Hongkong und seine Drachen

Bunte Märkte und die Düfte der Garküchen

Mit einem zu einem Viertel gefüllten Katamaran kommen wir abends im Hafen von Hongkong an, und zugegeben: ein wenig unheimlich ist uns schon. Die ersten Meter wirkt alles menschenleer, das Licht am Abend unserer Ankunft ist gedämmt und als wir an die Grenzkontrolle kommen, tragen alle Mundschutz.

Fragebögen zur Gesundheit, die wir bereits an Bord ausfüllen mussten, werden geschwind eingesammelt. Die Lungenkrankheit SARS grassiert gerade in Hongkong. Da ist man hier vorsichtig. Nahezu alle Schalter der Personenkontrolle sind trotz der wenigen Ankömmlinge geöffnet und Schilder halten uns dazu an, nirgends stehen zu bleiben.

Nun sind wir also in Hongkong!

Der einzigartigen, großen Stadt mit ihren unzähligen Geschäften und Läden. Ganz gleich, ob man eine neue Uhr, ein Handy oder Smartphone, englischsprachige Videos, einen Laptop oder einen schicken Tablet-PC sucht; hier gibt es alles an Elektronik, was das Herz begehrt und die Börse leert. Das Angebot ist mittlerweile so groß, dass man schnell den Überblick zwischen den vielen Modellen der bekannten Handy- und Smartphone-Hersteller verlieren kann. Wer sich dies sparen möchte, empfehlen wir deshalb, schon vor der Reise nach dem gewünschten Elektronik-Spielzeug zu suchen.
Auch in unserer Reisegruppe fiebern fünf Männer ihrem Einkaufsbummel in Hongkong entgegen. Eine kompakte Digitalkamera soll es werden, mit der sie dann gleich das Treiben auf den bunten Märkten in Kowloon ablichten wollen.

Unser erster Eindruck von Hongkong bringt jedoch erstmal ein Gefühl der Verlorenheit mit sich. Überall die vielen riesigen Häuser, so viele Menschen auf so wenig Platz und dann noch diese stark befahrenen Straßen mit Linksverkehr! Ein Weiteres tut unsere neue und letzte Reiseleiterin, die in ihrem Kostüm immer sehr geschäftig von hier nach da läuft und uns ständig das Gefühl vermittelt, alles müsse innert weniger Minuten erledigt sein. Nein, eine Stadt zum innehalten ist dies nicht.
Wen diese Vollheit nicht stört, wird hier auf der anderen Seite von all den Eindrücken wie berauscht. Es gibt praktisch keinen Flecken, an dem man nicht von Chinesen umringt ist. An jeder Ecke, an den Läden und über der Straße blinken uns grelle Leuchtreklamen entgegen. Der Gestank von Abgasen und Müll mischt sich mit allerlei Düften der Garküchen und verabreicht unserer Nase ein Wechselbad aus Ekel und Appetit. Es ist laut. Es ist spannend.

Immerhin: schwärmte ich auf dem Schiff davon, zur Abwechslung mal wieder eine Pizza zu essen, nennt uns Miss Eilig unaufgefordert eine Pizzeria in der Nähe vom  Newton Hotel (Hongkong-Island), in der sich wenig später unsere ganze Reisetruppe treffen werden.
Aber Vorsicht: wer denkt, Hongkong liegt ja in der subtropischen Zone und deshalb müsste ein leichtes Hemd reichen, bekommt in den meisten Restaurants eine Gänsehaut als Quittung.

Zum Glück aber füllen wir die Pizzeria so gut, dass die Bedienung freundlicherweise die Klimaanlage von »Eis« auf »kalt« hochstellt.
Anbei möchten wir noch unseren Tischnachbarn danken, die nach dem Essen von uns nur das Geld für die Pizza und Getränke wollten, während sie ihrerseits zusätzlich noch die Kosten für Bedienung berappen mussten (-:

Stadtrundfahrt mit Aberdeen

Mit der Inklusivstadtrundfahrt kommen wir zum ersten Mal auf den Victoria Peak, der nobelsten Gegend von Hongkong-Island.
Den empfohlenen Schutzmaßnahmen gehorchend, tragen wir hier brav unseren Mundschutz. Und zwar allesamt, weil erstmal ein Gruppenfoto geschossen werden solle.
Eigentlich Schade, dass das Foto nichts geworden ist )-:
»Vom Victoria Peak hat man den besten Überblick über Hongkong« wie im Baedeker nachzulesen ist.
Leider gilt dies nicht bei diesigem Wetter und Sicht von unter 500 Meter, weshalb unser erster Ausflug auf den Peak sehr kurz ausfällt.

