Carriacou, Insel der Riffe

Vor unserer Überfahrt von Grenada nach Carriacou zieht ein Ausläufer des Tropensturms Chantal über uns hinweg. Zum Glück fallen die reichen Niederschläge nachts, ohne dass wir groß was vom Unwetter mitbekommen. So erleben wir einen letzten schönen Morgen an der Grand Anse Bay. Dann geht es mitsamt dem Gepäck vom Zimmer zur Rezeption. Das Auschecken verläuft entgegen der Befürchtungen unserer Reiseleiterin zügig und reibungslos. So bleibt genug Zeit, um auch innerlich Abschied von der schönen Hotelanlage zu nehmen.

Fähre nach Carriacou

Mit der 9-Uhr-Fähre setzen wir schließlich nach Carriacou über. Für den Transfer werden, abhängig von der Anzahl der Passagiere und Frachtmenge, zwei verschieden große Katamarane eingesetzt. Während der große die Distanz in anderthalb Stunden schafft, braucht der kleine zwei Stunden. Es sei denn, ein naher Tropensturm hat das Meer aufgewühlt. Dann können es auch drei Stunden werden, die man wahlweise unter Deck oder oben im Freien ausharren muss.

Oder besser gesagt: eine kleine Ewigkeit, in der man seinen Magen beruhigen oder die Angst unterdrücken muss. So erleben wir eine Klasse, von der nach einem besonders harten Aufprall des Boots plötzlich ein Mädchen zur Seite umkippt. Dass sie einen Augenblick zuvor noch auf ihrem Smartphone getippt hat, zeigt, wie schnell so etwas passieren kann und dass Lesen und Schreiben bei hohem Wellengang wie Gift wirkt.

Fahrt übers offene Meer

Auf dem ungeschützten Abschnitt zwischen den Inseln Grenada und Carriacou bleibt das Mädchen bei Weitem nicht die einzige. Bei der Fahrt übers offene Meer kippen immer mehr Schüler von ihren Sitzen. Versuchen sich die Jungs erst noch wacker zu halten, sind auch sie bald kreidebleich im Gesicht. Einigen der Erwachsenen geht es nicht besser. So schickt eine Panikattacke eine Frau neben Annette hinunter auf den Boden. Annettes Versuch, sie zu halten, ist vergebens, da die Arme der Frau wie bei einer Ohnmächtigen einfach zur Seite weggleiten.

Nachdem wir unsere Rucksäcke in Sicherheit gebracht haben, schafft es die Besatzung der Fähre erst zu dritt, die Frau auf ihrem Sitz zu stabilisieren und zu beruhigen. Nach hinten wagen wir es gar nicht zu blicken. Denn während vorne, wo wir sitzen, schon Highlife ist, dringen aus den hinteren Reihen verdächtige Geräusche zu uns vor. Umso beachtlicher finden wir es, dass eine junge Lehrerin von einem ihrer Schüler zum nächsten springt, um ihre grünen Schützlinge zu trösten. Dabei hatte sie sich zu Beginn der Fahrt richtig hübsch geschminkt.

Entspannte Rundfahrt über Carriacou

Nachdem wir unsere Kojen im Segelboot bezogen haben, geht es mit dem Dingi wieder zurück an den Fähranleger von Carriacou. Dort wartet bereits ein bestellter Kleinbus auf uns. Zunächst aber führt uns Bobby ein Stück der Avenue Andes - die Hauptstraße von Hillsborough - entlang bis zu einer Garküche.

Hatten wir bei seiner Ankündigung, dass wir erstmal eine Kleinigkeit auf der Insel essen werden, an ein Restaurant gedacht, sehen wir uns stattdessen auf einmal mit einem Stück Hähnchen in der Hand wieder. Da die Grillmeisterin nett ist und wir zum Hähnchen eine super leckere Soße bekommen, ist es uns recht.

Bei der anschließenden Rundfahrt können wir uns entspannt zurücklehnen und von der englischen Erklärung des Fahrers berieseln lassen. Irgendwie klingt sein Vortrag wie eine nicht enden wollende Predigt - mit der Folge, dass wir bald ermüden und vieles zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus geht. Wem es genauso ergeht, hier das Wichtigste über die Insel in aller Kürze: Carriacou ist eine von Korallenriffen umgebene Vulkaninsel. Von den Riffen leitet sich auch der Name ab.

Das karibische Wort Carriacou bedeutet »Insel der Riffe«. Mit einer Größe von 34 km²˛ ist sie die zweitgrößte Insel, die zu Grenada gehört. Allerdings erreicht sie nur eine Höhe von maximal 291 Meter über dem Meer. Weil vorbeiziehende Wolken den Aufstieg über die Insel schaffen, ohne abzuregnen, gibt es auf Carriacou keine Flüsse. Um der Wasserarmut zu begegnen, haben die Insulaner Mulden angelegt. Darin werden die wenigen Niederschläge für das Vieh gesammelt.

Da es, außer ein paar Gärten für den Eigenbedarf, auch sonst nicht viel auf der Insel gibt, muss fast alles von den Nachbarinseln importiert werden. Und da viele der Einwohner davon leben, die Dinge, die sie mit der Fähre geliefert bekommen, weiter zu verkaufen, ist hier alles einen Deut teurer als auf Grenada oder St. Vincent.

