Der Archäologische Park der San Agustin Kultur zählt zu den Highlights von Kolumbien. Das Weltkulturerbe der UNESCO ist die größte Nekropole der Welt. Somit ist San Agustin Ziel der meisten Rundreisen durch das Land.
Nach dem Frühstück fahren wir wieder hinab nach San Agustin und von dort gleich wieder bergan auf den nächsten Hügel bis hinauf zum Archaeological Park bzw. Parque Arqueológico de San Agustin. Vor Ort erwartet uns bereits ein Local-Guide. Jeder von uns bekommt einen hübschen kleinen Pass.
Der archäologische Park von San Agustin verteilt sich über mehrere Orte. Da ist es besser, wenn wir unseren Museumspass immer griffbereit halten. Der Eintritt kostet 25000 Peso. Angesichts der Größe und Wichtigkeit der Stätte empfinden wir das als recht günstig. Allerdings sind wir von anderen Ländern - allen voran unserer Rundreise durch Kanada - auch anderes gewohnt.
Wir starten unseren Rundgang mit dem Museum des Parks. Hier sind bereits einige der Statuen untergebracht, die normalerweise in die Megalithgräber gehören. So zumindest kennen wir uns von Hagar Qim und Mnajdra, zweier prähistorischen Kultstätten auf Malta Doch bevor Wissenschaftler und Forscher die Gräber unter Schutz stellen ließen, kam es zu allerhand Zerstörung.
Mal waren es Schatzsucher, die hofften, im Erdreich auf einen verborgenen Goldschatz zu stoßen. Oder die hier lebenden Familien stießen bei der Feldarbeit auf Steinfiguren und entwendeten sie als Schmuckstücke für ihre Häuser. Einige der Grabwächter dienten damit als Hof- und Eingangswächter.
Die San-Agustin-Kultur existierte bereits ab dem 33. Jahrhundert v. Chr. bis ins 16. Jahrhundert. Später, im 7. Jahrhundert v. Chr. wurde sie nach einer Unterbrechung wieder aufgenommen und fortentwickelt. 1756 wurden die Steinskulpturen erstmals durch den spanischen Mönch Fray Juan de Santa Gertrudis beschrieben. Sie geriet aber wieder in Vergessenheit.
1857 bekam der italienische Geograf Agostino Cadozzi über 20 Skulpturen zu sehen. Er ist zugleich der Namensgeber dieser Gegend. Seit 1995 erfolgte die Aufnahme der archäologischen Stätte auf die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes. Bis dato wird noch immer gesucht, gegraben und freigelegt. Dabei reicht das, was bisher gefunden wurde, bereits aus, um San Agustín zur größten Nekropole der Welt zu machen.
Die San-Agustín-Kultur ist noch älter als die der Inka oder der Mayas. Dennoch liegen der Verfall und das Ende der Kultur bis heute im Dunkeln. Für das Verschwinden der Kultur gibt es mehrere Theorien. Es können Epidemien oder ein heftiger Klimawandel durch einen Vulkanausbruch gewesen sein. Daneben gibt es noch eine ganz andere, wenn auch sehr weit hergeholte Theorie.
So halten es einige für möglich, dass sie allesamt von Außerirdischen abgeholt wurden. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass kriegerische Auseinandersetzungen mit Stämmen aus dem Amazonas-Raum das Schicksal der San-Agustin-Indianer besiegelten. Vielleicht hatten aber auch einfach die jungen Generationen schlichtweg keine Lust mehr, die aufwendige Begräbniskultur weiter zu betreiben.
Genug der Theorie, wir wollen die Megalithgräber sehen. Der Weg dorthin führt uns durch einen Wald sowie vorbei an einem Weg aus Steinplatten, der die antiken Wegenetze durch die Anden symbolisieren soll. Auch fallen uns kleine Fahnen und Bänder auf. Sie markieren die Stellen im Wald, an denen weitere Gräber auf ihre wissenschaftliche Untersuchung warten.