Eine touristische Attraktion und gleichzeitig ein großes Problem für Hongkong stellten lange Zeit die Wohndschunken der Bootsleute dar.
Als der hygienische Kollaps drohte, startete die Regierung ein Wohnbauprogramm, um die Zahl der Dschunken zu reduzieren und Landgewinnung betreiben zu können.
Das Problem war jedoch: Bootsleute verlassen ihre Dschunke höchstens, um auf den nahen Märkten Handel zu treiben, interessieren sich ansonsten aber kaum für das hektische Treiben der Stadt.

Erst mit Einführung der allgemeinen Schulpflicht Ende der siebziger Jahre kam die Wende, weil  viele Kinder der Bootsleute dadurch erstmals mit den Reizen (Gameboy, Kino, Internet, Fußball, Fastfood) und Annehmlichkeiten (warmes, sauberes Wasser, Toilettenpapier, Fastfood) der zivilisierten Gesellschaft konfrontiert wurden.

Aller zivilisierter Weltoffenheit zum Trotze, in Hongkong herrscht bis heute der Aberglauben wie in kaum einer anderer Metropole.
Bevor ein hohes Haus gebaut wird, zieht man einen Experten in der Lebensweisheit feng shui  zu Rate, was durchaus mal zu einem Loch innerhalb eines Wohnhauses führen kann. Dank dieses Lochs kann nun der Drache vom dahinter liegenden Berg auch weiterhin täglich ans Meer zum Baden fliegen.

Wer nun denkt, dass der hierdurch verlorene Wohnraum einen immensen Kapitalverlust mit sich bringen muss, sieht sich getäuscht. Tatsächlich kam es zu einer enormen Wertsteigerung der übrigen Wohnungen, welche durch den täglich durchfliegenden Drachen ein unvergleichlich gutes feng shui erfahren.
Zum Vergleich: eine (leerstehende) deutsche Plattenbauwohnung aus den 70er Jahren müsste bei gleicher Größe etwa zwei Millionen Euro kosten.

Das ehemalige Fischerdorf Aberdeen ist mittlerweile zu einer großen Satellitenstadt mutiert. Und doch, auch heute befinden sich noch einige Wohndschunken im Hafen, die bei einer Sampan-Rundfahrt Einblick in das Leben der Bootsleute geben. Dem Tourismus wird es wohl zu verdanken sein, dass sie nicht der Landgewinnung weichen müssen.
Der Markt von Aberdeen schließlich lädt zum Bummeln und Stöbern ein, obwohl: abgesehen von den Postkarten, China-Namenskarten und Buddhas bekommt man so ziemlich alles ebenso gut auch auf jeden anderen Tourimarkt.

Die letzte Station unserer Stadtrundfahrt ist bei einem der vielen Juweliere der Stadt.
Als sehr angenehm empfinden wir hier den Gratis-Getränkeausschank. Im Anschluss daran können wir hier unnütze Kettchen mit Preisen um die 3.500 Euro erstehen, nutzen die eingeplante (Einkaufs-) Zeit aber lieber dazu, einen kleinen Tempel ganz in der Nähe ein wenig in Augenschein zu nehmen (-;

Das koloniale Hongkong

Nach ein paar erholsamen Stunden auf der Urlaubsinsel Cheung Chau bringt uns die Fähre zurück nach Hongkong-Island, wo als nächstes das koloniale Hongkong auf unserem Programm steht. Um die baulichen Zeugnisse aus der Kolonialzeit zu finden, muss man allerdings genau hinschauen. Denn dank der vielen Bürotürme verschiedener Finanzinstitute sind einst so imposante Bauten wie die St. John’s Cathedral, das Parlamentsgebäude oder die alte Börse heute optisch bedeutungslos. Vor allem britische Banken und Versicherungen, aber auch deutsche Investoren nutzen diesen Standort, um in China zu investieren.

Dabei wurde der Grundstein für diese Entwicklung ebenfalls bereits in der Kolonialzeit gelegt. So führte der britische Handel mit China, der unter anderem den Verkauf großer Mengen Opium aus Indien vorsah, im Jahr 1841 zum ersten Opiumkrieg. Nach anderthalb Jahren endete dieser mit dem Vertrag von Nanjing. Die Chinesen waren dadurch gezwungen, mehrere Häfen für den Handel zu öffnen, 21 Millionen Silberdollar Entschädigung zu zahlen und Hongkong an die Briten abzutreten.

In der Folgezeit wurden bis zu Dreiviertel der indischen Opiumproduktion Indiens in Hongkong umgeschlagen und nahm die wirtschaftliche Bedeutung Hongkongs stetig zu.
Zu einem weiteren Aufschwung der Insel führte der japanisch-chinesische Krieg von 1937, da viele chinesische Firmen ihre Fabriken ins sichere Hongkong verlagerten. Als 1949 die Kommunisten an die Macht kamen, flohen zahlreiche chinesische Unternehmer nach Hongkong, die neben Kapital und Maschinen vor allem ihre kaufmännische Erfahrung mitbrachten.

