Das Tolstoy-Wohnhaus in Moskau

Einblick in das Leben einer russischen Adelsfamilie

»Du, die hat mich ausgenommen.« Etwas belämmert kehre ich zu Annette zurück. Doch der Reihe nach: Bei unserer Ankunft am Tolstoy-Wohnhaus können wir das Kassenhäusle ungehindert passieren. Es sieht tatsächlich aus, als sei es geschlossen. Während wir danach eine Weile unschlüssig im Hof des Anwesens herumstehen, spaziert eine junge Frau in das Wohnhaus. Auch sie hat offensichtlich kein Ticket gekauft. Also folgen wir ihr in das Museumshaus.

Tja, das war wohl etwas voreilig. Denn dort werden wir von einer älteren Frau freundlich zurück geschickt, weil das Kassenhäusle sehr wohl geöffnet ist. Allerdings nur über den Seiteneingang. Nach den oft freien Eintritten in Moskau bin ich allerdings doch überrascht, 200 Rubel pro Nase und weitere 150 Rubel für die Fotografiererlaubnis zahlen zu müssen. Auf die Erlaubnis für Annettes Camcorder verzichte ich diesmal. Dafür wären nochmals 350 Rubel fällig, was sich nicht wirklich lohnt.

Der Besuch des Museumshauses aber lohnt. Schon allein, weil es in ganz Moskau kaum ein zweites Holzhaus gibt, welches so gut erhalten ist. Zudem enthalten die 18 Zimmer der Adelsfamilie noch die Originaleinrichtung aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Da ziehen wir doch gerne die Überschuhe an, um die Teppiche und Parkettböden zu schonen, bevor wir die Räume in dem Haus besichtigen.

Dass das Wohnhaus Tolstoys in seinem ursprünglichen Zustand erhalten blieb, haben wir Lenin zu verdanken. Er ließ zur Eröffnung des Museums im Jahr 1921 per Dekret festlegen: »Im Haus ist alles zu erhalten, wie es bisher war. Die Massen müssen wissen, wie Lew Tolstoy in den zwei Geschossen wohnte. Er hat das selbst in seinen Werken widergespiegelt.«

So können wir noch heute die Atmosphäre gut nachempfinden, die hier Ende des 19. Jahrhunderts herrschte, als Tolstoy hier die Romane »Krieg und Frieden« und »Anna Karenina« schrieb und sich mit Schriftstellerkollegen traf. Zugleich bekommen wir einen guten Einblick in das Leben einer russischen Adelsfamilie, als wir zu den Schlaf- und Kinderzimmern, der Küche und Vorratskammer, den Wohnräumen und dem Fitnessraum und, natürlich, den Arbeitsräumen und Studierzimmern kommen.

Daneben lohnt es sich, kurz in dem schönen Park hinter dem Haus zu verweilen und die Ruhe des Anwesens auf sich wirken zu lassen, bevor es wieder raus auf die Straße und weiter zum nächsten Ziel in der Stadt geht.

Neujungfrauenkloster in Moskau

Nowodewitschi-Kloster

Im Kreml hatte unsere Reiseführerin uns empfohlen, vom Tolstoj-Museum mit dem Trolleybus bis zum Neujungfrauenkloster zu fahren. Oh, wie gut hätten wir daran getan, darauf zu hören. Aus dem Glauben heraus, dass die Moskowiter in der Regel wohl fußfaul sind, aber auch, weil wir vor dem Besuch des Klosters noch Geld am Automaten holen wollen, legen wir die Strecke aber zu Fuß zurück. Woher sollten wir wissen, dass es zwei Kilometer bis zum Kloster sind, ohne dass wir auch nur an einem Geldautomaten vorbeikommen? Einzig Zigaretten-, Telefonkarten- und sogar Pfandautomaten für Dosen und Flaschen sehen wir.

Ankunft beim Neujungfrauenkloster

Als Quittung sind wir bei der Ankunft im Kloster einmal öfter geschlaucht. Zum Glück aber gibt es hier reichlich Bänke. So also machen wir es uns erstmal zwischen den Nonnenzellen und dem Refektorium gemütlich und genießen unseren Reiseproviant. Sind wir zunächst noch von einigen anderen Besucher umgeben, können wir bald beobachten, wie sich der Platz leert und die Leute in den Gottesdienst im Refektorium gehen.

Eine der schönsten Klosteranlagen Russlands

Schließlich raffen auch wir uns wieder auf und besichtigen das Neujungfrauenkloster. Sehr schön finden wir, dass die ganze Anlage durch eine hohe Mauer umschlossen ist. Kein Wunder, dass das Neujungfrauenkloster als die schönste Klosteranlage in Moskau gilt.
Auch sie geht auf den Sieg einer militärischen Auseinandersetzung zurück:

Wassilij III., der Vater von Iwan dem Schrecklichen, gründete das Kloster 1524, nachdem er das von Litauern besetzte Smolensk befreit hatte. Aus unserem Reiseführer erfahren wir, dass der Name des Klosters wohl auf einen Markt zurückgeht, auf dem Tataren junge russische Mädchen (dewitzy) für muslimische Harems gekauft hatten. Der Begriff »Dewitzy« kann im Russischen sowohl Mädchen als auch Jungfrau bedeuten.

Eigentlich wollten wir ja noch den Klosterfriedhof besichtigen. Denn hier liegen unter anderem die sterblichen Überreste von Chruschtschow, Gorbatschowa und Gogol. Weil der Durchgang vom Kloster zum Friedhof, das Mariä-Schutz-Tor, wegen Renovierungsarbeiten gesperrt ist und wir ja noch weiter nach Zarizyno wollen, verzichten wir vor Ort aber darauf und gehen stattdessen zur nächsten Metro-Station Sportiwnaja.

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