»Dieser Platz war von jeher das Herz Russlands.« Was der österreichische Schriftsteller, Stefan Zweig, Anfang des 20. Jahrhunderts über den Roten Platz von Moskau schrieb, hat bis heute Bestand. Bereits die letzten Meter vom eher tristen Manegenplatz in Richtung des historischen Museums und zum Auferstehungstor lassen die Herzen der Besucher Moskaus höher schlagen. Bevor wir durch das Tor auf den Roten Platz gehen, nehmen wir aber erstmal ein paar Meter Abstand, um das riesige, rote Museumsgebäude auf uns wirken zu lassen.
Dann aber geht es auch schon vorbei am Reiterdenkmal des Marschalls Schukow, lassen wir eine Reihe Dixie-Klos (ja, diese sind in Moskau sehr beliebt) wie die Händlerstände mit ihren unzähligen Matrjoschkas links liegen und schreiten durch das märchenhafte Auferstehungstor. Auf dem Weg dahin kommen wir an einem Kreis vorbei, in welchem immer wieder andere Besucher eine Hand voll Münzen über die Schulter werfen. Oft sind es Kopeken. An sich haben die Münzen eigentlich so gut wie keinen Wert mehr. Und doch stehen ein paar alte Frauen bereit, welche die Münzen immer wieder einsammeln und an den nächsten Werfwilligen reichen. Einzig die Münzen mit Kaufkraft verschwinden nahezu unbemerkt in ihren Taschen.
Auf der anderen Seite des Tors eröffnet sich uns dann endlich Moskaus Roter Platz. Er ist riesig, und doch fragt sich Annette, wie hier - bei all den Leuten - im Jahr 1987 eine Cessna landen konnte. Sie hat Recht. Denn entgegen der weit verbreiteten Annahme, Mathias Rust sei auf dem Roten Platz gelandet, hatte er den Platz und den Kreml lediglich mehrmals überflogen. Wegen der vielen Menschen auf dem Roten Platz musste er jedoch auf einer nahen Brücke über der Moskwa landen, bevor er sein Flugzeug auf dem Busparkplatz neben der Basilius-Kathedrale zum Stehen brachte.
Von dem Roten Platz fliegen könnte hingegen bald Lenin. Noch befindet sich der Leichnam des großen Marxisten und Revolutionärs zwar im Lenin-Mausoleum, es wird aber daran gedacht, den konservierten Körper in absehbarer Zeit auf einem Friedhof beizusetzen. Die elendig langen Besucherschlangen, die früher oft bis auf den Manegenplatz reichten und den Wartenden mehrere Stunden Geduld (für weniger als eine Minute beim Sarkophag) abverlangten, gehören jetzt schon der Vergangenheit an.
Stellen Sie sich vor, Sie haben Ihr Meisterstück vollbracht und der Auftraggeber fragt: »Können Sie so etwas Schönes noch einmal bauen?« Die Antwort darauf scheint simpel. Ein einfaches »ja, klar« sollte man sich aber unbedingt verkneifen. Der Baumeister jedenfalls hat seine unüberlegte Antwort bitterböse bereut. Denn weil Iwan der Schreckliche verhindern wollte, dass noch eine weitere derart schöne Kathedrale gebaut werden konnte, ließ er ihm die Augen ausstechen. Die richtige Antwort hätte demnach lauten müssen: »Um ein Bauwerk dieser Güte zu bauen, reicht es nicht, einen guten Baumeister zu beauftragen, man braucht auch einen außergewöhnlich großen Herrscher.« Ob dem Gewaltherrscher die Antwort genügt hätte, ist natürlich ungewiss. Aber gut geschleimt ist sie mit Sicherheit.
Sei es drum. Wer heute vom Revolutionsplatz auf den Roten Platz geht, wird schon begeistert sein, wenn er die Zwiebeltürme der Basilius-Kathedrale beim Blick durch das Auferstehungstor erstmals sieht. So wie wir das Historische Museum hinter uns gelassen haben, steht sie dann in voller Größe vor uns. Wie jeder andere Urlauber zücken wir natürlich unsere Kameras, und wissen doch, dass keine Aufnahme die orientalische Schönheit der Kathedrale wiederzugeben vermag.
