Kiek in de Kök mit Bastionstunnel

Vom Wachturm »Guck in die Küche« in den Untergrund

Kiek in de Kök, als gebürtiger Norddeutscher hätte ich mir eigentlich erschließen sollen, wofür der Name von diesem Turm steht. Zu meiner Schande muss ich jedoch gestehen, dass ich mir darüber erst gar nicht den Kopf zerbrochen hatte, was Kiek in de Kök bedeuten könnte. So erfahre ich erst in Tallinn, dass der Name des Wachturms »Guck in die Küche« bedeutet.

Dabei ist der Name Programm. Denn vom oberen Teil des Turms hat man einen guten Blick in die Küchen der umliegenden Gebäude. Eine zweite Erklärung für den Namen ist, dass man vom Turm Kiek in de Kök aus gut beobachten konnte, was die feindlichen Truppen in ihren Stellungen auskochten.

Der Kiek in de Kök zur Verteidigung der Stadt Tallinn

Tatsächlich war der 38 Meter hohe Turm eines der wichtigsten Gebäude bei der Verteidigung der Stadt Tallinn. So ermöglichte er den Esten, aus 27 Öffnungen für Kanonen sowie 30 Schießscharten für kleinere Waffen auf Angreifer zu schießen. Im Erdgeschoss lagerten derweil große Mengen an Pulver und Munition.

Heute ist der Kiek in de Kök vor allem für den Tourismus bedeutend. Denn unterhalb des Stegs zur Eingangstür des Turm befindet sich der Zugang zu den Bastionstunneln. Diese wurden von den Schweden im 17. Jahrhundert angelegt und ermöglichten den Verteidigern, im Schutz dicker Mauern von einem Turm zum nächsten zu gelangen.

In den Reiseführern wird empfohlen, sich vorher telefonisch anzumelden. Dieses haben wir auch gemacht. Wobei das allerdings sehr locker gehandhabt wurde. Zumindest hat sich die Frau, mit der ich gesprochen hatte, meinen Namen erst notiert, als ich sie nach ihrem einfachen »okay« danach sowie nach einer schriftlichen Bestätigung unseres Termins gefragt hatte.

Ob es dies heute noch unbedingt braucht oder man auch einfach vor Ort nach einer Führung fragen kann, wissen wir nicht. Wohl aber muss jeder Teilnehmer zuvor einen Film über die Geschichte Tallinns anschauen. Diese wird von einem hässlichen Männchen vorgetragen.

Der böse Gnom vom Ülemiste-See

Das Männchen stellt einen bösen Gnom aus dem nahen Ülemiste-See dar, welcher einst gedroht hatte, dass Tallinn überschwemmt und von den Fluten zerstört wird, sobald es fertig gebaut sei. Angeblich taucht er jedes Jahr im Sommer oder Spätherbst aus dem Ülemiste-See auf und fragt,

ob Tallinn endlich fertig gebaut sei. Die Antwort muss daher immer lauten, dass Tallinn immer noch nicht fertig gebaut sei und es noch einige Zeit dauern wird. Es wird niemals fertig gebaut sein.

Tour durch den Bastionstunnel

Im Anschluss an den geschichtlichen Vortrag werden Decken verteilt. Denn im Bastionstunnel ist es selbst im Sommer empfindlich kühl. Vier, Fünf Grad Celsius werden uns angedroht. Dennoch verzichten wir auf die Decken. Es ist zwar tatsächlich deutlich kälter als draußen, ganz so schlimm aber kommt es uns unten auch nicht vor.

Eine Zeitreise durch Revals Vergangenheit

Unten angekommen, erleben wir bei der Führung durch den Tunnel eine kleine Zeitreise. Die Idee des Museums ist, die einzelnen Abschnitte der Bastionstunnel so zu zeigen, wie sie zu früheren Zeiten genutzt wurden. Dabei laufen wir von der Gegenwart immer tiefer in Tallinns bzw. Revals (so hieß die Stadt bis 1918) Vergangenheit hinein.

Als erstes kommen wir damit in einen Bereich, in dem alte Sachen und Decken liegen. Damit wird die Zeit dokumentiert, als sich Obdachlose in den Tunneln eingenistet hatten. Ein paar Schritte weiter wird es bunt. Graffitis an den Wänden und farbiges Licht stellen unmissverständlich klar, dass hier vor dem Einzug der Penner wilde Partys von Punkern gefeiert wurden.

Weiter hinten sitzen Puppen mit gepackten Koffern auf einfachen Doppelstockbetten. Sie suchen Schutz vor den Bombardements während des Zweiten Weltkriegs. Auch eine Funkzentrale und andere militärische Gegenstände dokumentieren diese auch in Estland düstere Zeit. Für Abenteurergeist stehen hingegen zwei Buben. Angeblich haben sie einen Weg gefunden, der von den Bastionstunneln unter die Ostsee bis nach Finnland führt.

Ein Ammenmärchen, das längst widerlegt ist. Wenig später erreichen wir das vorläufige Ende des begehbaren Abschnitts. Weitere Teile des Tunnels können möglicherweise in ein paar Jahre begangen werden. Doch dafür muss zunächst eindringendes Wasser abgeleitet und das Mauerwerk gesichert werden.

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