Rund um den Altstädter Marktplatz

Nach unserer Ankunft in Polens Hauptstadt erleben wir im historischen Zentrum, mit dem Altstädter Marktplatz, dem Altstadtring und der Barbakane, die erste schöne Überraschung unserer Städtereise. Denn auch wenn die Deutsche Wehrmacht das historische Zentrum von Warschau im August 1944 mit unzähligen Sprengungen dem Erdboden gleich gemacht hatte, opferten viele Warschauer schon kurz nach der Befreiung ihre freie Zeit, um die Gebäude im alten Stil wieder aufzubauen. Gleichzeitig sammelten die Bürger in ganz Polen Spenden, um die Kulturdenkmäler zu rekonstruieren. Bis zum Jahr 1963 entstand so die vielleicht jüngste Altstadt der Welt.

Spaziergang durch das historische Zentrum der Stadt

Vom Hotel Europejski in der Krakowskie Przedmiescie, oder einfacher: am Königlichen Weg, aus aufgebrochen, sehen wir schon von Weitem die 30 Meter hohe Zygmuntsäule. Die barocke Säule ist das älteste Denkmal von Warschau und zählt zu den Wahrzeichen der Stadt. Seit 1644 schaut das steinerne Abbild von Sygmund III. auf die »Krakauer Vorstadt«. Zurecht, war es doch Sygmund III., der die Hauptstadt im Jahre 1596 von Krakau nach Warschau verlegt hatte. Nur fünf Jahre nach ihrer Zerstörung im Jahr 1944 wurde sie bereits 1949 nur einen Katzensprung von ihrem ursprünglichen Standort neu errichtet. Seitdem gilt sie auch als Symbol für den Wiederaufbau Warschaus.

Rendezvous an der Zygmuntsäule

Eine Warschauer Tradition verlangt heute von frisch verliebten Paaren, dass sie sich für das erste Rendezvous an der Zygmundsäule verabreden. Zum lebhaften Treiben auf dem Platz rund um dem Denkmal tragen außerdem Inliner, Skater, Kinder, Eltern und Rentner sowie Touristen bei. Davon wiederum werden Blumen- und Souvenirverkäufer angelockt, die auf ein paar Euros hoffen.

Insbesondere für die sportlichen Aktivitäten gilt dies aber nur, solange ausreichend Platz vorhanden ist. Denn leider engen die Menschen auch hier ihren Bewegungsfreiraum immer stärker ein, indem sie jeden erdenklichen Flecken mit Fahrzeugen voll stellen. Hier können wir wohl nur hoffen, dass die Warschauer Möglichkeiten finden, diese weltweit verbreitete Unsitte abzustellen.

Altstädter Marktplatz oder Altstadtmarkt

Einen Steinwurf weiter passieren wir zum ersten Mal den Schlossplatz mit seinem roten Pflaster. Von dort gelangen wir über die Świętojańska, eine der geschäftigsten Straßen Warschaus, zum Rynek Starego Miasta, dem Altstädter Markt oder einfach nur Altstadtmarkt.
Einige Wohnhäuser wurden im 18. Jahrhundert im barocken Stil umgebaut und so durch den Maler Bernardo Bellotto alias Canaletto in zahlreichen Gemälden verewigt. Unwissentlich schuf der aus Venedig stammende Künstler damit wertvolle Vorlagen für den Wiederaufbau.
Nach ihm boten noch bis zum Jahr 1915 Händler Obst und Gemüse, Eier und Fleisch, Stoffe und Kleider auf dem Marktplatz feil. An die alte Zeit erinnert heute die alte Wasserpumpe des Marktes.

Nach dem Ende der Sowjetzeit hat sich der Altstädter Marktplatz zum touristischen Mittelpunkt Warschaus entwickelt. Hier hoffen Künstler auf eine Spende für ihre Darbietung und laden Straßencafés zum italienischen Espresso ein. Zu den Höhepunkten zählen die Jazzkonzerte unter freiem Himmel.
Unter den Gästen dürften die Einheimischen allerdings meist in der Unterzahl sein. Verrät doch ein Blick in die Speisekarte, wie gut sich die Restaurants dem Niveau der alten EU-Länder angepasst haben. Mit anderen Worten: hier finden wir Preise wie daheim.

Die Warschauer Sirene

In der Mitte des Marktplatzes treffen wir auf die Wappenfigur Warschaus, die Warschauer Sirene (Warszawska Syrenka) oder auch Warschauer Seejungfer. Der Legende nach ist sie zusammen mit ihrer Schwester aus der Tiefe der Ostsee empor gestiegen. Während ihre Schwester jedoch den Weg Richtung Dänemark einschlug, ist sie über Danzig die Weichsel hinauf geschwommen und soll den Fischern den Fang verdorben haben, indem sie die Fische aus den Netzen befreite.
Ein Kaufmann schließlich dachte, mit der Nixe auf den Jahrmärkten bequem einen Reibach machen zu können. Durch eine List schaffte er es, die Schönheit einzufangen, bevor er sie, fern vom Wasser, in einen Schuppen einsperrte.
Dort hörte ein Bauernjunge die Sirene klagen und beschloss, sie mit Hilfe seiner Freunde vor dem Kaufmann zu retten. Im Gegenzug versprach die Sirene, auch ihnen zu helfen, sollten sie in Gefahr geraten.
Leider wurde die 1855 durch Konstantin Hegel aus einer Zinklegierung gegossene und ab 1928 an verschiedenen Orten in der Stadt aufgestellt Figur immer wieder Opfer von Vandalismus. Um die Originalskulptur außerdem vor Wettereinflüssen zu schützen, wurde 2008 eine Replik angefertigt, welche das von uns fotografierte Original seit dem 1. Juni desselben Jahres ersetzt.