Insgesamt neun verschieden große Kirchen drängen sich auf dem kreuzförmigen Grundriss. Sind die russischen Kirchen an sich schon nicht sehr groß, kann man sich nur vorstellen, wie beengt es in dem Gebäude ist. Auch wird in der Kathedrale kein Gottesdienst mehr gehalten, da sie heute als Museum genutzt wird. Ob es sich lohnt, wissen wir nicht, sondern vertrauen auf unseren Reise Know-How: »Eine Besichtigung ist zwar möglich, aber das Innere wirkt klaustrophobisch und [...] ist nicht unbedingt sehenswert.« Ein Spaziergang um die Kirche herum aber können wir empfehlen, da sich alle paar Meter das Bild ändert, ein Turm aus dem Sichtfeld verschwindet und ein anderer auftaucht.
Völlig gerädert von einem Besuch bei der Zarenresidenz Zarizyno verschwinden wir für ein paar Stunden in unserem Zimmer. Am liebsten würden wir bis zum nächsten Morgen durchschlafen. Dann aber hätten wir das nächste »hätte« gehabt, was wirklich schade wäre. Die Stadt ist wirklich anstrengend. Doch wir raffen uns am Abend wieder auf und fahren ein letztes Mal ins Zentrum. Denn ein Moskau ohne Roter Platz bei Nacht ist wie ein Wien ohne Prater. Schon unsere Kreml-Führerin hatte uns versprochen, dass hier abends eine ganz tolle Atmosphäre herrscht.
Sie hat nicht übertrieben. Schon beim Weg vom Revolutionsplatz sind wir von den angestrahlten Gebäuden, einem Restaurant mit rotem Rundturm, dem Historischen Museum und natürlich dem Auferstehungstor, begeistert. Die Rubinsterne der Kremltürme leuchten in die Nacht hinein, der rote Stein des Museums lässt das ganze Gebäude wirken als stamme es aus einem Spielzeugladen und sogar das Kaufhaus GUM ist auf seiner gesamten Länge in ein gleichmäßiges Licht getaucht. Nein, ehrlich, wenn die Moskowiter etwas können, dann ist es das Ausleuchten ihrer wichtigsten Sehenswürdigkeiten.
Wie die vielen anderen nächtlichen Besucher sind auch wir hin und weg. Fasziniert schlendern wir über den Roten Platz, halten immer wieder an, um uns zum Museum oder einem der Türme umzudrehen. Höhepunkt tags wie nachts aber ist natürlich die Basilius-Kathedrale. Wer schon nicht das Glück hat, sie bei Licht vor einem strahlend blauen Himmel zu sehen, der kann sich zumindest sicher sein, dass sie sich abends vor einem pechschwarzen Himmel abhebt. Für uns ist das einfach ein toller Abschluss eines anstrengenden Tages.
Eigentlich gehe ich ja generell nicht gerne in Kaufhäuser. Ganz besonders gilt dies, wenn ich im Urlaub bin. Zum einen mag ich nicht noch mehr Sachen und Gepäck mit mir herumschleppen als eh schon nötig, Und zum anderen ist mir dafür meine Zeit einfach zu schade. Denn ganz ehrlich: irgendwelche Elektroniksachen bekomm ich daheim günstiger. Und Klamotten, womöglich ein billiges T-Shirt á la »I Love Moscow« oder so, geht gar nicht. Was ich sagen will: wer schon mal am Roten Platz von Moskau ist, sollte es sich nicht nehmen lassen, das Kaufhaus GUM zu besuchen.
Nachdem 1888 der Grundstein gelegt wurde, gilt das GUM bis heute als das größte russische Kaufhaus. Ob das noch stimmt, wissen wir natürlich nicht. Kaum etwas ändern wird sich jedoch an der exklusiven Lage genau gegenüber des Kreml. So wie wir das GUM betreten, sind wir beeindruckt von den langen Arkaden.
Es sind drei Stück, die etliche Quergänge miteinander verbinden. Spannt sich darüber ein riesiges Glaskuppeldach, sollen in der unteren Etage verschiedene Ausstellungen zum Konsumieren animieren. Zudem laden mehrere Cafés zum Verweilen ein und plätschert ein Springbrunnen in der Mitte des Kaufhauses.
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