Zwei Schlösser sind von der Hafenstadt Triest aus zu sehen. Eines davon – vom Burgberg San Giusto gut zu erkennen – ist das Miramare und befindet sich auf einer Felsenklippe oberhalb der Bucht von Grignano. Genauer hinschauen müssen wir beim Castello di Duino.
Das Schloss von Duino thront auf einem eindrucksvollen Karstfelsen hoch über dem Meer. Unterhalb der Festung erstreckt sich die Steilküste bis nach Sistiana. Unser nächstes Ziel, das Dorf Duino Aurisina, verschwindet leicht im Dunst.
Nach einer halben Stunde Fahrt werden wir im B & B Porto del Bivio herzlichst empfangen. Bevor wir zurück in die Heimat fahren, bleiben wir hier für zwei Nächte. Da wir uns nur in und um Duino aufhalten wollen, können wir das Auto im Garten stehen lassen und die Umgebung zu Fuß erkunden. Zudem sind die Gastgeber Federica und Giorgio so nett, dass man sich hier auf Anhieb wohl fühlt.
Auch wenn wir nur durch Zufall in das für uns bisher unbekannte Duino gekommen sind, gehört der Ort längst nicht mehr zu den Geheimtipps. Zu verdanken haben wir dies dem österreichischen Dichter Rainer Maria Rilke, aber auch den ausgezeichneten Fischlokalen im Ort. Als Konsequenz scheitert unser Versuch, abends einen Tisch in einem der Restaurants am Meer zu bekommen.
Doch wir treffen eine Reise-Freundin aus dem Oman in der Villa Borgo Duino. Der Koch hat Erbarmen und kredenzt uns bei familiären Ambiente ein leckeres Abendessen. Für den nächsten Abend reservieren wir im Restaurant des Hotels al Pescatore und lassen uns dort mit Meeresfrüchten verwöhnen.
Doch die Kulinarik bleibt für uns Nebensache. Immerhin war Duino in den letzten Jahrzehnten der Donaumonarchie ein bekannter Hafen- und Badeort. Einen kleinen Hafen können wir finden. Am winzigen Strand und auf den Kaimauern fläzen sich auch einige Sonnenhungrige. Es gibt aber sicher schönere Bademöglichkeiten. Über dem Hafen befindet sich das Castelvecchio, die Ruinen eines alten Herrenhauses. Um dieses rankt sich eine traurige Legende. Dieser zufolge hat in einer fernen Zeit im alten Schloss Duino ein eifersüchtiger Kastellan regiert. Er war oft weit weg von seiner Heimat. Zu solchen Zeiten sperrte er seine wunderschöne Frau in den Schlossturm.
Während seiner Abwesenheit durfte kein anderer Mensch ihre Schönheit betrachten. In einem Anfall von Eifersucht stieß er seine geliebte Frau eines Tages vom Turm hinab. Doch der Himmel hatte Mitleid mit ihr. Noch bevor sie das Meer berührte, verwandelte sie sich in einen weißen Stein. Ein »verschleierter« Felsen steht heute am Fuße der Burgklippe. Oft gleiten weiße, königliche Schwäne daran vorbei und huldigen der unglücklichen weißen Dame. Nachts soll sie durch das Schloss wandeln, auf der Suche nach einer Wiege, um über ihr Kind zu wachen. Es ist wohl ein Grund, weshalb wir am Abend vor verschlossenen Gittertüren stehen, als wir die Ruine zum Sonnenuntergang besuchen wollen.
Am nächsten Morgen stehen wir pünktlich zur Öffnung der Pforten vor dem Neuen Schloss von Duino. Allerdings benötigen wir zwei Anläufe. So spazieren wir zunächst am Torhaus vorbei auf das Schloss zu. Wie aber sollte man auch wissen, dass sich der Schlossgarten bis in den Ort hinein erstreckt. Der Eingang ist direkt an der Hauptstraße, gleich neben der Bushaltestelle. Von dort führt ein mit Zypressen und Zierhecken eingefasster Weg hinauf zum Castello di Duino.
Die im 14. Jahrhundert erbaute Burg erhebt sich auf den Ruinen eines römischen Militäraußenpostens. Bis ins späte 14. Jahrhundert war es der Sitz der Lehensherren von Duino. Im 16. Jahrhundert fiel es an die Adelsfamilie von Thurn-Hofer und Valsassina und später an die Familie von Thurn und Taxis. Das Castello ist heute eine solide und zweckmäßige Konstruktion mit Blick auf den Golf von Triest.
