Ausflug zum Pilgerort Rocamadour

Pilgerort in den Midi-Pyrénées

Am nächsten Morgen brechen wir in aller Herrgottsfrühe auf. Wieder fahren wir in Richtung Norden der Midi-Pyrénées, diesmal nach Rocamadour, einem auf dem französischen Jakobsweg gelegenen Städtchen. Glauben wir unserem Reiseführer, fallen oft ganze Heerscharen an Touristen über den Pilgerort herein. Da ist es angenehmer, den Besuch in die Morgenstunden zu legen. Unsere Fahrt führt über die trockene Causse de Gramat. Kaum ein anderes Auto ist hier unterwegs.

Dafür jedoch ein edles, schwarzes Pferd, welches Lars einen Riesenschrecken einjagt, als es plötzlich am Straßenrand auftaucht. Und das nach einer Nacht, in der er anstatt ins Bad beinahe aus dem Zimmer gelaufen wäre, weil er sich in der Tür geirrt hatte. Wie oft wohl Hotelgäste unversehens nackig auf dem Flur stehen? Aber alles ist gut und wir kommen nach einer knappen Dreiviertelstunde in Rocamadour an.

Wir wählen den oberen Parkplatz beim Château. Dieser ist riesig und außerdem »gratuit«. Zudem ist der Parkplatz am frühen Morgen so gut wie leer und kommen wir pünktlich zur Öffnungszeit vom Café du Château an. Ganz ohne Frühstück wollen auch wir nicht auf Entdeckungstour gehen.

Allerdings ist das mit den Franzosen und ihrem Frühstück immer so eine Sache. Mit einem Milchkaffee samt Schokocroissant ist es schwierig, einen Larsi glücklich zu machen. Noch schwieriger freilich ist es, in dieser Gegend ein Schinkenbrötchen aufzutreiben.

Nachdem wir uns halbwegs gestärkt haben, steigen wir den Kreuzweg gleich neben dem Château hinab. Entlang der teilweise überhängenden und hohen Felswand bieten sich uns immer wieder wunderschöne Ausblicke auf das Château und das Dorf.

Im Quercy gibt es einen alten Spruch, der besagt: »Die Häuser über'm Bach, die Kirche über den Häusern, die Felsen über der Kirche und die Festung über den Felsen.« Zu keinem anderen Dorf passt diese Redewendung besser als zu Rocamadour.

Entlang des Kreuzwegs passieren wir mehreren Kapellen, die in natürliche Felshöhlen hineingebaut wurden. Die oberste besitzt gigantische Ausmaße. Leider versperrt ein schmiedeeisernes Gitter den Zugang und muss die Decke von Säulen gestützt werden.

Die Felsenkirche dient als 14. Station des Kreuzweges, bei dem der heilige Leichnam Jesu in das Grab gelegt wird. Von hier folgen wir den Serpentinen nach unten zur Porte Saint Martial, den Eingang zu den Sanktuarien.

Sanktuarien und die Basilika Saint-Sauveur

In den Sanktuarien von Rocamadour geht es am frühen Vormittag noch beschaulich, fast besinnlich zu. Nur eine Handvoll anderer Besucher begegnet uns und auch nur ein paar wenige Priester spazieren durch den Innenhof. Über dem Gemäuer schwirren lärmende Mauersegler. Kein Wunder, das Felsendorf bietet den Akrobaten der Lüfte reichlich Nistplätze. In den Sanktuarien selbst sind sieben heilige Stätten untergebracht. Die größte davon ist die Basilika Saint-Sauveur. Das Allerheiligste indes ist die Kapelle Notre-Dame, die Wunderkapelle.

Im 15. Jahrhundert ereignete sich an dieser Stelle ein verheerender Felssturz. Bei der Bezeichnung als »Wunder« möchte man meinen, der Felsen habe die Kapelle um Haaresbreite verfehlt. Tatsächlich hat der tonnenschwere Brocken die Kapelle mit einem Schlag platt gemacht. Nach dem Felssturz ließ der Bischof von Tulle die Kapelle im spätgotischen Stil wieder aufbauen. Danach wurde sie noch zweimal während der Religionskriege und der Französischen Revolution verwüstet.

Auch wenn die Wunderkapelle keine Schönheit ist, wird sie seit Jahrhunderten sehr verehrt. Grund ist die schwarze Madonnenstatue Notre-Dame-de-Rocamadour (Vierge Noir) aus dem 12. Jahrhundert. Wir finden die aus Holz geschnitzte Figur auf dem Altar der Kapelle Notre-Dame. Daneben lohnt sich der Blick zur Decke.