Video Carriacou - Besuch einer karibischen Garküche

Segeln durch die Karibik - Ankunft auf Carriacou, der zweitgrößten Insel von Grenada, Besuch einer karibischen Garküche und Eindrücke von der Insel.

Landeplatz für Kleinflugzeuge

Wohl aber gibt es westlich vom Hauptort einen Landeplatz für Kleinflugzeuge, von dem die SVG Air (Saint Vincent Grenadines Air) regelmäßig Flüge nach Grenada startet. Da es natürlich auch Flüge von Grenada nach Carriacou gibt, empfehlen wir nach unserer Erfahrung mit der Fähre, zumindest mal einen Blick auf die Flugzeiten und Tarife zu werfen. Und abgesehen davon, dass man ohnehin noch Zeit genug auf dem Wasser verbringt, ist es an Bord eines Segelschiffs doch sehr viel schöner als im Bauch einer stickigen Fähre.

Schnorcheln bei Sandy Island

Mit dem Dingi zu einer vorgelagerten Sandbank

Laut unserem Programm sollten wir eigentlich zunächst eine Nacht direkt bei der Insel Carriacou bleiben und erst am nächsten Morgen nach Sandy Island, einer vorgelagerten Sandbank, fahren. Weil wir dann aber nur zwei Stunden für Sandy Island bzw. zum Schnorcheln vor der schmalen Insel hätten, setzen wir direkt nach unserer Rundfahrt über. Der vorgesehene Restaurantbesuch auf Carriacou entfällt dadurch. Macht aber nichts.

»Ich koche dann etwas ganz Günstiges für Euch«, verspricht Bobby. Gemeint ist damit eine lecker gewürzte Dorade, die er selbst gefangen hat. Und die zusammen mit dem Ertrag eines halben Kartoffelackers viel zu große Portionen ermöglicht. Bevor wir in den Genuss kommen, setzen wir jedoch erst einmal mit dem Dingi zur Sandbank über.

Da wir außerhalb der Saison reisen, halten sich nur wenige Touristen auf Sandy Island auf. So können wir in aller Ruhe über die Sandbank spazieren und uns die beiden sogenannten Seen anschauen. Sie befinden sich auf der Carriacou abgewandten Seite und sind nur durch einen durchlässigen Wall vom Meer getrennt. Weil das Wasser an vielen Stellen nicht mal knietief ist, tummeln sich vor allem kleine bzw. junge Fische in den Seen. Apropos Fische: Flossen an, Schnorchel mit Maske geschnappt und ab ins Meer!

Kofferfische und vieles mehr bei Sandy Island

Hatten wir bei der Fahrt im Dingi noch erklärt bekommen, dass sich die beste Stelle zum Schnorcheln auf der rechten Seite (von Carriacou aus gesehen) befindet, werden wir direkt nach dem Hineinlaufen ins Wasser von einem großen Fischschwarm umringt. Während Annette und ich einfach überrascht sind, ist meine Kamera hoffnungslos überfordert. Auf welchen der vielen kleinen Fische soll sie auch scharf stellen? Erst, als wir ein Stück weiter hinausschwimmen und das Riff erreichen, lassen wir das Gewusel hinter uns, sodass wir die Fische einzeln beobachten können.

Einmal mehr bedaure ich, das ich keine bessere Kenntnis über die Artenvielfalt unter Wasser habe. Auf Anhieb zu erkennen ist lediglich ein Kofferfisch. Genauer gesagt, ein Exemplar der Ostraciinae, welche eine von zwei Unterfamilien der Kofferfische bildet. Aber welcher? Nach etwas Literatur bin ich mir fast sicher, dass es ein Perlen-Kofferfisch ist.

Aber wie sicher ist sicher? Auch Doktorfische begegnen mir, ohne dass ich sagen könnte, zu welche der mehr als 80 Arten dieser großen Familie sie gehören. So bleibt mir nur, mich über die unbekannten Wesen zu erfreuen und Ähnlichkeiten zwischen zu Fischen, die wir in zum Teil ganz anderen Ecken der Welt gesehen haben, festzustellen.

Schulprojekt: 1000 neue Palmen nach Hurrikan Ivan

Nach einigen Runden über die hier noch weitgehend intakten Korallen kehren wir an den Strand von Sandy Island zurück, um ein zweites Mal über die Sandbank zu spazieren. Dass wir dabei an einigen Palmen vorbeikommen, haben wir einem Schulprojekt zu verdanken, bei dem 1000 junge Palmen auf Sandy Island gesetzt wurden.

Dem vorausgegangen war Hurrikan Ivan, der Sandy Island 2004 von sämtlichen höheren Bewuchs befreite. Es ist nur ein Teil der Palmen angewachsen. Andere Setzlinge wurden geklaut und woanders erneut gepflanzt. Und doch hat sich die Vegetation inzwischen wieder erholt, sodass Sandy Island wieder die idyllische Insel ist, die sie vor dem Sturm war.

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