Inmitten des kolonialen Bankenviertels gehen wir zur protestantischen Kirche, wo sich ein kleiner, schöner Park befindet, für den außer uns keiner Zeit zu haben scheint. Ein kurzer Aufenthalt in dieser künstlichen Welt soll auch uns reichen, da wir bereits höhere Ziele ins Auge gefasst haben.

Nach dem Mittag geht es nämlich hoch hinaus mit uns. Aber Vorsicht: die Bank of China sieht sich nicht als touristische Attraktion, weshalb man vorm Eintreten mal flugs die Kamera verschwinden lassen sollte.

Einmal im Gebäude angekommen, steigen wir in einen der Hochgeschwindigkeitslifte, der uns mit Umstieg in der 43 Etage bis fast nach ganz oben bringt.

Irgendwie ist das ja schon witzig, wenn einem der erste Lift lediglich die Wahl zwischen der 1. oder 43. Etage bietet, um nach 43 Sekunden dann auch das Ziel zu erreichen.
Mit dem nächsten Lift hätten wir dann bis in die 68. von 70 Etagen fahren können, wenn da nicht zu unserem Unglück ein Chinese mit einem »no admittance«-Schild gestanden wäre.

Drei Etagen tiefer, in eine kleine Nische gezwängt, bietet sich uns aber auch ein berauschender Überblick über die anderen Gebäude hinweg.
Und weil wir keine Zeit mehr dazu sahen, die zweite Hälfte des Parks zu durchlaufen, soll ein Foto aus der 65. zur späteren Ansicht genügen.

Kinderleicht mit der U-Bahn nach Kowloon

Nach Tram und Fähre probieren wir mit der U-Bahn das nächste Transportmittel aus. Neues Ziel ist diesmal Kowloon, die einst am dichtesten besiedelte Gegend der Welt.
Unsere Reiseleiterin sagte ja, U-Bahn-Fahren wäre in Hongkong kinderleicht. Und tatsächlich, auf einer der vielen Fahrkartenautomaten braucht man nur auf das gewünschte Ziel drücken, gibt durch zweimaliges drücken ebenso viele Erwachsene ein und wirft das Geld in den Schlitz.

Anschließend können wir nur durch den richtigen Kontrolleingang laufen, da unser Ticket von den anderen gar nicht akzeptiert würde.
Den nächsten Vorteil erleben wir mit der durchgehenden Glasfront, welche die Fahrgäste vorm Sturz auf die Gleise bzw. vor die nächste Bahn bewahrt. Hoffentlich macht das Beispiel Schule.

Wären wir nicht mit der U-Bahn, sondern der berühmten »Star-Ferry« auf die Insel gekommen, hätte uns der Uhrturm begrüßt, der als einziges Gebäude des alten Bahnhofs erhalten blieb. Ganz in der Nähe befindet sich das Culture Center mit dem benachbarten Peninsula Hotel.

Wären wir erst um 18 Uhr hier angelangt, hätten wir in der obersten Etage des Hotels die Bar von Kurt Felix (Verstehen Sie Spaß?) besuchen können, deren Toilette zumindest den Männern mit einer gläsernen Wand hinter den Pissoirs ein ganz besonderes Pinkelvergnügen bereitet ...

Auf den Märkten von Kowloon

Halb China hatten wir abgesucht, um einmal eine hübsche Chinesin zu fotografieren. Leider war dies nicht ganz so einfach, weil erstens: so viele hübsche Frauen gibt es nicht in China, zweitens: wenn uns dann doch mal eine in die Quere kam, erinnerte das in den meisten Fällen an »Pretty woman« oder drittens (das gilt für Hongkong) verhinderte der obligatorische Mundschutz ein schönes Foto.

Erst in der Blumenmarktstraße, einem unserer letzten Programmpunkte, hat unsere Suche Erfolg. Also schnell um Erlaubnis gefragt, um anschließend das Missverständnis zu lösen, dass es uns weniger um die vielen Blumen geht. Nach Rücksprache mit ihrer Chefin (die ihre Verkäuferin zurück ins Bild scheucht) lässt sich letztendlich ein süßes Lächeln bildlich festhalten.

In der Nähe der Blumenmarktstraße befindet sich der Vogelgarten.
Hier treffen sich bereits in den frühen Morgenstunden meist ältere Männer, um ihre Vögel zu zeigen, mit lebenden Grillen und Honigwasser zu verwöhnen und im Wettstreit mit anderen Vögeln singen zu lassen.

Neben den vielen zierlichen Singvögeln werden im benachbarten Vogelmarkt auch Papageien zum Verkauf angeboten, sodass wir in der Nähe der Kakadus gerne unseren Mundschutz gegen Oropax eintauschen würden.