Für die Besucher ist natürlich ein bequemer Spazierweg durch die Grünanlage angelegt worden. Dieser führt uns an einer ersten Grabplatte vorbei, schnurstracks zum ersten, für Besucher zugänglichen Grabfeld. Dort angelangt, schauen uns dort die mystischen Gestalten grimmig entgegen. Setzen wir ihnen unseren Frohmut entgegen!
Allen Figuren der San-Agustín-Kultur gemein sind der große Kopf, eine breite Nase und große, oft mandelförmige Augen. Zudem sind sie allesamt geometrisch gestaltet. Die meisten haben gewaltige Reißzähne.
Bram Stoker hätte hier seine Inspiration finden können. Doch die Raubtierfänge deuten wohl weniger auf Vampire hin. Sehr wahrscheinlich wurden auf diese Weise die Zähne von Puma oder Jaguar dargestellt.
Es wird vermutet, dass die Stätte von San Agustin keinen Platz für Wohnsiedlungen bot. Es dürfte eine riesige Nekropole gewesen sein, in welcher verschiedene südamerikanische Ethnien ihre verstorbenen Stammesführer überführten und beisetzten. Die Darstellung übernatürlicher Wesen könnte aber auch auf Gräber von Schamanen, Geisterbeschwörern und Priestern hindeuten. Denn manche tragen einen riesigen Ohrschmuck, andere Waffen oder sonstige Geräte in der Hand. Was das alles bedeutet, ist Interpretationssache. So vermuten wir, dass eine Statue ein Kind auffressen will, während die Forscher davon überzeugt sind, es stelle eine Geburt dar.
Von den Grabfeldern führt ein Wanderweg hinab zum Fuente de Lavapatos. Die Fuente Ceremonial de Lavapatos oder einfach: der Lavapatos-Zeremonienbrunnen zählt zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten von San Agustín. Etwas oberhalb davon sorgt ein Kiosk für das leibliche Wohl der Besucher. Während das Gros unserer Gruppe bei ihrem Kaffee verweilt, schlendern wir zur Kaskade hinab. Der Guide zweier Kolumbianer erklärt uns die Besonderheiten. Denn das Bachbett des Lavapatos diente als zeremonieller Kultstätte zur Verehrung des Wassers. Sorgfältig wurden die dicken Granitfelsen zu Kanälen und Teichen umgeformt.
Gut zu erkennen ist eine Reihe geschnitzter Platten auf dem Grund der gleichnamigen Schlucht. Die Kanäle, die das Wasser bis zu drei Teichen führen, bilden Silhouetten von Schlangen und Eidechsen. Sie sind mit Schnitzereien von Menschen, weiteren Amphibien oder Amphibien verziert. Wir erkennen außerdem ein in den Stein gemeißeltes Eichhörnchen. Die Bilder daneben sollen eine weitere Geburt darstellen. Wir sind froh, auf die Pause verzichtet zu haben und sogleich ans Wasser gegangen zu sein. Denn um die Kultstätte richtig zu begreifen und die vielen Details im Bachbett zu entdecken, muss man sie eine Weile auf sich wirken lassen.
Leider sorgen Umwelteinflüsse dafür, dass der Fuente de Lavapatos langsam auseinanderfällt. Längst ist es verboten, über die Felsen zu laufen. Zum Schutz wurde außerdem ein Dach darüber gespannt. Das Bachwasser selbst kann über einen Kanal an der Kaskade vorbei geleitet werden. Außerhalb der Öffnungszeiten fällt sie also trocken, sodass zumindest das Wasser aufhört, an der Kultstätte zu nagen. All diese Maßnahmen sind nötig, um das vor hunderten Jahren entstandene Kunstwerk zu schützen.
Durch den Wald geht es wieder zurück zum großen Grabfeld. Wir treffen auf eine hübsche Eule und weitere, grimmig dreinblickende Grabwächter. Auffallend sind die verschiedenen Geschlechter. Während die Frauen alle Röcke tragen, sind die Männer nackt. Doch der Vormittag ist schon fast herum und ganz in der Nähe gibt es die Megalithstätten von El Tablón, die wir heute Nachmittag ebenfalls noch besuchen wollen.