia zur Kirche Agios Georgios. Weiter flussaufwärts wird die Gegend bergiger, bis wir schließlich die venezianische Brücke von Kelefos erreichen.
Als wir unseren Ausflug ins Diarizos Tal starten, herrscht kaum Verkehr auf den Straßen. Das wundert nicht, denn hinter uns liegt eine Silvesternacht, die deutlich länger als gedacht dauerte. Schuld sind die verschiedenen Zeitzonen Europas. Erst hatten wir entspannt auf den zypriotischen Jahreswechsel angestoßen. Die Stunde drauf hatten unsere britischen Tischnachbarn die glorreiche Idee, als Nächstes auf den deutschen Jahreswechsel anzustoßen. Um 2 Uhr folgte schließlich der britische Part der Neujahrsfeier. Kurzum: es ist für Annette der perfekte Morgen, um das Linksfahren auf Zypern Straßen zu üben.
Unser erster Stopp ist beim Damm des Asprokremmos Reservoir, dem zweitgrößten Speichersee auf Zypern. Nach einem ersten kurzen Fotostopp bei unserer Fahrt hoch auf den Olymp haben wir diesmal keinen Zeitdruck. Damit verlassen wir die so genannte Servicestraße des Damms noch vor der Überfahrt über den 600 Meter langen Damm und nutzen den Parkplatz nahe dem Entnahmebauwerk. Von dort eröffnet sich uns ein herrlicher Blick über den zweieinhalb Kilometer langen und bis zu 900 Metern breiten See.
Seit seiner Fertigstellung im Jahr 1982 ist das Asprokremmos Reservoir ein bedeutender Teil der Wasserversorgung von Pafos. Gefüllt wird er während der Wintermonate, wenn ein Großteil der Niederschläge auf der Insel fällt. Dann kann es auch passieren, dass der See über die Ufer tritt. Und das einem Fassungsvolumen von immerhin 51 Millionen Kubikmeter. Daher erstreckt sich rund um den See auch ein wichtiges Feuchtgebiet sowohl für endemische Vögel als auch Zugvögel und Wintergäste.
Nach den ersten schönen Eindrücken des Tages überqueren wir den Damm und biegen am Ende der Betriebsstraße auf die F616 ab. Wir kommen damit über Nikokleia ins Diarizos Tal. Auch wenn wir selbst vor allem Felder mit Winterweizen sehen, ist das Tal vor allem für seinen Wein bekannt. Die Weingüter sind hier tiefer gelegen als in anderen Teilen Zypern und sollen außergewöhnliche Weine hervorbringen, um mit der Mavro-Traube (auch Kypreiko genannt) nur mal eine heimische rote Rebsorte zu nennen. Daneben gedeihen auf den Terrassen und Hängen Oliven- und Johannisbrotbäume, Mandeln und Zitrusfrüchte.
Wie am Stausee wachsen auch in den Wäldern und Hängen etliche endemische Pflanzen. Im Winter fallen uns Alpenveilchen auf. Im Herbst bilden die Pflanzen weiß-rosa-roten Blütenteppiche auf dem Waldboden. Jetzt sind es vereinzelte Nachzügler, die ein wenig Farbe in die Landschaft zaubern. Botanikliebhaber sollten sich außerdem das Dorf Salamiou merken. Dort steht der Zypressenbaum »Kyparissos« bekannt, dessen Alter auf rund 750 Jahre geschätzt wird.
Etwa zwei Kilometer südlich von Fasoula parken wir etwas unterhalb der Straße. Jenseits des Diarizos befindet sich das Dorf Souskiou. Bis Anfang der 1960er Jahre von 300 griechischen und türkischen Zyprioten. 1963/64 entwickelte sich der Ort zu einer Hochburg der türkisch-zypriotischen Kämpfer. In der Zeit fanden auch türkische Zyprioten aus Kidasi hier Unterschlupf. Zu Beginn der türkischen Militäroffensive am 21 Juli 1974 wurde Souskiou evakuiert. Damit war das Schicksal von Souskiou besiegelt. So ist es heute eines der größten aufgegebenen Dörfer auf Zypern.
Souskiou, ein Lost Place auf Zypern
Auf alten Karten ist noch eine Brücke dorthin eingetragen, welche allerdings eingestürzt und damit für Autos unbrauchbar ist. So spazieren wir zu Fuß über und durch das Flussbett zum Dorf. Die Häuserruinen zählen heute zu den bekanntesten Lost Places auf Zypern und erinnern ein jedes an das bittere Ende einer einst friedlich zusammenlebenden Dorfgemeinschaft. Die meisten der Gebäude wurden nach der Aufgabe von Souskiou nach Brauchbarem durchsucht. Neben zurückgelassenem Interieur waren dies zunächst Ziegel und Türen, später Fenster und Steine. Hier und da wird versucht, marode gewordenes Mauerwerk mit Pfosten vorm Umkippen zu bewahren.
