943 King's Cross Harry Potter Cafe

Putenkeule oder Feuerfleisch? Essen in Korea

Zum Kaffee parken wir den Besen vor der Tür und kehren im 943 King's Cross ein, dem Harry Potter Cafe von Seoul. Wer in der Millionenstadt guten Kaffee trinken will, findet diesen an jeder Ecke. Die Koreaner sind verrückt nach dem Gebräu und haben ihr Land in ein Paradies für sämtliche Kaffeehausketten verwandelt. Wer etwas von sich hält, sollte freilich all diese schnöden Ketten meiden und sich die kleinen privaten Cafés gönnen. Oder er geht, wie wir, in das Harry Potter Cafe. Das Café liegt etwas versteckt in den Gassen von Hogsmeade, Entschuldigung, Hongdae. Doch irgendwie finden wir nach dem ersten Besuch immer wieder in die düsteren, märchenhaften Räume mit dem magischen Spiegel Nerhegeb. Im Original heißt der Spiegel »Mirror of Erised«. Der Sinn der deutschen Übersetzung wird erst deutlich, wenn man beide Namen rückwärts liest. Aus dem Englischen »Desire« wird dann »Begehren«.

Gut, wer einen Blick in das eingerollte Pergament mit dem Speise- und Getränkemenü wirft, fühlt sich übers Flohnetzwerk nach London versetzt. Das gilt auch für das Preisniveau, soll heißen: das King's Cross ist für die Kreditkarte so etwas wie eine heulende Hütte. Heulen tut allerdings auch so manch eine Kundin, welche lediglich zum Fotografieren hineinschleicht, erwischt und prompt vor die Tür gesetzt wird. Wir geben die Bestellung auf und lernen sogleich den typischen koreanischen Service kennen. Mit einem Pager in der Hand können wir uns einen Platz in einer der thematisch unterschiedlich gestalteten Gaststuben suchen. Weit weg von der Kundschaft kreiert das Personal Kaffee und Kuchen auf dem Tablett. Das war es dann auch schon. Irgendwann scheppert der Pager, ich hole unseren Nachmittagskaffee ab und laufe damit den langen Weg durchs Treppenhaus bis zurück an unseren Platz im Festsaal. Wie oft den Gästen hier wohl etwas zu Boden fällt? Doch Bedienen wird völlig überbewertet. Auch bei den gehobenen Preisen im Harry Potter Cafe King's Cross.

Das Drachenmenü im 943 King's Cross

So sitzen wir in einem Sessel, der sich jeden Moment zurück in Professor Slughorn verwandeln könnte. Oder auf einer Chaiselongue, deren Federn sich zweifelsohne verhext anfühlen. Aber es ist richtig schön hier. Im Hintergrund dudeln Lieder aus den Harry Potter Filmen, mal traurig-tragend, dann wieder fröhlich oder spannend-unheilvoll. Der ein oder andere Gast läuft mit einem Hogwarts-Umhang durch den Saal, während andere mit dem Sprechenden Hut auf dem Kopf auf ihre Zuweisung zu einem der vier Häuser der Schule für Hexerei und Zauberei oder sonstige kluge Sprüche warten. Wir genießen die Ruhe und beobachten das Treiben um uns herum.

Das 943 King's Cross hat sich inzwischen zu einem kleinen Instagram Spot gemausert. Eigentlich wäre das ein Grund für uns, einen Bogen drumherum zu machen. Doch wir erwischen wohl immer die ruhigeren Zeiten. Auffallend jedoch ist zu jedweder Zeit der gewaltige Frauenüberschuss. Vielleicht trifft das Butterbier – ein tschechisches Kozel mit süßem Sahneschaum oben drauf – nicht ganz das, was Männer unter einem Bier verstehen? Die koreanischen Mädchen kommen jedoch bestens präpariert mit Lockenwickler im Pony ins Café. Somit besitzt die Haarpracht für das gewünschte Selfie das nötige Volumen. Ist das Bild im Smartphone, nimmt der Wickler wieder seinen angestammten Platz im Haar ein. So kann er schon nicht verloren gehen.

Bleibt die Frage, warum ich meinen Mann immer so einfach in das 943 King's Cross bekomme? Weil er in Korea unter chronischem Magenknurren leidet. Er hat immer Hunger. Da kommt ihm so eine Putenkeule vom Drachenmenü ganz gelegen. Während ich mich also an das Gemüse halte, knabbert er mit Freuden das Fleisch von Knochen und Sehnen. Danach noch ein Butterbier mit Zimt und wir sind beide glücklich.

Bulgogi – das Feuerfleisch der Koreaner

Natürlich probieren wir bei Hongdae auch das koreanische Essen. Von anderen wegen der extremer Schärfe mancher Gerichte vorgewarnt, lassen wir Vorsicht walten. Doch schon am ersten Abend fallen uns die Restaurants mit den Tischgrills für das typische Bulgogi, dem Feuerfleisch, auf. Manche bereiten die glühende Kohle draußen auf der Straße vor und lagern jene eben dort. Also Augen auf, sonst kann es brenzlig werden. Bei einigen Restaurants wundern wir uns, dass unterm Dachüberstand Wartebänke voll besetzt sind. Wenn es ums Essen geht, beweist so manch ein Koreaner eine Engelsgeduld. Und wird ein Restaurant gut geheißen, so kann man schon mal eine ganze Weile auf einen freien Platz warten.

Ein Kongbul-Bulgogi schmeckt sicherlich auch

Wir sind da eher pragmatisch. Woanders schmeckt es sicherlich auch. Wir halten uns an die Gastwirte, die uns freundlich zuwinken. Mag in so manchen Ländern vielleicht doof sein, führt in Korea aber zum Erfolg. So winkt uns eine Frau im Kongbul-Restaurant, in der 35 Jandari-ro 6-gil, lächelnd zu, dass wir uns beim zweiten Vorbeilaufen für eines ihrer Kongbuls entscheiden. Kongbul ist ein Sojasprossen-Bulgogi, ein modernes koreanisches Gericht. Da wir keine Ahnung haben, was wir bestellen und was wir bekommen, vertrauen wir dem freundlichen Lächeln, das bereits versprochen hat, für uns weniger scharf zu kochen.

Nach kurzer Zeit stehen Reis, eine Suppe und lauter Tellerchen mit kleinen Portionen Gemüse, Salate und Obst vor uns. Ein Wok voll mit frischen Sojasprossen, dünn geschnittenem Fleisch, Tintenfisch und Krabben folgt. Alles ist roh und wird direkt am Tisch gekocht. Natürlich hilft uns die Bedienung, welche mit einer Schere fröhlich die Tintenfische klein schnibbelt. Wenn alles fertig ist, folgt nur noch das Kommando »eat!« und das Schlemmen kann beginnen. Aber womit? Ah ja, die Metallstäbchen liegen griffbereit in der Besteckschublade unter der Tischplatte. Wie praktisch!

Das Kongbul ist wirklich lecker. Es hat eine kleine scharfe Note, ist ansonsten aber einfach gut würzig. Die Sojasprossen haben die Konsistenz von Nudeln, sodass auch Europäer diese gut mit den Stäbchen zu fassen kriegen. Kongnamul-bulgogi ist eine modernere Version des klassischen Bulgogi. Es schmeckt uns so gut, dass wir drei Wochen später, am Ende unserer Reise nochmals in das quirlige Hongdae fahren, um dort Essen zu gehen. Und die Wirtin erkennt uns sogar wieder und freut sich so sehr, dass Lars noch eine zusätzliche Portion Hähnchenfleisch bekommt, um dann auch mal wirklich satt zu werden.

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