In den ersten Monaten mit Minka kam es immer wieder vor, dass sie verschwunden war. Wo die Katze hin ist, wussten wir nicht, vermuteten aber, dass es in unserer Gegend noch irgendwo eine andere Familie geben muss, bei der sie ab und zu übernachtet. Sie war einfach ein, zwei Nächte weg und kam dann scheinbar halb verhungert wieder. Oder sie hat mitten in der Nacht vorm Haus gejault. Das war für mich schlimm, weil Annette keine Ruhe fand (und findet), wenn Minka abends nicht daheim war. Und ich finde keine Ruhe, wenn sich Annette Sorgen macht.
Sie am späten Abend zu suchen, aber blieb meistens erfolglos. Erst als wir kurz vor einer unserer Reisen überlegten, sie für zwei Wochen in eine Tierpension zu bringen, sprach mich eine Oma von schräg gegenüber an, ob Tanjas Katze unsere Katze sei? Eigentlich nicht, aber eben diese galt es, so bald wie möglich aufzusuchen.
Am nächsten Abend standen wir mit klopfendem Herzen vor dem beschriebenen Haus. Da also sollte sich Minka aufhalten, wenn sie nicht bei uns ist. Wir machen es kurz: Tanja ist nur ein Jahr jünger als Annette, ihr Mann (Andreas) etwas älter als ich. Beide sind sie tierlieb und sorgen sich um drei weitere Katzen, und ein paar Kaninchen, ein Aquarium...
Viel wichtiger aber ist, dass dort auch mehrere Nachbarn ein und aus gehen und sich in Tanjas Küche wohl fühlen. Dadurch hat uns Minka ungewollt eine ganze Reihe neuer Freundschaften beschert, bevor sie selbst etwas dumm aus dem Fell geguckt hat, als sie uns dort das erste Mal sah. Ihr Doppelleben war entlarvt.
Katzen sind neugierig. Weil das so ist, müssen sie immer schauen, was es in der Nachbarschaft Neues gibt. Besonders spannend ist es also für Minka, wenn in unserer Straße jemand einzieht. Das heißt, wenn eine Wohnung in unserer Nähe leer wird, müssen wir aufpassen. Andernfalls kann es passieren, dass Minka nicht versehentlich in einem Schranke oder Umzugskarton nach München, Düsseldorf oder sonst wohin reist. Mit anderen Worten: wenn Nachbarn ausziehen, hat Minka Stubenarrest.
Bei Einzügen hatten wir hingegen keine Gefahr gesehen. Was wir nämlich nicht bedachten: Für Minka ist es irre aufregend, ständig zwischen draußen und drinnen hin und her zu wechseln. Besonders gut geht dies, wenn Handwerker im Haus sind - oder Kisten und Möbel ins Haus geschleppt werden.
So also schleicht sie sich mal mehr mal weniger beachtet in die Wohnungen, schaut, was geht und ob sich irgendwo ein Karton erobern lässt, bis - ja bis auf einmal eine Jugendliche schreit, als sie sich auf ihr Bett setzt und ein wilder Tiger zu ihr hinauf springt.
Minka lässt sich davon nicht beeindrucken. Schließlich sind Menschen und insbesondere Frauen dazu da, Katzen zu streicheln. Anstatt vor dem Schrei verschreckt wegzurennen, fordert sie also ihre Streicheleinheiten ein, bevor sie es sich auf dem Bett gemütlich macht und sich schnurrend einrollt. Dies war für die neue Nachbarin die einzige reelle Chance, klare Verhältnisse zu schaffen und Minka an der Ausweitung ihres Reviers zu hindern. Nun ja, vielleicht hätte es die junge Frau schon vorher wissen sollen...
Als unsere Katze noch jung war, erkundete sie mit jedem Tag neue Orte in ihrer Umgebung. Dabei blieb es natürlich nicht aus, dass sie hin und wieder in ein Fettnäpfchen trat. Einmal tat sie dies sogar im wörtlichen Sinn. Wo sie war und was sie genau getrieben hatte, haben wir nie erfahren. Wohl aber sahen wir das Ergebnis: eine Katze mit reichlich Schmieröl in ihrem Fell.
Es war das erste Mal, dass Minka unfreiwillig duschen ging. Begleitet wurde dies von einem herzzerreißenden Katzengeheul, das uns in der Seele schmerzte ihr offensichtlich in Erinnerung blieb. Denn zum einen kam sie nie wieder mit Öl verschmiertem Fell nach Hause. Vor allem aber mied sie es, in das für die Dusche genutzte Waschbecken zu treten. Alle waren zufrieden.
Gerne hätte es so bleiben können. Einige Jahre - aus Minkas Sicht Jahrzehnte - später fiel uns wieder ein öliger Fleck im Fell auf. Weil er nicht sonderlich groß war und sich auch nicht wie Schmieröl anfühlte, beließen wir es dabei. Vier Wochen später war sie wieder ölig. Diesmal war das Fell im ganzen Nacken davon betroffen. Klarer Fall: das musste weg. Im nächsten Augenblick waren wir dann auch schon alle drei im Bad versammelt.
Wir wussten noch, dass wir Minka das letzte Mal im Waschbecken geduscht hatten. Offenbar konnte aber auch sie sich bestens daran erinnern. Die Katze in dem Becken zu halten, scheiterte jedenfalls im Ansatz. Zum Glück gibt es ja noch die Dusche! Hier hatte Minka ausgespielt. Fest im Griff musste sie nun die lauwarme Dusche über sich ergehen lassen.
Anstelle des bekannten Jammerns schallte uns nun ein ausgewachsenes Katzengeheul entgegen. Immer wieder versuchte Minka, sich mit ihren Vorderbeinen aus der Dusche zu ziehen. Und mehrmals sahen wir uns gezwungen, sie loszulassen. Zu groß schien uns die Gefahr, dass sie sich bei ihrem Protest eine Kralle rauszog oder sonst etwas tat.
Nach einer endlos erscheinenden Viertelstunde, fünfmal in die Duschwanne zurücksetzen und zweimal Schamponieren und Ausspülen stand Minka triefnass vor dem Katzenklo. Schlank wie seit Jahren nicht mehr und mit einem Blick, als hätte sie ein Gewitterschauer die Straße herunter gespült, tat sie uns nur noch leid.
Vom Öl aber hatten wir sie befreit, sodass als Nächstes ein Stapel Handtücher seinen Dienst verrichtete. Endlich legte sich die Aufregung und fanden wir Zeit, unsere Nachbarn anzurufen. 'Ob sie das Öl bemerkt hätten?' Ja. Minka hatte bei ihnen einen Stall voll Zecken abgeliefert. Um weiteren Biestern vorzubeugen, hatten sie unserer armen Katze ein Abwehrmittel in den Nacken geschmiert ...