Pikk Jalg und Patkul

Ausblick vom Aussichtspunkt Patkul über die Altstadt von Tallinn. Im Hintergrund ist der Hafen an der Ostsee zu erkennen.

Zurück vom Schloss Kadriorg spazieren wir von der Unterstadt über den Pikk Jalg (der Lange Domberg) hinauf zum Schlossplatz. Neben dem Lühike Jalg (Kurzer Domberg) war der Pikk Jalg früher die einzige Wegverbindung zwischen der Unterstadt und Oberstadt. Während der Kurze Domberg dem Fußvolk vorbehalten war, konnten den Pikk Jalg auch Fuhrwerke nutzen. Allerdings war auch das nicht so ohne. Denn die Gasse ist so eng, dass der Verkehr im 18. Jahrhundert durch Wachen geregelt werden musste. Wer durch die Pikk Jalg fahren wollte, musste auf das Zeichen warten, dass der Weg für ihn frei war.

Fußgängerzone am Langen Domberg von Tallinn

Straßencafés und Künstler am Pikk Jalg

Heute ist die Pikk Jalg Teil der Fußgängerzone von Tallinn, in der ein paar wenige Straßencafés zum Verweilen einladen und Künstler ihre Werke zum Verkauf ausstellen. Das alte Torhaus am unteren Ende wurde früher übrigens jeden Abend abgeschlossen. Denn bis 1878 waren die Ober- und Unterstadt zwei getrennte Städte, die zwar aufeinander angewiesen waren, sich ansonsten aber gegenseitig nicht über den Weg trauten.

Am oberen Ende der Pikk Jalg erreichen wir den Schlossplatz mit der über der Stadt thronenden Aleksander-Nevski-Kathedrale. Bevor wir uns das sakrale Bauwerk anschauen, biegen wir jedoch rechts ab und spazieren zum Pilstickerturm. Bei ihm endet die Pilsticker-Treppe, die etwas abseits der Touristenströme liegt und damit den ruhigsten Zugang bildet.

Der Name des Turms bedeutet soviel wie »jemand, der Pfeile anspitzt«. Das passt auch ganz gut. Denn der Halbturm ragt an der Ecke des Schlosses steil in die Höhe. Wer mag, kann die Treppe hinabsteigen und unten rechts auf einen Fußweg wechseln, der zur Patkul-Treppe führt. Wir hingegen spazieren auf demselben Weg zurück und passieren die Domkirche, eh wir wieder bei der Kathedrale sind.

Alexander-Newski-Kathedrale

Orthodoxe Kirche oberhalb der Altstadt von Tallinn

Oben auf dem Domberg bzw. auf dem Schlossplatz zwischen der deutschen Botschaft und dem estnischen Parlament, kommen wir zur Alexander-Newski-Kathedrale. Die russisch-orthodoxe Kirche wurde nach einer mehrjährigen Unterbrechung im Jahr 1900 gebaut und erinnert an den russischen Nationalhelden und Heiligen Alexander Jaroslawitsch Newski.

Weil die Kathedrale als Sinnbild der Russifizierung des damaligen Gouvernements Estland des Russischen Kaiserreichs gilt, sollte sie während der Unabhängigkeit Estlands 1924 abgerissen werden. Zum Glück aber kam es nie dazu, sondern wurde die Kirche im Jahr 2000 (und bei unserem Besuch 2011) von Grund auf restauriert.

Ikonen in der Alexander-Newski-Kathedrale

Ein kurzer Rundgang durch die Kathedrale lohnt sich. Denn sie ist reich geschmückt und zudem hell, sodass sie sehr freundlich wirkt. Neben den drei Altären gibt es in der Kirche drei vergoldete Ikonostasen (mit Ikonen geschmückte Wand mit drei Türen) und vier Ikonen-Kästen. Außerdem gibt es in der Kirche mehrere Gemälde und Mosaiken.

Beim Aussichtspunkt Patkul

Die Terrasse Patkul ist nach Johann Reinhold von Patkul benannt, welcher sich im 17. Jahrhundert so energisch für die Rechte der Livländlischen Ritterschaft einsetzte, dass der schwedische König die Todesstrafe über ihn verhängte. Nachdem er nach Polen ins Exil geflohen war, vermittelte er 1699 ein Bündnis zwischen Dänemark und Russland gegen Schweden. Deswegen gilt er als einer der Initiatoren des Großen Nordischen Krieges in der Ostseeregion.

Das Andenken an die Livländische Ritterschaft am Patkul

In Andenken an die Livländische Ritterschaft führen heute junge Schauspieler Kämpfe mit Schwert und Schild auf der Patkul-Terrasse auf. Auch mittelalterliche Handwerkskunst ist zu sehen. Ein hohes Maß an Aufmerksamkeit ist den meist jungen Leute dabei sicher. Denn der Patkul ist der beliebteste Aussichtspunkt über die Altstadt von Tallinn. So herrscht hier oben vor allem dann ein großer Andrang, wenn mehrere Kreuzfahrtschiffe im Hafen von Tallinn liegen.

So finden wir uns auf einmal inmitten einer Horde Italiener wieder, welche die niedrige Mauer am Rand des Patkuls für hektisch zusammengestellte Beweisfotos zu erobern versuchen. Zum Glück haben die Reisegruppen nur wenig Zeit für die einzelnen Programmpunkte in der Stadt, sodass bald wieder Ruhe einkehrt und wir die Aussicht über die Dächer Tallinns und den Wehrtürmen bis hin zur Ostsee genießen können.

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