Bootsfahrt auf dem Tonle Sap

Im Morgengrauen auf dem See

Stille herrscht über dem See. Ruhig dümpeln ein paar Boote im dunklen Wasser und nur wenige Schwalben zeigen sich bei ihrer Jagd nach Insekten. Dann endlich bricht der neue Tag herein, erhebt sich die Sonne feuerrot über den Tonle Sap, um die Luft schon bald auf über 30 Grad zu erhitzen. Wir selbst stehen allein im Morgengrauen auf der Dachterrasse eines schwimmenden Restaurants und bewundern das alltägliche Naturschauspiel. Unter uns schauen wir auf den mit 150 Arten fischreichsten See unseres Planeten. Sehen können wir sie allerdings nicht. Denn der Tonle Sap ist nicht nur einzigartig auf der Welt, sondern zudem meist so trüb, dass man selbst im seichten Wasser nicht bis zum Grund des Sees sieht.

Gleichzeitig zeugen die vielen Schwebteilchen im Wasser aber auch von einen immensen natürlichen Reichtum des Tonle-Sap-Beckens. Denn sobald im Frühjahr der Schnee im fernen Nepal schmilzt, bringt der Mekong solch gigantische Mengen an Wasser und Schlamm aus dem Himalaja nach Kambodscha, dass sein Wasserpegel bis über die Wasseroberfläche des Sees steigt.

Als Folge kann das Seewasser nicht mehr durch den Tonle-Sap-Fluss bis nach Phnom Penh und von da weiter über den Mekong in das Chinesische Meer abfließen. Stattdessen ändert der Tonle-Sap-Fluss seine Fließrichtung und bringt soviel Wasser in das Tonle-Sap- Becken, dass sich die Oberfläche des Sees um das siebenfache vergrößert. Während das Wasser nach ein paar Wochen wieder aus den überschwemmten Gebieten abfließt oder verdunstet, verbleibt eine Schlammschicht als natürlicher Dünger auf den Feldern. Die Böden im Tonle-Sap-Becken sind dadurch so fruchtbar, dass pro Jahr zwei Reisernten möglich sind.

Nachteil dieses Phänomens ist, dass sich die Bewohner in ihrer Lebensweise auf den ständig schwankenden Wasserspiegel einstellen mussten. Da im Tonle-Sap-Becken kaum natürliche Erhebungen zu finden sind, stehen ihre Häuser daher auch heute noch auf meterhohen Stelzen. Andere Familien gar führen ihr Leben mitsamt ihren Haus- und Nutztieren (Hunde, Katzen, Hühner, Schweine und Krokodile) auf dem Hausboot.

Während der Überschwemmungen wimmelt es hier übrigens von Wasserschlangen. Anscheinend müsse man nur einen Kescher durchs Wasser ziehen und schon hat man ein paar. Hoffen wir, dass es wirklich so ist. Denn während der Überschwemmungszeit dürfen keine Fische gefangen werden. Die Krokodile in den kleinen Gehegen der Khmer jedoch haben Hunger. Sie mögen aber keinen Trockenfisch...

Vietnamesen-Dorf auf dem Tonle Sap

Gemächlich tuckert unser Boot zum nächstgelegenen Dorf des Tonle Sap-Sees. Trotz der frühen Morgenstunden - oder genau deswegen - sind die meisten Dorfbewohner bereits auf den Beinen, um ihren alltäglichen Arbeiten nachzugehen. Ein Gemüseboot verteilt seine Ware, während viele Männer an Land zur Arbeit gefahren sind. Andere bleiben direkt bei der Anlegestelle und helfen mit, die Löcher der provisorischen Uferstraße bis zum nächsten Hochwasser zu stopfen.

Die Frauen indessen bleiben auf den Booten, reinigen das Geschirr, bereiten das Essen vor, versuchen ihre Kleider im See zu waschen oder kümmern sich um ihre vielen Kinder. Außerdem gilt es jetzt, am Ende der Trockenperiode, einen ausreichenden Vorrat an Trockenfischen anzulegen. Denn während der Regenzeit bzw. der Überschwemmung haben die Fische im Tonle Sap Schonzeit und rücken damit Schlangen auf den Speiseplan.

Obwohl wir uns immer noch in Kambodscha befinden, wohnen in diesem Dorf ausschließlich Vietnamesen. Nun, was heißt wohnen? Zum Teil sind es nur winzigkleine Boote, auf denen ganze Familien schlafen, essen, arbeiten und wohnen. Zusammen übrigens mit von Natur aus eigentlich wasserscheuen Katzen, welche die Ratten von den Booten fern halten sollen. Die Toilette, das Abwasser und alles andere, was verrottet und nicht mehr gebraucht wird, geht über Bord. Damit ist das Wasser hier noch trüber als in den offenen Bereichen des Tonle Sap. Begriffe wie Wasserqualität und Überdüngung sind hier genauso fremd wie unsere Sprache. Dennoch winken uns die Kinder zu und freuen sich über den vorbeifahrenden Besuch und lassen die Fahrt auf dem See zu einem unvergesslichen Erlebnis werden.