Ungeachtet des Verfalls machen sich Feigen in den Höfen sowie auch innerhalb eingestürzter Gebäude breit. Einige der Gebäude sind offen zugänglich. Im Innern finden wir Heu, was nahelegt, dass die Bauern der Umgebung diese für ihre Schafe und Ziegen nutzen. Andere Grundstücke sind so stark verwachsen und durch Geröll- und Schutthalden blockiert, dass kein sicherer Zugang möglich erscheint. Auch in die alte Moschee können wir einen Blick werfen. Die Einrichtung ist auch hier verschwunden. An den Wänden sind aber noch die alten Malereien zu sehen. Zuletzt finden wir die ehemalige Dorfkirche. Sie macht den Eindruck, als ob diese noch instand gehalten wird. Zumindest ist sie durch einen Zaun vor unliebsame Besucher geschützt.
Den nächsten Stopp legen wir in Fasoula ein. Der Ort besteht seit dem Mittelalter. Seine Geschichte reicht aber bis in die Antike zurück. Aus dieser Epoche stammen die Reste eines Zeus-Tempels im Kastro der Siedlung. Der Hügel ist auch als »Moutti tou Dia« (Zeus-Wappen) bekannt. Denn hier wiurden einige auf den Sockel eingravierte Inschriften gefunden, die dem Göttervater gewidmet sind. Entstanden sind diese erst im 2. Jahrhundert nach Christus, womit das Tal eine der letzten Rückzugsorte der alten Griechischen Religion war.
Für den Namen Fasoula gibt es mehrere Erklärungen. So soll einer der ersten Bewohner der Mönch Fasoulas gewesen sein. Andere glauben, dass sich der Name von Fasoulia, dem griechischen Wort für Bohne, ableitet. So wird angenommen, dass in dieser Gegend einst großflächig Bohnen angebaut wurden. Ähnlich ist die dritte Erklärung. Demnach bezieht sich der Name auf das fränkische Wort Fasoula, wo es für eine Sichel steht. Wenn man sieht, dass das Diarizos-Tal bis heute wichtig für die Landwirtschaft ist, macht die Benennung nach dem traditionellen Erntewerkzeug am ehesten Sinn.
Erstaunlich finden wir die hohe Dichte an Kirchen und Kapellen. So stehen allein in Fasoula die große Kirche und Kapelle von Agia Marina, die 1920 erbaute Steinkirche der Geburt der Gottesmutter, die Kapelle Agios Georgios und die erst Ende des 20. Jahrhundert gebaute Kirche Agios Dimitrios. Besonders auffallend ist die direkt an der Durchgangsstraße stehende Kirche mit dem unaussprechlichen Namen »Ierós Naós Agíon Tessarakonta Martýron«. Ins Deutsche übertragen stehen wir vor der Heiligen Kirche der 40 Märtyrer. Nur einen Steinwurf davon entfernt zeugt die Moschee von Fasoula von der muslimischen Vergangenheit des Ortes. Auch wenn sie stillgelegt ist, befindet sich das Gebäude in einem noch guten Zustand.
Weiter flussaufwärts lohnt sich ein Stopp beim Extreme View Cafe. Eigentlich hatten wir für hier eine Kaffeepause geplant. Am Neujahrstag ist es jedoch geschlossen. Die Aussicht über das Tal zu den westlichen Ausläufern des Troodos-Gebirges ist aber auch von der wenige Schritte weiter abzweigenden Nebenstraße sehr schön.
Bei der Weiterfahrt wechseln wir auf die Ostseite des Diarizos. Nach zwei Kehren der Straße kommen wir zur Kirche des Heiligen Antonius. Das Gotteshaus geht auf das Gelübde eines Mönchs aus Kidasi zurück. Weil Kidasi damals türkisch geprägt war, entschied er, die Kirche an einem Fluss in Kato Chorio zu bauen. Ständige Überschwemmungen setzten dem Fundament jedoch zu, bis schließlich eine neue Kirche südlich von Kidasi gebaut wurde. Der Mönch hatte seine Kirche eigentlich Agios Mamas gewidmet. Bis er eine Ikone der Heiligen Mutter gefunden hatte, stellten die Bewohner eine Ikone des Heiligen Antonius auf.
Nach einem nur kurzen Stopp im Dorf Agios Nikolaos mündet die F615 in die F616. 400 Meter weiter biegen wir nahe einem Aussichtspunkt über das Tal und die umliegenden Berge links ab. Nach sechs Kilometern durch den Wald und etliche Kurven gelangen wir schließlich zu einem großen Parkplatz. Über einen breiten, jeeptauglichen Weg gelangen wir schließlich zur venezianischen Brücke von Kelefos. Die auch Tzelefos Bridge genannte Brücke überspannt den Diarizos kurz vor seiner Einmündung in das Arminou Reservoir.
Die Steinbrücke ist 30 Meter lang und 3,2 Meter breit. Damit ist sie die größte und bekannteste der vier venezianischen Brücken auf Zypern. Der hohe Bogen soll sicherstellen, dass auch entwurzelte und vom Fluss mitgerissene Bäume unter dem Brückenbogen hindurchpassen. Wer genau hinsieht, erkennt auf beiden Seiten der Brücke Wartepunkte. Sie sind ein Indiz dafür, dass hier während der Venezianischen Herrschaft (1489 bis 1571) reger Betrieb herrschte. Für uns bildet das pittoreske Bauwerk den krönenden Abschluss eines gelungenen Ausflugs in das Diarizos Tal.