Auf dem Weg vom Kreml zur Fußgängerzone Alter Arbat kommen wir zum Alexandergarten. Wo noch bis 1813 speiste der Fluss Neglinnaja den Festungsgraben des Kreml speiste, lädt dieser heute zum Spazieren und Verweilen ein. Groß aufregend ist der Park zwar nicht, aber wenn man schon mal in seiner Nähe ist und weiter zum Roten Platz möchte, ist er sicher eine gute Alternative zur (für Fußgänger tagsüber unüberquerbaren) Mochowaja Uliza. Auch befindet sich im Alexandergarten zwischen dem Kutawja-Turm und dem Arsenal-Turm das Grabmal des Unbekannten Soldaten.
Auch wenn wir schon Anfang Oktober haben, sehen wir in dem Park doch einige luftig gekleidete Moskowiter. Tja, wenn man schon keinen gescheiten Sommer hatte, werden die Tops halt im Herbst gezeigt. Dabei ist es wirklich mild für die Jahreszeit und können sich sogar die Eisverkäufer über eine stete Nachfrage freuen. Wir aber haben Hunger auf was Warmes, unterqueren die Mochowaja und gehen also weiter zum Alten Arbat.
Vom Alexandergarten wollen wir als Nächstes zur Fußgängerzone Alter Arbat. Wie auch vom Kreml oder dem Roten Platz gibt es U-Bahnverbindungen dorthin. Auf die Fahrt mit der Moskauer Metro verzichten wir aber dennoch. Zwar wären wir mit der U-Bahn binnen weniger Minuten am Ziel. Allerdings wissen wir nie so genau, ob wir anschließend auch den richtigen Ausgang finden.
Anstelle unter Tage hunderte Meter durch Moskau zu irren, scheint der Spaziergang die für uns bessere Variante zu sein. Zumindest können wir sicher sein, dass wir einer überfüllten U-Bahn und all ihrer Hektik galant entgehen. Auch bekommt man so ein besseres Gefühl dafür, wie die Sehenswürdigkeiten der Stadt miteinander verbunden sind.
Tatsächlich kommen wir etwa auf halbem Weg bei einer U-Bahn-Station vorbei. Um welche es sich handelt? Wer weiß? Ein paar Minuten später erreichen wir jedenfalls den Platz Arbatskije Worota. Läuft man gerade aus weiter, kommt man auf den Neuen Arbat. Wir aber wollen ja auf den Alten Arbat und müssen uns nun in etwa halb links halten. Etwas weiter links von uns befindet sich der Eingang zur Metro-Station Arbatskaja, deren Form an den sowjetischen Stern erinnert.
Die Geschichte der Straße Alter Arbat reicht bis ins 15. Jahrhundert zurück, auch wenn aus dieser frühen Epoche keine Spuren mehr zu erkennen sind. Sein heutiges Gesicht erhielt der 1200 Meter lange Boulevard vor allem im 19. Jahrhundert, als sich der russische Adel hier niederließ und vornehme Stadtvillen errichtete. Parallel dazu entstanden Mietshäuser, Cafés und Theaterstudios. Zu den Prominentesten Einwohnern dieser Epoche zählen der Regisseur Sergej Eisenstein und der Dichter Sergej Jessenin.
Als Sohn einer Landarbeiterfamilie begann Jessenin schon im jungen Alter von 9 Jahren, erste Gedichte zu schreiben und zählt bis dato zu den volkstümlichsten Dichtern Russlands. Er selbst sah sich als Dorfpoet. Mit den Frauen hatte er weniger Glück. Nach bereits drei gescheiterten Ehen heiratete er im Oktober 1925 Sofia Tolstaja, die Enkelin Leo Tolstois. Nur einen Monat später veranlasste sie seine Einweisung in eine psychiatrische Klinik, wo er sich kurze Zeit später das Leben nahm.
Moskaus Wand der Friedenswünsche
Nach dem Sturz des Zaren bzw. der russischen Revolution dienten viele der zuvor herrschaftlichen Residenzen als so genannte Kommunalka. Das sind Gemeinschaftswohnungen, bei denen sich mehrere Familien Bad und Küche teilten. Ihnen folgten schon bald hohe Funktionäre der kommunistischen Partei, welche das prestigeträchtige Viertel als standesgemäße Wohngegend erkannten. Mit dem Zweiten Weltkrieg durchlitt der Alte Arbat erneut schwere Zeiten. Nachdem zunächst deutsche Bombenangriffe schwere Schäden an der historischen Bausubstanz verursachten, verbreiteten die stalinistischen Säuberungen Angst und Schrecken bei der Bevölkerung.
Bei unserem Rundgang durch die Fußgängerzone des Alten Arbats dauert es nicht lange, bis wir wieder ein Stück zurücklaufen müssen. Leider haben wir die erste wichtige Sehenswürdigkeit verpasst: es ist eine rund 100 Meter lange, von Souvenirständen leicht verdeckte Mauer aus bunt bemalten Kacheln. Bei dieser bunt verzierten Mauer handelt es sich um die »Wand des Friedens«. Sie stammt aus der Zeit des kalten Krieges und offenbart die Friedenswünsche der Kinder.
Leider sind mittlerweile viele Kacheln mit Graffiti neuerem Datums besudelt. Neben dem Wunsch nach Frieden, dem wir uns natürlich gerne anschließen, beschäftigt uns immer mehr der Wunsch nach einem gemütlichen Restaurant, einer warmen Mahlzeit und vor allem einer erholsamen Pause. Nach etwas auf und ab in der Fußgängerzone finden wir schließlich alles in einem türkischen Restaurant mit einer kleinen, sonnigen Terrasse.
Einigermaßen gestärkt, schlendern wir anschließend weiter in Richtung des russischen Außenministeriums. Dabei empfiehlt unser Reise Know-How einen Abstecher zum Melnikow-Haus. Die Abzweigung dorthin, nahe des abweisend wirkenden Wachtangow-Theaters, finden wir noch. Ein »wabenartiges, einem Getreidesilo« ähnelndes Gebäude können wir aber nicht eindeutig ausmachen. Da die Ecke zudem verlassen und etwas unheimlich wirkt, kehren wir um zur Fußgängerzone und schauen uns stattdessen das hellblaue Puschkin-Wohnhausmuseum an.
Zuletzt zieht es uns zur Stalinkathedrale, wie der Baustil des russischen Außenministeriums auch genannt wird. Hübsch sieht dabei wahrlich anders aus. Das ist aber wohl auch nicht der Zweck des hoch aufragenden Gebäudes. Nein, es sollte düster, bedrohlich und überragend wirken und die Besucher allein durch seine Architektur einschüchtern. Es ist den Baumeistern gelungen. Und doch konnten sie nicht verhindern, dass sich in Sichtweite heute wenigstens zwei Filialen der amerikanischen Botschaft befinden, sprich: McDonalds.