Mit der Peak-Tram hinauf zum Victoria Peak

Mit der »Star Ferry« zurück nach Hongkong-Island, entdecken wir unterwegs eine Chinesin, die es mit den Sicherheitsmaßnahmen ganz besonders ernst meint. Nichts kann sie dazu verleiten, den Mundschutz abzunehmen - außer wenn der knallrote Lippenstift mal wieder nachgezogen werden muss ...

In Reiseführern und -berichten lasen wir immer wieder, wie lange man an der Peak-Tram anstehen muss, bis einen die seit 1888 unfallfrei verkehrende Zahnradbahn endlich zur 395 Meter hohen Peak Station bringt. Mit anderen Worten: als wir an der Talstation ankommen, kaufen wir uns die Tickets für hoch und wieder runter und steigen in die bereits wartende Tram ein (-;

Oben angekommen, werden wir bei unserem zweiten Besuch auf dem Peak mit einer viel besseren Sicht belohnt. Bereits beim Verlassen des Peak-Towers bekommen wir ein ganzes Bündel an Lockgutscheinen in die Hand gedrückt. Einer dieser Gutscheine lädt uns in das Mövenpick ein, dem Restaurant, welches durch seine Lage ganz oben im Peak-Tower und seiner schrägen Fensterfassade den besten Überblick über Hongkong bietet.

Hier kann sich glücklich schätzen, wer einen Platz zu ergattern weiß. Als zeitweise einzige Gäste wird uns sogleich der Tisch in der obersten Etage ganz in der Mitte hergerichtet, wo wir bei Kerzenlicht, zwei Cola (auf unsere Rechnung) und zwei mal frisch gepresstem Orangensaft (Gutschein!) auf die hereinbrechende Nacht warten (-;

Tram-fahren zwischen Kings-Road und Happy Valley

In Hongkong soll man nicht denken, mit der Straßenbahn schwarz fahren zu können.
Es sei denn, Annette und Lars sind unterwegs und denken, sie können mit der nächstbesten Tram zurück zum Hotel fahren.
Tatsächlich bringt uns die Tram nicht in die anvisierte Kings-Road, sondern zur Endstation ins Happy Valley. Als alle ausgestiegen sind, kommt uns das ja auch irgendwie komisch vor und also gehe ich die Treppe runter (wir waren auf das Oberdeck der Museumsbahn gestiegen), um statt des Fahrers nur noch eine Putzfrau anzutreffen.

Wir sollen die Tram vornedran nehmen, weil diese erst in 15 Minuten weiter fahren würde. Gesagt, getan und dabei zum ersten Mal eine Tram nicht gezahlt.
Die nächste Tram bringt uns dann wieder auf die richtige Straße, nur leider in die falsche Richtung. Also wieder ausgestiegen (dieses Mal gezahlt), eine Verkäuferin gefragt, welche Tram uns in die Kings-Road bringt und wenig später mit der empfohlenen Tram ein zweites Mal bei der Endstation im Happy Valley gelandet.

Diesmal gehe ich sofort runter zum Fahrer, der weder Englisch noch den Stadtplan (mit eingetragenem Straßenbahnnetz!) zu verstehen vorgibt. Nachdem er so etwas wie »pay and go« knurrt, geht er an uns vorbei in den hinteren Teil der Tram und wir vorne raus (zweites Mal nicht gezahlt).
Den nächsten Tramfahrer fragen wir gleich beim Einstieg nach der Kings-Road und ... ja, da fährt er hin. Oder auch nicht, weil er an der nächsten Ampel mit einem »nono, nono« nach oben rennt, um uns an der nächsten Station wieder raus zu lassen.

Ohne zahlen zu müssen, sollen wir eine Bahn nehmen, deren Name wir nicht so recht verstehen, außer, dass es chinesisch ist und aus drei Silben besteht.
Tatsache kommen wir mit der nächsten Bahn dann endlich (nach Herzklopfen bei der letzten Abbiegemöglichkeit) in der Kings-Road an. Uff, wenn das gleich am frühen Morgen passiert wäre, hätten wir unser geplantes Programm vergessen können, als Abschluss unserer »Hongkong an einem Tag«-Tour jedoch war das hin und her recht witzig.

Und wäre die Tram wieder in die falsche Richtung abgebogen, dann wären wir einfach ausgestiegen und erst hinter der letzten Schienenkreuzung wieder eingestiegen (-;

Zum Schluss dieser aufregenden Fahrt mit fünf Trams (statt einer, die nötig gewesen wäre) gehen wir ein letztes Mal zu Mc Mampf, der uns in Hongkong nicht nur ein erschwingliches Essen garantiert, sondern durch die verschärften Reinigungsmaßnahmen erstmals in Sagrotan frittierte Pommes beschert ...

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