Dort hängt eine eher unscheinbare Glocke aus dem 9. Jahrhundert. Es heißt, sie hätte selbständig zu läuten begonnen, als Seefahrer in Seenot die Vierge Noir um Beistand anflehten, um dann wie durch ein Wunder gerettet zu werden. Untermauert wird diese kirchliche Überlieferung durch zwei Modellboote, die ebenfalls an der Decke hängen.

Den Pilgerort haben wir allerdings der Felsnische mit dem leeren Sarkophag neben der Kapelle Notre-Dame zu verdanken. Einer Legende nach fand man hier 1266 per Zufall den unverwesten Leichnam des legendären Einsiedlers Amadour.

Der Eremit soll einst der Zöllner Zachäus gewesen sein, der nach dem Tode Christi den Namen Amadour angenommen und als Einsiedler nach Gallien gekommen war. Er soll die Vierge Noir aus einem Baumstamm geschnitzt haben. Seit dem Fund des Leichnams wird der Ort »roc Amadour« genannt, der Felsen des Amadour.

Auch wenn inzwischen nachgewiesen ist, dass das Gnadenbild der Muttergottes sehr wahrscheinlich aus dem 12. Jahrhundert stammt, entwickelte sich Rocamadour zum Wallfahrtsort. Besonders im Mittelalter erlebten die Pilgerfahrten zur Vierge Noir einen Boom. Im 13. Jahrhundert wurde sie oft als eine verhängte Strafe von weltlichen Gerichten genutzt.

Den Büßer wurde damals aufgetragen, auf Knien die große Treppe zum Heiligtum bis zu einem Pranger hinaufzusteigen. Noch heute sehen Pilger den Aufstieg über diese 233 Stufen als schweißtreibende Bußübung – sie führen wirklich steil nach oben. Wir indes nutzen sie abwärts, um als nächstes das Dorf von Rocamadour zu besichtigen.

Spaziergang durch das weltliche Rocamadour

Gegen Mittag sind wir im weltlichen Rocamadour angelangt. Normalerweise beginnt man hier den Besuch des Felsendorfs, um als Bußübung die 233 Stufen hoch zum Heiligtum zu steigen. Sollten wir mal als Pilger hierher kommen, werden wir uns daran halten. Allerdings nur im Winter, denn auch im Spätsommer ist es viel zu heiß,

um vom Tal aus in die himmlischen Höhen vorzudringen. Hier, in der einzigen Gasse vom Dorf, strömen uns nun immer mehr Touristen entgegen. Auch eines der typischen Straßenbähnchen hat es inzwischen hierher geschafft. Der »Roc Amadour« verbindet wohl die weiter entfernten Parkplätze mit dem Ausflugsziel.

Wir genießen noch etwas die Atmosphäre in der gepflegten Gasse, welche ausschließlich aus Restaurants, Andenkenläden und kleinen Boutiquen besteht. Es ist das besondere Flair,

mit den hoch gelegenen Sanktuarien und dem Schloss im Hintergrund, welches die Besucher in ihren Bann zieht. Dadurch hat sich Rocamadour zur zweiten meistbesuchten Stätte Frankreichs, gleich nach dem Mont Saint-Michel, entwickelt.

Am Ende unseres Spaziergangs stellt sich die Frage, wie wir wieder zum Auto zurückkommen. Selbst in der schattigen Gasse ist es mittlerweile 36°C warm. Da kommt uns der Lift zu den Sanktuarien ganz gelegen. Vom oberen Ende des Lifts trennen uns wenige Schritte von der Zahnradbahn, die dann bis ganz nach oben zu unserem Parkplatz führt.

Bestens gelaunt und immer noch beeindruckt vom Gesehenen steuern wir unser nächstes Ziel an. Vorher aber warten wir noch geduldig, bis eine hübsche Reiterin ihr edles, wie auch ungestümes Ross wieder unter Kontrolle bringt. Auch dem Pferd ist heiß!

Video von Rocamadour

Rundgang durch das Felsendorf Rocamadour. Aufnahmen der Felsenkirche am Kreuzweg und der Sanktuarien mit der Wunderkapelle Notre-Dame und der Basilika Saint-Sauveur.

Kommentare und Rückmeldungen