Das schweizerische Tessin und das italienische Piemont bilden für Süddeutsche beliebte Ziele, um zwischendurch mediterranen Flair, fernab vom Mittelmeer zu genießen. Einzig die Schweiz und die Alpen trennen uns von den Oberitalienischen Seen.
In gut drei Stunden Fahrt ist das Städtchen Cannobio am Lago Maggiore zu erreichen. Gut, wir haben den Vorteil, direkt an der Schweizer Grenze zu wohnen. Bei einem zeitigen Start kommen wir ohne Stau durch den Gotthard, weil wir diesen Abschnitt schlichtweg vor der Stoßzeit durchfahren.
Tatsächlich sind wir in jungen Jahren spontan zum Pizzaessen ins Tessin gefahren und am späten Abend wieder zurückgekehrt. Busse aus unserer Gegend bieten Tagestouren zu den Märkten von Cannobio oder Luino an. Und natürlich ist Camping am Lago Maggiore schon immer groß angesagt. Auch wir haben hin und wieder das Zelt geschnappt und sind für eine kurze Auszeit an den See gefahren.
Inzwischen haben wir uns zu Genussmenschen entwickelt, die gerne etwas erleben, die aber auch gerne ein Plus an Komfort genießen. Damit bildet Cannobio für uns ein dankbares Zwischenziel, um die Fahrt zur Lagunenstadt Venedig in zwei kürzere Strecken aufzuteilen.
Kurz nach neun Uhr stehen wir auf dem Gratisparkplatz am kleinen Hafen zwischen dem Strand von Cannobio und der Seepromenade. Die Herbstsonne ist angenehm, perfekt für einen Spaziergang entlang der wunderschönen »Via Francesco Magistris«.
Die Cafés entlang der Promenade haben bei unserer Ankunft bereits geöffnet. Dolce & Caffe' – Süßes und Kaffee – das ist, was wir nach der Fahrt jetzt brauchen. Gerade eilt ein Bäcker mit einer Platte frisch gebackener und herrlich duftender Nusshörnchen ins Café. Hier bleiben wir und genießen ein wenig italienisches Lebensgefühl und den Blick auf den morgendlichen See.
Während die bekannten Tessiner Städte der Südschweiz, Ascona, Locarno oder Lugano, eher mitteleuropäisch wirken, besitzt Cannobio einen bereits südländisch anmutenden Charakter. Es ist eine sehr alte Stadt, deren Name auf das römische Canobinum zurückgeht. Im Jahr 929 nach Christus war es Sitz eines Königshofes. Im Mittelalter entwickelte es sich zur Perle am Lago Maggiore.
Durch intensive Handelsaktivitäten, Handwerk und Warenaustausch gewann Cannobio an Reichtum. Entlang der ausladenden Seepromenade reihen sich restaurierte Patrizierhäuser aus dem 16. und 17. Jahrhundert aneinander. Sie machen den Aufenthalt am Lago Maggiore auch heute zu einem Erlebnis. Das gilt besonders dann, wenn die Piazza Vittorio Emanuele III als Filmkulisse dient.
Gassen und Fassaden in Cannobio
Wir beobachten Dreharbeiten zum Spielfilm »Monte Verità«. Es wird ein Film über eine Kolonie aus einem bunten Kreis an Künstlern, Intellektueller und Gesundheitsapostel, welche Anfang des 20. Jahrhunderts auf einem Berg bei Ascona die Heilkräfte der Natur suchten. Die Kolonie ist nach 20 Jahren gescheitert.
Weder der Monte Verità noch Ascona taugen heute als eine passende Kulisse. Für den Berg musste das wildromantische Maggiatal herhalten. Die Dorfszenen hingegen werden auf der Piazza oder in den Altstadtgassen von Cannobio gedreht. Dessen intakter Kern soll das alte Ascona repräsentieren.
Zwischen der Wallfahrtskirche Santissima Pietà und dem Fährterminal sind Kinder am Seilhüpfen. Eine Bäuerin trägt ihre Äpfel auf den Markt und eine feine Dame im typischen Gründerzeit-Kleid schiebt einen nostalgischen Kinderwagen über den Platz. Es ist wirklich hübsch anzusehen. Doch die Dreharbeiten ziehen sich gewaltig in die Länge, ohne dass großartig Aktionen zu sehen wären. Wir laufen lieber noch eine Runde durch die alten Gassen.
Dort stehen weitere Requisiten der Filmarbeiten oder werden gerade abgebaut. Das Hotel Pironi, ein faszinierender Palazzo in einem Eckhaus aus dem 15. Jahrhundert, durfte in die Rolle eines alten Marktgebäudes schlüpfen. Das Hotel stand in meiner engeren Wahl für unsere Übernachtung am Lago Maggiore. Bei dem Trubel, der gerade drum herum herrscht, haben wir uns mit dem Hotel Cannero wohl richtig entschieden.
Gegen Mittag füllt sich das Städtchen. Bevor wir weiterreisen, wollen wir noch Pizza essen. Die Restaurants in den Altstadtgässchen sehen alle sehr nett aus. Doch der Herbst treibt eine kühle Brise durch die Gassen. Wir kehren zurück an den See. Auch auf der Seepromenade ist inzwischen einiges los.
Trotz der Dreharbeiten kommt regelmäßig die Fähre und bringt weitere Touristen und Ausflügler nach Cannobio. Bei der schmaleren Promenade der Via Francesco Magistris entscheiden wir uns für die Pizzeria Da Nuccia. Hier können wir Leute beobachten, auf den See schauen und dazu eine leckere, italienische Pizza genießen.