Prunkvoll hingegen ist die Inneneinrichtung. Kostbare Möbel, aufwendig gedeckte Tafeln, wertvolle Originalbriefe, Dokumente und Bücher werden im Innern der Burg ausgestellt. Das Neue Schloss Duino wird beizeiten noch von der Familie Karl Prinz von Thurn und Taxis bewohnt. Daneben wurde das Schoss vor einigen Jahren teilweise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Inzwischen ist es möglich, mehr als 18 komplett eingerichtete Zimmer zu besichtigen. Sie stecken voller Erinnerungen der Familie Torre e Tasso, wie die Herrschaften auf Italienisch genannt werden. Im Gästebuch vom Schloss Duino finden sich etliche berühmte Persönlichkeiten. Sie gingen hier ein und aus.
Manche von ihnen hielten sich auch längere Zeit hier auf. Zu den bekanntesten Besuchern zählen Kaiserin Sissi und Kaiser Franz Josef I. Der Erzherzog Maximilian und seine Frau Charlotte von Belgien besaßen ihr Domizil im nahen Schloss Miramare und waren hier genauso zu Gast wie Franz Ferdinand von Österreich.
Das Schloss genoss den Ruf einer feudalen Ferienunterkunft. Insbesondere Künstler und Dichter hatten in der Geschichte oft ein besonderes Gespür für Orte, an denen es sich gut leben lässt. So entwickelte sich das Schloss Anfang des 20. Jahrhunderts zu einem beliebten Treffpunkt bedeutender Literaten und Musiker jener Zeit – von Mark Twain über Johann Strauss bis hin zu Victor Hugo. Auf einem Forte-Piano von 1810 spielte bereits Franz Liszt.
Rainer Maria Rilke erholte sich an dem wundersamen Ort von einer Schaffenskrise. Marie von Thurn und Taxis-Hohenlohe lud ihn als Förderin auf das Schloss ein. Der verehrte Dichter sollte in musischer Umgebung wieder zum Schreiben finden. Ihr Plan ging auf und Rilke begann hier 1912 mit den Duineser Elegien. Dieser Gedichtzyklus verdankt seinen Namen dem Aufenthalt Rilkes auf dem Schloss Duino. Abschließen konnte er diesen jedoch erst 1922.
Heute besticht das Schloss Duino mit herrschaftlichen Räumen, dem Schlosspark mit seiner großen Vielfalt der klassischen mediterranen Vegetation und einer wunderbaren Aussicht vom Turm auf den Golf von Triest. Es ist wirklich ein Ort zum sich wohlfühlen und das Sein genießen.
Auf den Kontrast dazu lotst uns ein Schild durch die grünen Hecken hindurch zu einem Bunker. 1943 beschlagnahmte die Deutsche Wehrmacht das Schloss und erklärte es zur militärischen Sperrzone. Zwangsarbeiter mussten in Windeseile einen Bunker ausheben. Er sollte den Stützpunkt Sistiana gegen eine erwartete Landung der Alliierten schützen.
Der Bunker wuchs und mit ihm ein Strand an der Ostseite des Schlosses, welcher sich aus Unmengen an Steinen und Schotter bildete, die aus dem Bauwerk getragen wurden. Der Bunker diente auch als Schutzraum für die Bevölkerung. Zumindest so lange, bis er fertiggestellt, gepanzert und mit einer Kanone versehen war. Der Bevölkerung war der Zutritt ab da gänzlich verboten.
Den Kanonenbeschuss der Alliierten, welcher durch die Hakenkreuz-Fahne auf dem Schlossturm provoziert wurde, musste das Volk hingegen über sich ergehen lassen. Erst auf das beharrliche Drängen des Schlossverwalter, Erwin Luzar, wurden die Tore wieder für die Bevölkerung geöffnet. Gegen Ende des Kriegs fanden sie ein letztes Mal Schutz in den Räumen. Im März 2006 öffnete schließlich die Familie von Thurn und Taxis den Bunker für die Öffentlichkeit, als Zeitzeuge der tragischen Jahre und Geschehnisse.