Viereinhalb Kilometer weiter folgt bei Villeneuve-les-Béziers die zweite Schleuse. Dort ist bei unserer Ankunft bereits grün, sodass wir direkt hineinfahren können. Uns folgt ein Boot mit drei Schweizern. Die Mutter der kleinen Crew ist tropfnass.
Offensichtlich hat sie die erstbeste Gelegenheit für ein Bad in der trüben Brühe vom Canal du Midi genutzt – I-bäh! Diesmal bleiben wir beide auf dem Boot. Der Schleusenwärter hängt die Seile ein und ich löse Lars am Steuer ab. Ganz ehrlich: Wäre ich beim Hinausfahren nicht an das Schleusentor gerumpelt, wäre es schon fast perfekt gewesen.
Bei der dritten Schleuse bei Ariège fühlen wir uns schon fast wie Profis, wundern uns anschließend aber bei Béziers, dass sich das Schleusensystem ändert. Die Schleuse ist so hoch, dass wir die Seile in einer Stange einfädeln müssen, an der das Seil mit dem Wasserstand nach oben wandert. Der Schleusenwärter unterstützt uns, sehr nett. Zudem erhalten wir hier die Info, dass wir im Hafen von Béziers auf der linken Seite kostenlos übernachten können. Wir sind heute 15 Kilometer gefahren, haben die ersten vier Schleusen gut gemeistert – Zeit für Abendessen und Ausruhen.
Nach kurzer Suche finden wir tatsächlich links einen freien Platz. Es ist eine winzige Lücke zwischen Bambus und einem kleinen Feld voller Stechäpfel und Wildrosen. Darum also haben die anderen Bootsführer diese Stelle verschmäht. Egal. Aber warum dreht sich unser Boot? Wir bekommen starken Wind von der Seite ab und sind zu langsam beim Anleinen. Auch das kann uns nicht stören. Angelegt ist angelegt, durch den hohen Bambus ist unser Boot vom Ufer kaum zu sehen, während wir über das Heck freie Sicht auf die nächste Schleuse haben, und im Hafenbecken ist reichlich Platz zum Kehren.
Béziers ist die zweitbedeutendste Stadt entlang des Canal du Midi. Von der ersten Woche in den Midi-Pyrénées sind wir allerdings so gesättigt von »atemberaubenden« Kathedralen und Altstadtgassen, dass wir auf einen Stadtbummel verzichten.
Einen kurzen Spaziergang beim Hafenbecken gönnen wir uns aber doch. So mischen auch wir uns unter die Schaulustigen bei der Schleuse von Orb, die zu den höchsten Schleusen des Kanals zählt.
Zu Zeiten von Pierre-Paul Riquet, dem Genie, Erfinder und Erbauer des Canal du Midi, war bei der Kreuzung des Orb lediglich ein Flussstau vorgesehen. So konnte der Betrieb bei Béziers bereits 1677 aufgenommen werden. Doch schon ab 1686 plante der königliche Festungsbaumeister Sébastien de Vauban ein Aquädukt an der durch Hochwasser störanfälligen Flusskreuzung.
Dieses wurde allerdings lange Zeit als »zu ehrgeizig und zu teuer« angesehen, weshalb man lieber die Ausfälle in Kauf nahm. Erst 1858 wurde die heutige Kanalbrücke über den Orb errichtet. Dadurch ließ sich die kanalaufwärts gelegene Schleusentreppe von Fonserannes um zwei Schleusen verkürzen. Unterhalb der Brücke entstand die Orb-Schleuse und gleichzeitig das viereckige Hafenbecken von Béziers.
Dort verbringen wir auch den ersten Abend unserer Goldenen Midi-Tour. Erst aber müssen wir den Gasherd in Betrieb nehmen, ohne dabei das ganze Boot abzufackeln. Das ist etwas gewöhnungsbedürftig und braucht auch Fingerspitzengefühl, bis die Flammen die gewünschte Höhe haben. Mein Meisterkoch Lars kreiert Spaghetti mit Mockturtle (falsche Schildkrötensuppe aus Niedersachsen –
somit ein kultureller Mischmasch) und Champignons, dazu ein leckeres Glas Rotwein. Bald schon merken wir, was wir vergessen haben. So muss ein Weinkorken als Spülbürste herhalten und wird mit einem Stoffbeutel das Geschirr abgetrocknet – Not macht erfinderisch. Doch wir genießen einen schönen ruhigen und richtig lustigen Abend am Canal du Midi. Santé!
Kommentare (0)
Keine Kommentare gefunden!