Das schwimmende Dorf der Khmer

Nachdem wir das Vietnamesen-Dorf durchquert haben, steuert das Boot zunächst in freies Gewässer. Es dauert eine Weile, bis wir merken, dass es ziemlich genau der Weg zurück ist, den wir gekommen sind. Als wir in den Trichter des Kanals zur Anlegestelle einbiegen, wird uns schließlich klar, dass die Fahrt schon wieder zu Ende sein soll, uns der Kapitän an Land absetzen will.

Der Blick auf die Uhr besagt aber, dass wir noch eine gute Stunde Zeit haben. Also greifen wir ein weiteres Mal auf unserer Reise ein. Ohne große Diskussion setzt der Kapitän den Motor in Leerlauf. Danach darf der Schiffsjunge das Boot Mithilfe einer Stange und der Uferbefestigung wenden, bevor wir ein zweites Mal auf den Tonle Sap fahren.

Stolz sind die Khmer auf ihren Tonle Sap, der mit seinem Fischreichtum und der wechselnden Fließrichtung des Tonle Sap-Rivers auf der Welt einmalig ist. Gar nicht gerne fahren die Khmer hingegen die Touristen durch die Wasserdörfer der eigenen Bevölkerung. Mit anderen Worten: die armen Vietnamesen können den Besucherverkehr und die vielen Fotografen auf Bootsfahrt ruhig über sich ergehen lassen, die eigene Nation soll jedoch geschont werden und nicht zur Touri-Attraktion avancieren. Das finden wir nicht gerecht. Zwar ist es sicher nicht schön, wenn ständig fremde Leute am Wohnzimmer vorbeigefahren werden. Gleichzeitig aber leben die Menschen in Siem Reap hauptsächlich vom Tourismus. Und eben von diesem profitieren die Khmer sicherlich besser als die zugezogenen Vietnamesen.

So wundert uns auch nicht, dass die Khmer deutlich größere und bessere Boote bzw. Wasserhäuser besitzen als die Vietnamesen im Zoodorf, und uns bei den Khmer ein gut bestücktes Supermarkt- Boot begegnet, bevor wir an mehreren Fischbecken und sogar einem schwimmenden Schweinestall vorbeikommen. Bei der Rückfahrt zur Anlegestelle erklärt uns der Reiseleiter zuletzt, dass die Holzhäuser im Kanal als Schule dienen, was mich ein wenig an das schwimmende Klassenzimmer erinnert.

Taxifahren in Kambodscha

Mit dem Amok-Taxi nach Poipet

»Du, ich fühl mich grad wie in ´nem Agentenfilm«, entfährt es mir. Annettes Blick bestätigt dies. Nur wenige Sekunden zuvor hatten wir noch geschlafen. Dann reißt und der Taxifahrer im offensichtlichen Amok-Taxi mit einer scharfen Lenkbewegung in die rüttelnde Realität zurück. Nur im Augenwinkel meinte ich gesehen zu haben, wie er am Umfahrungsschild einer gesperrten Brücke vorbei raste. Oben angekommen, knallt der marode Brückenstahl mehrmals unter den Reifen, während ein entgegenkommender Kradfahrer sein Motorrad scharf an die Seite lenkt. Die Rückfahrt vom Tonle Sap hatten wir uns wahrlich anders vorgestellt.

Einige Meter links von uns entdecke ich einen Geländewagen. Also habe ich mich nicht getäuscht. Wir fahren tatsächlich über eine einsturzgefährdete Brücke! Zeit zum Nachdenken bleibt jedoch auch keine, denn schon sind wir auf der anderen Seite der Brücke angekommen und schert unser Fahrer ein zweites Mal scharf nach rechts, um der Absperrung der anderen Seite auszuweichen...

Sicher war gestern. Als uns Samit abends zuvor das Taxi besorgte, gab er uns einen Zeitplan mit, wann wir wo sein sollten. Außerdem wollte er unterwegs mehrmals anrufen, um zu sehen, ob er die Pausen unseres Reisebusses verlängern muss, sodass wir gleichzeitig mit diesem an der Grenze in Poipet ankommen. Diese Mühe hätte er sich sparen können.

Zwar sind wir nicht 8 Uhr 40, sondern erst kurz vor 9 Uhr beim Princess Angkor Hotel abgefahren. Anstatt der geplanten drei Stunden und zwanzig Minuten hat unser Taxifahrer jedoch nur zwei und eine Dreiviertel Stunde für die Fahrt gebraucht. Zum Vergleich: Die Busfahrt dauerte bei der Rückfahrt viereinhalb Stunden. Für die Hinfahrt haben wir sogar über fünf Stunden bis nach Siem Reap gebraucht.

So ist Taxifahren die bessere und weniger zeitraubende Alternative. Tatsächlich gibt es in Kambodscha zwei Arten von Taxi: zum einen die normalen Taxis, aber auch die Schnelltaxis. Diese sind schwarz und leicht am fehlenden Kennzeichen zu erkennen. Außerdem ist das Lenkrad rechts. Das heißt, diese Fahrzeuge fahren ohne Versicherung und wurden, wahrscheinlich, in Thailand geklaut. Vorteil gegenüber dem Bus jedoch war, dass die Klimaanlage im Taxi funktionierte, auch wenn die vielen ruppigen Schläge auf der immer noch nicht asphaltierten Straße Annette derart auf den Bauch schlugen, dass sie sich abschnallen musste.

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