Die Lower East Side sowie ganz New York liegen mit Madrid auf einem Breitengrad. Die feuchte Meeresluft und vorherrschenden Nordostwinde vom Atlantik bescheren der Stadt jedoch fast doppelt so viel Regen und Schnee wie London. Auch wir erwischen einen der vielen Regentage. Und wenn es in New York regnet, scheint kein Ende in Sicht. Für solch Tage werden gerne Museumsbesuche empfohlen.
Tatsächlich nutzen viele Touristen die Regentage dazu. Insbesondere im Metropolitan Museum of Art schieben sich dann gewaltige Besucherströme durch die Ausstellungsräume. Wer bereits eine Nilkreuzfahrt in Ägypten miterlebt hat, wird für eine solche Sammlung fern ab von Ägypten indes wenig Begeisterung verspüren. Warum auch sollte ich Schätze aus aller Welt betrachten, wenn ich in New York bin?
Also fahren wir erst einmal zur Lower East Side. Leider schüttet es auch dort, was nur geht. Zeit für Plan B: wir laufen schnurstracks zur Patisserie Ceci-Cela gegenüber der Subway Station und starten die Tour mit einem ordentlichen Frühstück.
Die schon von außen angenehm aufgemachte Patisserie empfängt uns auch im Innern mit einem französischen Flair, bei dem wir uns auf Anhieb wohl fühlen. Dazu leckere Croissants und kleine Bäckereien – perfekt, um auf besseres Wetter zu warten.
Von der Menge an Milchkaffee, die wir in der nächsten Dreiviertelstunde Schlückchen für Schlückchen nippen, bleibt der Regen leider unbeeindruckt. Als wir uns schließlich doch wieder auf die Straßen wagen, wird unsere Hoffnung auf Besserwetter nur allzu bald im Platzregen ertränkt. Wir stehen vor Katz's Delicatessen und flüchten erneut ins Trockene. Da unser Frühstück kaum im Magen angelangt ist, begnügen wir uns mit etwas zum Trinken und versuchen, die Atmosphäre zu greifen. Immerhin entstand hier eine der berühmtesten Filmszenen der späten 80er Jahre.
Der Satz »I’ll have what she’s having« hat es auf Platz 33 der 100 besten Filmzitate aus US-Filmen geschafft. Einzig Lars kann mit dem Restaurant nur wenig anfangen. Erst, als wir später wieder in Deutschland sind, fragt er: »Warum haben wir eigentlich das Harry und Sally-Restaurant ausgelassen?« Ähm ja, eigentlich müsste er wissen, dass mich die hoch gepriesene Spezialität des Katz' – viel zu dick belegte Pastrami-Sandwiches – in kein Restaurant locken könnte. Hätte er doch nur nach oben geschaut. Wir hatten zufällig einen Tisch gleich neben dem berühmten Filmtisch gewählt, sodass das Hinweis gebende Schild zum Greifen nahe von der Decke hing. Ja, so ist er halt.
Es ist bald Mittagszeit, womit es im Katz's Delicatessen zusehends voller wird. Zu den Pastrami-Sandwiches testenden Touristen mischen sich nun auch New Yorker, allerdings in eher bescheidenem Rahmen. Wir geben den Platz frei und spazieren weiter durch den Regen bis zum Essex Street Market. Die Geschichte des Marktes beginnt um 1900, als vier Händler aus der Hester Street mit ihren Marktwägen den ersten Open-Air-Markt von New York gründeten. Nach und nach gesellten sich weitere Verkäufer hinzu. Nach 17 Jahren waren über 6000 Händler dort anzutreffen.
Durch die damals schlechte Arbeitslage wechselten immer mehr Menschen in den Verkauf. Die Standgebühr von einem Dollar pro Woche stellte für die meisten keine wirkliche Hürde dar. 1934 wollte der neue Bürgermeister, Fiorello LaGuardia, die Straßen schließlich wieder von den vielen Marktständen befreien. Er versprach, einen überdachten Markt zu bauen, wo alle Händler unterkommen sollten. Offizielles Ziel war es, wieder Ordnung ins Viertel zu bringen. Wir halten es aber genauso gut für möglich, dass er während seiner Marktbesuche einfach zu oft nass wurde.
Rundgang durch den Essex Street Market
1940 wurde der Essex Street Market mit 475 Marktständen in vier neuen Gebäuden eröffnet. Händler aus verschiedensten ethnischen Herkünften fanden hier einen neuen Marktplatz. Während der Nahrungsmittelknappheit in den 1940ern war der Essex Street Market ein wichtiger Handelsplatz mit koscheren Nahrungsmitteln. Später entwickelte sich der Markt zu einer Ansammlung von Delikatessengeschäften.
Das ist er noch heute. Die Marktstände wirken in dem alten Gemäuer sehr urig. Leider sind die Tage in retro gezählt. Schon 2018 wird im Gebäude direkt gegenüber eine neue, moderne Markthalle eröffnet. Hier werden die Marktstände ein neues Zuhause finden und eine neue Ära des Essex Street Market begründen. Hoffentlich dann weiterhin ohne weltweit prosperierende Kaffeehauskette.