Die Bürgerhäuser der Ryneks

Wer sich nicht damit begnügt, oberflächlich an den Souvenirständen vorbei zu trödeln, um schließlich in einem der Cafés zu stranden, dem öffnet sich nach einer ersten Orientierung der Blick für die Bürgerhäuser der Ryneks. Auch wenn sich die prächtig geschmückten Gebäude eng an eng schmiegen und dem Auge ein harmonisches Bild vermitteln, so erscheint doch jedes durch seine bunte Bemalung, den verschiedenen Stuckaturen und Accessoires einzigartig. So finden wir tanzende Jünglinge im barocken Stil, einen Löwenkopf, der aus einer Wand schaut, und einen kunstvoll geschmiedeten Drachen, der über dem Eingang vom Haus »Zum Basilisken« (Pod Bazyliszkiem) wacht.

Die Barbakane auf dem Altstadtring

Vom Altmarktplatz aus kommen wir durch die Nowomiejska zur Barbakane, einer Wehranlage aus dem 16. Jahrhundert. Im späten Mittelalter diente die vorgelagerte Festung noch zur Verstärkung des Stadttores. Mit solchen Anlagen versuchten die Menschen, den in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts aufkommenden Feuerwaffen etwas entgegenzusetzen. Anders als bei den bis dahin üblichen Torzwingern war diese nicht mit der Ringmauer verbunden. Dafür besaß sie einige Aussparungen für die darin installierten Kanonen. Heute wird die Warschauer Barbakane gerne von Händlern genutzt, welche ihre Souvenirs in den düster wirkenden Nischen zu verkaufen suchen.

Denkmal des Kleinen Warschauer Aufstands

Biegen wir vor der Barbakane rechts ab und folgen der Stadtmauer (Mury miasta), so gelangen wir nach einer Linksbiegung zum Denkmal der kleinen Aufständischen. Mit diesem Denkmal erinnern die Warschauer an die Kinder, welche den Warschauer Aufstand 1944 unterstützt hatten. Sie dienten vorrangig als Kuriere, um die Bewegungen der Besatzer oder die Ankunft der von den Kämpfern dringend benötigten Munition anzukündigen.

Etliche dieser Kombattanten verschanzten sich aber auch mit Granaten und Gewehren bewaffnet hinter Barrikaden oder warfen mit Benzin gefüllte Kanister gegen deutsche Panzer. Geschätzt zwei- bis dreitausend Kinder im Alter unter 15 Jahren hatten sich den Kämpfen angeschlossen. Oft taten sie dies sogar gegen den Protest der polnischen Kämpfer. Auch in der Zivilbevölkerung prangerten etliche den Einsatz von Kindern im Krieg an.

Jan-Kilinski-Denkmal

Wenige Meter weiter treffen wir auf das Jan-Kilinski-Denkmal, welcher als Oberst im Warschauer Aufstand 1794 gegen die Russen gekämpft hat. Die Straße zwischen den beiden Denkmälern, die Rycerska, war übrigens vom 18. Jahrhundert bis Anfang des 20. Jahrhunderts das Rotlichtviertel der Stadt.

Frauen, welche hier ihre Liebesdienste anbieten, haben wir zwar nicht gesehen. Einen leicht verruchten Eindruck aber strahlt dieser Bereich der Altstadt auch heute noch aus. Hinzu kommt der dichte städtische Verkehr, der hier bis an die Altstadtmauer heranreicht und ebenfalls nicht zum längeren Verweilen einlädt.

Kutschfahrt durch die Altstadt

Eine Kutschfahrt durch die Gassen Warschaus ist sicherlich eine der schönsten Möglichkeiten, das Ambiente sowohl der Alt- als auch Neustadt zu genießen. Sicher, das Vergnügen ist - vor allem, wenn man bei einem Kutscher vorher fragt, wie viel er will, und dann beim anderen ungefragt mitfahren muss - nicht ganz billig. Die Blicke der Straßencafé-Touristen sind einem dafür aber gewiss. Außerdem geben sich die Kutscher trotz ihrer geringen Deutschkenntnisse große Mühe, einem die Sehenswürdigkeiten der Stadt nicht nur zu zeigen, sondern auch zu benennen.

Leider verwandelte sich die Innenstadt während unseres Besuchs zu einem Hochsicherheitstrakt für EU-Ratsmitglieder, die in Warschau anscheinend irgendwas Wichtiges zu besprechen hatten. Deswegen waren bereits weite Teile der Altstadt - rund um den Schlossplatz - abgesperrt. Die Kutschfahrt beschränkte sich daher zwangsläufig auf die wenigen freien Bereiche im touristischen Zentrum von Warschau.

Nach unserem Start auf dem Altmarktplatz fahren wir unter den aufmerksamen Blicken der Passanten durch die Piekarska zur Stadtmauer und biegen Richtung Barbakane ab. Kurz nach dem Denkmal des »Kleinen Aufstands« bringt uns der Kutscher in die Neustadt, wo er uns das Geburtshaus von Marie Curie zeigt. Nach einem kleinen Rundparcours durch die Neustadt - auch hier lassen Absperrungen und schwer bewaffnete Sicherheitskräfte immer wieder mal erraten, wo sich die politisch bedeutsamen Gebäude befinden - kommen wir an der Marienkirche vorbei und halten wenige Meter danach an einem Aussichtspunkt, von dem wir über die mehrspurige Wybrzeze Gdankie, eine der Hauptverkehrswege in Warschau, hinweg einen Blick auf die Weichsel werfen können. Dann geht es auch schon wieder zurück und nach wenigen Minuten endet unsere »große Rundfahrt« auf dem Altmarktplatz.

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